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Wir sind, was wir tun. Wer besser sein will, muss verantwortlich handeln – ein Gespräch mit Peter Wolf

Einst waren die Warenhäuser die Kathedralen des Konsums. Doch dann verkamen sie zu riesigen Gemischtwarenläden mit Luftschleusen am Eingang. Nun ist Karstadt dabei, das Warenhaus wiederzubeleben und weiterzuentwickeln. Weg vom beliebigen Allerlei, hin zu einem klaren Profil, zur Bühne, zum Erlebniseinkauf. Wer alles gleichermaßen unter einem Dach vereinigen möchte, kommt in diesem Sammelsurium um, sagt der neue Mann an der Unternehmensspitze. Denn heute zäh­len Substanz, Inhalt, Unverwechselbarkeit und eine scharfe Profilierung. Wer Erfolg haben will, der muss den Mut haben, anders zu sein und verantwortlich zu handeln.  

Vorwort von Dr. Alexandra Hildebrandt,
Leiterin Kommunikation Gesellschaftspolitik.

Die Vielzahl von freundlichen Kundenbriefen, die positive Berichterstattung in den Medien und die anhaltende öffentliche Aufmerksamkeit zeigen, dass die Neupositionierung der Karstadt Warenhaus GmbH die Köpfe der Kunden erreicht hat. Das Unternehmen ist im Gespräch, es hat den Zugang zu den Menschen (wieder)gefunden. Wenn ich meiner kommunikativen Aufgabe gerecht werden möchte, dann genügt es nicht, mich auf die reine Faktenlage zu beziehen. Was wirklich zählt, sind die Menschen dahinter. Denn Ethik und Moral sind ohne Menschen mit Charakter in einem Unternehmen nicht umsetzbar. Sie stehen für ein neues Bewusstsein wirtschaftlichen Handelns. Gesellschaftspolitisch sind diese „Macher“ unverzichtbar, weil sie eine Position einnehmen. Deshalb sollten sie beschrieben und befragt werden. 

Der Mann hinter der Neupositionierung der Karstadt-Warenhäuser ist Peter Wolf, ein verantwortungsbewusster, pragmatischer Macher, der sich nicht auf Erfolgen ausruht, sondern die Dinge weitertreibt. Peter Wolf ist schnell und geradeaus, jemand, der etwas wagt und konsequent ist in dem, was er tut. Ihm geht es um die Verantwortung, anders zu sein.  

Peter Michael Wolf begann seine berufliche Karriere 1988 im Produktmanagement Wasch- und Reinigungsmittel der Henkel KGaA Düsseldorf und war danach in leitender Funktion in zwei Unternehmen der Werbebranche tätig. 1996 wechselte er in die Geschäftsführung von Reemtsma, die zur Tchibo Holding gehörte. Seit August 2006 ist er Vorsitzender der Geschäftsführung der Karstadt Warenhaus GmbH und Mitglied des Vorstands der KarstadtQuelle AG.  

Herr Wolf, Sie sind jetzt seit fast einem Jahr Vorsitzender der Geschäftsführung der Karstadt Warenhaus GmbH und Mitglied des Vorstands der KarstadtQuelle AG. Was hat Sie bewogen, diese Herausforderung anzunehmen und das Warenhaus neu zu positionieren?  

In der Frage steckt schon die Antwort – es ging mir darum, Karstadt neu aufzustellen und dem Unternehmen ein unverwechselbares Gesicht zu geben. Wer alles gleichermaßen unter einem Dach vereinigen möchte, kommt in diesem Sammelsurium um. Mein Grundsatz ist hier: Weniger ist mehr. Es kommt darauf an, nur das qualitativ Interessanteste und Relevanteste anzubieten. Dazu gehört auch der Mut, sich von Randprodukten mit niedriger Nachfrage zu trennen.  

Worauf haben Sie verzichtet?  

Wir haben unsere Sortimente komplett überarbeitet und Formate definiert, die einen weit größeren Spezialisierungsgrad aufzuweisen haben. Wir verste­hen das Warenhaus als modernen Marktplatz. Wir nehmen die Begriffe Marktnähe und Kundenorientierung ganz wörtlich: So inszenieren wir jeden Monat neben unserem Trend- und Basissortiment aktuelle neue Produkte und Dienstleistungen, die unter einem gemeinsamen Thema zusammenge­fasst sind. Ich habe immer gesagt, dass wir zur Bühne werden und Erlebniseinkauf bieten müssen, denn Marken müssen entsprechend präsentiert wer­den. Wenn wir diese Bühne nicht nutzen und hervorragend besetzen, wer­den andere schneller sein. Wir müssen mit dem Zeitgeist gehen und dürfen ihm nicht hinterherlaufen, denn dann haben wir schon verloren. Wenn wir uns also nicht bewegen, werden uns andere bewegen. Aber genau das ist nicht zielführend. Man darf – und das gilt im Beruf genauso wie im Privat­leben – nicht stehen bleiben, denn dann fällt man zurück und verpasst den Anschluss. Das können wir uns nicht leisten.  

