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Ferien-Lesetipp: „Irrweg Bioökonomie. Kritik an einem totalitären Ansatz“

Bieten Bioökonomie und Biotechnologie eine Antwort auf zentrale Zukunftsfragen wie Welternährung, Wasserschonung und Klimaschutz? Oder beschleunigen sie die Ausbeutung und Zerstörung der Natur? Die Antwort von Franz-Theo Gottwald und Anita Krätzer in ihrem 2014 erschienen Buch „Irrweg Bioökonomie. Kritik an einem totalitären Ansatz“ fällt eindeutig aus – wie bereits der Titel verrät.

Berlin (csr-news) – Bieten Bioökonomie und Biotechnologie eine Antwort auf zentrale Zukunftsfragen wie Welternährung, Wasserschonung und Klimaschutz? Oder beschleunigen sie die Ausbeutung und Zerstörung der Natur? Die Antwort von Franz-Theo Gottwald und Anita Krätzer in ihrem 2014 erschienen Buch „Irrweg Bioökonomie. Kritik an einem totalitären Ansatz“ fällt eindeutig aus – wie bereits der Titel verrät.

„Der Begriff ‚Bioökonomie‘ bezeichnet nicht etwa die Ökologisierung der Ökonomie, sondern die Ökonomisierung des Biologischen, also des Lebendigen“, so die Autoren. Dazu werde auch der Nachhaltigkeitsbegriff umgedeutet: „Nicht die vorsorgliche Bewahrung der Um- und Mitwelt, sondern vielmehr ihre dauerhafte kommerzielle Nutzung wird als ‚nachhaltig‘ bezeichnet.“

Die im Buch benannten Formen der Bioökonomie sind vielfältig: Sie reichen von der Pflanzenbiotechnologie, der Roten Biotechnologie zur Herstellung von Medizinprodukten, der Industriellen Biotechnologie mit ihrer Nutzung nachwachender Rohstoffe, der auf der Gentechnologie basierenden Synthetischen Biologie, dem Precision Farming bis zur energetischen Biomassenutzung und den Biokunststoffen.

Auf den ersten Seiten des Buches begegnet dem Leser eine grundlegende Kritik an der Förderung der Biotechnologie durch die Europäische Union, die OECD und die Bundesregierung: Diese erfolge unkritisch und unter weitgehender Ausblendung der Risiken. Zudem kritisieren Gottwald und Krätzer den Einfluss von Industrievertretern auf die Politikgestaltung, ausführlich am Beispiel des Bioökonomierates, der die Bundesregierung bei der Umsetzung der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2013“ berät. „Die im Rat … vertretenen Konzerne wie BASF, Bayer oder KWS SAAT AG und die einschlägigen Forschungsinstitute und Berater profitieren … direkt oder und indirekt von den von ihnen empfohlenen Fördermitteln“. Weiter heißt es im Buch: „Das vehemente Eintreten des Bioökonomierats für Gentechnik, industriellen Landbau und ein Zurückdrängen des Naturschutzes verwundern daher nicht.“

Die Verfasser zitieren Studien, deren Ergebnisse die mit der Bioökonomie verbundenen Erwartungen in Frage stellen, etwa die dauerhafte landwirtschaftliche Ertragssteigerung durch Erbgutmanipulationen. Und sie verweisen eindringlich auf das beschränkte Wissen über die Wechselwirkungen in der Natur und die nicht übersehbaren Folgen unumkehrbarer biotechnologischer Eingriffe. Wegen dieser Komplexität „muss der mit der Bioökonomie erneut geträumte Traum von der Welt als restlos beherrsch- und steuerbarer Maschine immer wieder neu scheitern.“

Für die Autoren ist die kritische Auseinandersetzung mit Themen insbesondere der Ernährungswissenschaft kein Neuland: Franz-Theo Gottwald leitet die Münchener Schweisfurth-Stiftung und lehrt an der HU Berlin und der Münchener Hochschule für Politik, Anita Krätzer arbeitet als Wirtschaftsjournalistin und Expertin für integrierten Umweltschutz.

„Irrweg Bioökonomie“ ist aufgrund seiner Themenwahl keine leichtgängige Urlaubslektüre, aber allgemeinverständlich geschrieben und ohne tiefgehende naturwissenschaftliche Kenntnisse lesbar. Stärken des Buches liegen in seiner Kritik am undifferenzierten politischen Umgang mit Fragen der Biotechnologie und in seiner Reflexion eines der industriellen Revolution entwachsenen mechanischen Weltbildes. Aus ihrer grundsätzlichen Kritik an der industriellen Landwirtschaft und ihrem Eintreten für regionale Wirtschaftskreisläufe als Alternative machen Gottwald und Krätzer keinen Hehl. „Irrweg Biotechnologie“ will zurecht die bisher leise öffentliche Diskussion über diese neue Form des Wirtschaftens voranbringen und eignet sich als Einstiegslektüre in ein vielseitiges und nicht leicht überschaubares Themengebiet.

Theo Gottwald, Anita Krätzer: Irrweg Bioökonomie. Kritik an einem totalitären Ansatz. Berlin (Suhrkamp) 2014
Paperbach, 176 Seiten
ISBN 978-3-518-26051-7


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