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Klagen im Namen der Natur

Seit Ende 2006 gibt es das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG). Damit wurde Umweltschutzorganisationen die Möglichkeit eingeräumt, auf dem Klageweg gegen Umweltverstöße vorzugehen. Etwa die Hälfte aller, seitdem eingereichten, Klagen deutscher Umweltverbände war erfolgreich, so das Ergebnis einer Untersuchung des Umweltbundesamts. Dafür wurden die Verbandsklagen aus der Zeit zwischen 2006 und 2012 ausgewertet.

Freiburg/Berlin (csr-news) > Seit Ende 2006 gibt es das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG). Damit wurde Umweltschutzorganisationen die Möglichkeit eingeräumt, auf dem Klageweg gegen Umweltverstöße vorzugehen. Etwa die Hälfte aller, seitdem eingereichten, Klagen deutscher Umweltverbände war erfolgreich, so das Ergebnis einer Untersuchung des Umweltbundesamts. Dafür wurden die Verbandsklagen aus der Zeit zwischen 2006 und 2012 ausgewertet.

Wichtige Erkenntnis der Studie: Verbände prüfen die erweiterten Klagemöglichkeiten, die der deutsche Gesetzgeber einräumt, sorgfältig. So gab es zwischen 2006 und 2012 insgesamt 58 Klagen, also etwa 12 pro Jahr. Im Vergleich zu den mehr als 700 Umweltverträglichkeitsprüfungen, die jährlich durchgeführt werden, sind dies lediglich 1,7%. Ausgewertet wurden die Klagen vom Freiburger Öko-Institut gemeinsam mit einer Sonderforschungsgruppe der Hochschule Darmstadt. Die kamen zu dem Schluss, das immerhin 48 Prozent aller vor den Verwaltungsgerichten eingereichten Klagen erfolgreich waren. „Wir sehen, dass die Verbände von ihrem Recht, als Anwalt der Umwelt aufzutreten, sehr verantwortungsvoll Gebrauch machen“, fasst Falk Schulze, Projektleiter am Öko-Institut und Experte für Umweltrecht, zusammen. „Das beweist auch der Erfolg der Klagen – vielfach kann dadurch erreicht werden, dass beispielsweise weniger Schadstoffe in die Umwelt gelangen oder dass Belange des Natur- und Artenschutzes z.B. durch Auflagen stärker berücksichtigt werden müssen“.

Das Ziel der Untersuchung war es, empirisch zu überprüfen ob die eingeräumten Klagemöglichkeiten nach dem UmwRG das Verhalten der beteiligten Akteure beeinflusst hat und mit welchen Hindernissen Umweltorganisationen konfrontiert wurden. Die untersuchten Klagen kamen aus den unterschiedlichsten Bereichen und reichten von Planfeststellungsverfahren wie beim Flughafen Braunschweig, über Immissionsschutzrechte bei Müllverbrennungsanlagen, Autobahnen und Mastbetrieben, bis hin zu Bebauungsplänen von Unternehmen oder Windkraftbetreibern. Die Befragung  von mehr als 35 Akteuren ausgewählter Klageverfahren durch die Forschungsgruppe ergab dabei, dass die Einwände der Umweltverbände meist auch von den Behörden und Vorhabenträgern positiv bewertet werden. So konnten durch die verstärkte Kommunikation im Verfahrensverlauf sowohl im Verwaltungsverfahren als auch bei der Konzeption der Projekte Verbesserungen erzielt werden. „Die Befürchtung, die Verbandsklage werde zur Blockade von Investitionen missbraucht oder führe zu einer Überlastung der Gerichte, ist damit widerlegt“, erläutert Prof. Martin Führ, Projektleiter und Professor für Umweltrecht an der Hochschule Darmstadt. „Im Gegenteil, wir sehen, dass durch die Einwände der Umweltverbände Vieles berücksichtigt werden kann, was der Projektträger im ersten Schritt nicht bedacht hat.“

Der Vergleich bestehender Klagerechte in Polen, Österreich und den Niederlanden, den das Öko-Institut angestellt hat, zeigt zudem weitere Verbesserungsmöglichkeiten auf. Zum einen sei es wünschenswert, dass die Umweltverbände noch einfacher Kenntnis erlangen von anstehenden Zulassungsverfahren, zum anderen sollte die Übermittlung von Antragsunterlagen erleichtert werden. Weiterhin sollte die Frist für Einwendungen, so der Jurist des Öko-Instituts, von derzeit sechs Wochen auf mindestens zwei Monate verlängert werden. Auch der „Umweltanwalt“ wie in Österreich, der als weiterer unabhängiger Akteur im Verwaltungsverfahren auftreten kann oder naturwissenschaftlich-technische Beratungsgremien für Richter wie in den Niederlanden, wären Möglichkeiten, weitere Verbesserungen im Sinne umweltverträglicherer Planungsprozesse zu erzielen. Die erweiterten Klagemöglichkeiten für Umweltverbände im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz gehen auf die EU-Richtlinie zur Öffentlichkeitsbeteiligung zurück. Damit entsprechen die EU und ihre Mitgliedsstaaten der Aarhus-Konvention, die seit 2001 mehr Öffentlichkeitsbeteiligung bei Entscheidungsverfahren zugunsten der Umwelt festschreibt. Die völkerrechtliche Vereinbarung haben sowohl die EU-Mitgliedsstaaten als auch die EU selbst ratifiziert. Derzeit berät die EU-Kommission über den möglichen Erlass einer Richtlinie zum verbesserten Gerichtszugang in Umweltangelegenheiten. Das Konsultationsverfahren, an dem sich das Öko-Institut mit einer Stellungnahme beteiligt hat, wurde Ende September 2013 abgeschlossen. Nach Abschluss der Studie hat der Europäische Gerichtshof in dem „Altrip-Urteil“ vom 7. November 2013 (Az.: C-72/12) die Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden weiter gestärkt. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung zum „Luftreinhalteplan Darmstadt“ (7 C 21.12) die Klagemöglichkeiten ausgeweitet. „Der Gesetzgeber ist jetzt aufgefordert, das deutsche Recht an die Vorgaben der EU und des Völkerrechts anzupassen“, sagt Projektleiter Martin Führ.


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