Was bedeutet das konkret?  

Weil wir unsere Kunden mit ihren Bedürfnissen ernst nehmen, kann und darf es zum Beispiel nicht unser Anspruch sein, ihnen über lange Zeiträume hinweg immer dieselben Produkte in den Warenhäusern anzubieten. Auch wenn das Konzept nicht neu ist – am Ende zählt nicht die Theorie, sondern das, was wirklich getan wird. Durch die attraktive Inszenierung eines The­mas, das sich konsequent durch alle Sortimentsbereiche zieht, haben wir mehr Käufer in unsere Einkaufstempel gelockt. Nur der Wandel ist das Einzi­ge, was wirklich Bestand hat. Auch ein Warenhaus muss sich immer wieder neu erfinden. Darin liegen ungeahnte Chancen, die sich allerdings nur dem öffnen, der sie auch erkennt.  

… das sagte schon der alte Fontane: „Man sieht nur, was man weiß.“  

Ja genau, aber dazu muss eine Offenheit im Denken gegeben sein. Das ist die Voraussetzung dafür, mehr zu wissen und eben auch mehr zu erkennen.  

Gibt es im Konzern Menschen, die Schwierigkeiten haben, Ihrem Ansatz zu folgen, und bestimmte Chancen nicht sehen oder nicht sehen wollen?  

Es wird immer Menschen geben, die man nicht sofort „abholen“ kann, die ein bestimmtes Tempo nicht gewöhnt sind, weil sie eben machen, was sie immer gemacht haben – da ist es schwer, sich umzustellen. Sicher ist es rich­tig, aufeinander zu warten. Aber dieser Prozess darf nicht zu lange dauern, denn dann handelt man nicht verantwortungsvoll für seine Kunden, Mitar­beiter und Aktionäre. Wir müssen uns in bestimmte Prozesse hineinwagen und auf die Erfordernisse des Marktes schnell und konsequent reagieren.  

Diejenigen, die gern negativ denken, könnten an dieser Stelle einwenden, dass dieses Vorgehen dem Nachhaltigkeitsgedanken widerspricht …  

In diesem Zusammenhang verweise ich dann gern auf ein konkretes Beispiel – nämlich dass Nachhaltigkeit nicht immer mit langen Zeiträumen verbun­den sein muss: So haben wir es in einem Haus wie dem Oberpollinger bei­spielsweise innerhalb von acht Wochen geschafft, die Kundenstruktur stark zu verändern. Wir hatten allein im vergangenen Jahr dort bis zu 80 Prozent neue Kunden. Dabei sind vor allem die Inhalte entscheidend – man kann auch sagen: das Wesen und nicht der Schein. Dafür bezahlt der Kunde. Des­halb hat er ein Recht auf eine Top-Bedienung und -Beratung, auf erstklassi­gen Service und ein unvergessliches Kauferlebnis.  

Ihnen lag von Beginn an daran, Karstadt wieder zum „Herzen der Stadt“ zu machen. Was bedeutet das konkret?  

Das moderne Warenhaus, das eine enorme Bedeutung für die Innenstädte hat, ist ein Marktplatz, um den herum sich das Leben ereignet. Er ist zugleich auch „Markenplatz“ und damit konsequent auf den Kunden ausgerichtet beziehungsweise von seinem Standpunkt (place of purchase) aus entwickelt. Der Kunde ist ein integraler Bestandteil davon. Hier kommt zusammen, was zusammengehört: die Mitarbeiter, die für bestimmte (Marken-)Botschaften wie Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Verlässlichkeit stehen, aber auch die Kunden, die am Ende zum Träger dieser Botschaften werden.  

Ihnen liegt sehr daran, noch mehr als bisher mit den Städten zusammenzu­arbeiten. Warum?  

Als moderner Marktplatz haben wir auch eine soziale Verpflichtung. Wenn es um die lokale und globale Verantwortung geht, kann man nicht immer nur sagen, dass die Politik respektive die Stadt handeln muss. Hier sollte jeder bei sich selbst beginnen, jeder Kunde, aber auch jedes Unternehmen.  

Bis Mitte dieses Jahres tragen die Mitarbeiter in den meisten Warenhäusern einen Dresscode. Was ist der Grund dafür?  

Ein enormer Effekt der einheitlichen Kleidung ist zum Beispiel, dass die Kun­den den Eindruck erhalten, wir hätten unser Personal entsprechend aufge­stockt – dabei werden unsere Mitarbeiter nur sichtbarer, und wir zeigen Pro­fil. Damit sind wir nicht nur repräsentativ im Äußeren, sondern zeigen auch Zuverlässigkeit nach innen. Vor allem aber wird ein Gefühl der Identifikation vermittelt – die Mitarbeiter zeigen, dass sie stolz sind, für Karstadt zu arbei­ten. Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Es gilt die Mitarbeiter „mitzunehmen“, sie einzubeziehen. Denn sie sind ein wichtiger Teil des Erfolges. Man muss gerade auf die Skeptischen zugehen und sie gewinnen, damit baut man Zurückhaltung ab und erreicht Unterstützung für das gemeinsame Ziel. Voraus­setzung dafür ist eine fehlertolerante Unternehmenskultur: Es muss möglich sein, Fehler zu machen, nur so lernt man.  

Ist der Kaufakt des Kunden auch ein politisches Statement?  

Ja, er ist immer auch ein Stimmzettel, und es macht dem Kunden sogar Freu­de, damit die Welt ein bisschen zu verändern. Wir haben das konkret an den positiven Kundenreaktionen gesehen, als bekannt wurde, dass wir auf den Verkauf von Echtpelzen in unseren Filialen verzichtet haben. Karstadt wurde bevorzugt aufgesucht und weiterempfohlen. Auch das wachsende Interesse an Themen wie Fair Trade und Fair Fashion zeigt, dass ein Wandel im Den­ken der Konsumenten stattgefunden hat. Auch biologische Produkte sind inzwischen zu Lifestyle­Produkten geworden. Die Kunden möchten das Gefühl vermittelt bekommen, mitzuhelfen, die Welt zu verbessern.  

In Essen-Bredeney ist der Sitz der Konzernzentrale. In zahlreichen Interviews haben Sie bemerkt und betont, dass Ihnen das Wort „Hauptverwaltung“ nicht gefällt, weil …  

… es bei allem, was wir tun, nicht ums Verwalten geht, sondern ums prag­matische Machen. Wir sind ein sehr lebendiges, bewegliches und kreatives Unternehmen, das sterben würde, wenn es nur verwaltet wird.  

Als „Macher“ mit einer festen Meinung macht man sich sicherlich nicht nur Freun­de – wer sich bewegt, eckt zuweilen eben auch einmal an, stößt mit Menschen zusammen, die vielleicht lieber einen „Schmusekurs“ einschlagen würden. Wie gehen Sie damit um?  

Das gehört zur Arbeit des Managements notwendig dazu. Geradlinigkeit und der feste Wille, etwas zum Positiven zu bewegen, haben eben auch ihren Preis. Aber die Sache ist es wert.  

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Kommunikation?  

Sie muss glaubhafte Inhalte vermitteln und sie muss übersetzen, was wir tun, und warum wir es tun. Ich mag es, die Dinge rasch auf den Punkt zu bringen. Der Andere soll sofort wissen, woran er ist. Das spart auch Energie, die wir wieder in die tägliche Arbeit zurückführen können. Eine edle Sprache muss nicht unbedingt gute Absichten beinhalten – da ziehe ich klare Ansagen, also auch klare unternehmerische Ziele vor. Wichtig ist immer das Gemeinte – also das, was unterm Strich bleibt. Gute und ehrliche Kommunikation schafft Ver­trauen und ist damit auch eine Voraussetzung für erfolgreiches Wirtschaften.  

Damit verbunden ist auch die gesellschaftliche Verantwortung eines modernen Marktplatzes …  

Unbedingt – er lädt zum Mitmachen, Mitgestalten und Mithelfen ein. Diese Haltung setzt ein vielfältiges und multilokales bürgerschaftliches Engage­ment voraus. Ein modernes Verständnis von Corporate Citizenship ist des­halb ein wichtiger Baustein unserer Philosophie. Unsere gesellschaftliche Verantwortung ist auch ein entscheidender Prüfstein für unsere Reputation. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass ein verantwortungsloses Unter­nehmen dauerhaft seine Kunden nicht halten kann. Wer mit seinem Han­deln die Umwelt schädigt, wird mit Umsatzeinbußen abgestraft. Hier beginnt unser Verständnis von Corporate Social Responsibility. Jedem, der mit uns in einer Beziehung steht – seien es Kunden, Lieferanten oder Mitarbeiter –, sind wir ebenso wie der Öffentlichkeit zu größtmöglicher Transparenz verpflichtet.  

Neuerdings gewinnt auch das Thema Diversity als zukunftsorientierte Geschäftsausrichtung im Einzelhandel immer mehr an Bedeutung. Gilt das auch für Kar­stadt Warenhaus?  

Auf jeden Fall, denn unser Warenhauskonzept basiert auch auf der kulturel­len Vielfalt unserer Mitarbeiter und Kunden. Wir werden deshalb der Initiati­ve „Diversity als Chance – Charta der Vielfalt der Unternehmen in Deutsch­land“ beitreten, die Mitte Dezember 2006 von vier Erstunterzeichner-Firmen gemeinsam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flücht­linge und Integration, Frau Prof. Dr. Maria Böhmer, ins Leben gerufen wurde. Denn Vielfalt – wohlverstanden nicht als Beliebigkeit im Sinne eines Sam­melsuriums, sondern als Reichhaltigkeit – ist die Grundlage für erfolgreiches Business in der Globalisierung.  

Ein Interview von Dr. Alexandra Hildebrandt, Leiterin Kommunikation Gesellschaftspolitik bei der KarstadtQuelle AG. 

Der Beitrag ist zuerst erschienen auf www.changeX.de.Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Verfasserin.


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