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Licht ins Dunkel? Vorpremiere von „Let’s make money“

Ein Gastbeitrag von Dr. Guido Knoerzer.
Frankfurt > Auf starkes Publikumsinteresse stieß der neue Film von Erwin Wagenhofer „Let’s make money“ bei seiner Vorpremiere im Frankfurter Cinestar-Kino am Sonntag. Der offizielle Kinostart ist am 30.10. Auch die anschließende Podiumsdiskussion mit dem Regisseur und anderen Teilnehmern wurde aufmerksam verfolgt und zum Teil lautstark aus dem Publikum begleitet. Wagenhofer hatte mit seinem Film: „We feed the world“ (2005) den erfolgreichsten Dokumentarfilm Österreichs gemacht und mehrfach Auszeichnungen dafür erhalten. „Let’s make money“ dürfte eine ähnliche Erfolgsgeschichte beschieden sein. Denn günstiger hätte der Zeitpunkt der Präsentation des Films nicht gewählt sein können.

In diesen Tagen zeigen sich Stück für Stück die Folgen der internationalen Finanzkrise und sehr viele Menschen beschleicht ein Unwohlsein angesichts so vieler paralleler und undurchschaubarer Ereignisse, deren reale Ergebnisse noch gar nicht abzusehen sind. Wagenhofer hat diese Ergebnisse in drei Jahren Recherche rund um den Globus bereits voraus gesehen und die wesentlichsten Momente zusammen getragen: Frühzeitige Planung der Rahmenbedingungen in einem liberalen Think Tank. Die politische Umsetzung in England einschließlich der Schaffung von Steueroasen auf den Kanalinseln, verbunden mit den politisch-wirtschaftlichen Aktivitäten der USA und der Weltbank. Die Verschuldung von „Entwicklungsländern“ über deren Eliten ebnete den Weg für Interventionen des internationalen Währungsfonds und der Weltbank, denen dann westliche Investoren folgen. Die Privatisierung von Altersvorsorge, Stromerzeugern oder Baumwollfabriken eröffnen neue Anlagemöglichkeiten für das westliche Geld. Doch die Erde scheint rund zu sein. Der “Ausverkauf” von sozialen Errungenschaften wie Gesundheitssystem, Pensionswesen, Energieversorgung und öffentlichem Verkehr passiert nicht nur in der fernen “dritten” Welt. Auch die Wiener Straßenbahnen gehören einem Investmentfond und viele Städte in Deutschland danken angesichts ihrer aktuellen Schulden über solche Privatisierungsschritte nach.

Das auf dieser Grundlage geschaffene Finanzsystem gleicht eher einem globalen Spielcasino als einem nüchternen Finanzplatz. Selbst erfahrene Banker werden zu reinen Statisten von im Grunde genommen irrationalen Vorgängen. Bei den meisten Menschen entstehen so große Unsicherheiten und ein tiefer Vertrauensverlust.

Wagenhofer greift diese Publikumsstimmung mit der für ihn typischen Mischung filmischer Mittel auf. Er bietet keine Erklärungen, sondern lässt die Protagonisten sich selbst darstellen. Er weiß, dass die Spieler dieses Spiels ein großes Interesse an Selbstdarstellung haben. Denn nur so können sie die vielen kleinen Leute oder auch die Entscheider im Kapitalmarkt davon überzeugen, dass man ihnen und nicht anderen Geld zur Vermehrung überlassen soll. Wagenhofer verzichtet auch auf Kommentare oder zusätzliche Informationen zu den Personen und Schauplätzen.

Er versetzt den Zuschauer so erneut in die Position des Nichtverstehers, klärt ihn aber über die Gründe für dieses Nichtverstehen auf. So wie er vorher nicht verstanden hatte, wie es zu diesen Riesengewinnsteigerungen kommen konnte versteht er jetzt nicht, wie diese Gewinne abgeschmolzen sein sollen. Aber er klärt den Nichtversteher über die Folgen dieser Investment-Black-Box auf: Burkino Faso, das drittärmste Land der Welt, das seine Baumwolle nicht ganz normal global (frei) handeln kann, weil die USA ihren eigenen Baumwollanbau subventioniert und die Einfuhr von Baumwolle damit unmöglich macht. Wagenhofer folgt in seinem Film dem Weg des Geldes und zeigt die Immobilienblase in Spanien, Armut in Afrika und die ökologischen Folgen von Investments in Indien. Er zeigt, wie Investoren fremde Länder regelrecht abgrasen und stellt die dazu passende „Ethik“ vor. Mark Mobius, Präsident einer Fondgesellschaft in Singapur erklärt: „Ich glaube nicht, dass ein Investor verantwortlich ist für die Ethik, für die Verschmutzung oder das, was eine Firma verursacht, in die er investiert. Das ist nicht seine Aufgabe. Seine Aufgabe ist es, zu investieren.“

Die auf die Vorpremiere folgende und von Frank Trümper (Common Purpose, Deutschland) moderierte Diskussion wurde zwar lebhaft geführt. Aber die Teilnehmer zogen sich angesichts der Kompliziertheit der Materie immer mehr in ihre eigenen Arbeitsfelder zurück: Angela Hanisch, Stadtverordnete der Grünen in Frankfurt in die Kommunalpolitik, Dietrich Wild von der oekom research AG aus München in das Feld des Ratings, Eberhard Schnebel von der Commerzbank in den Bereich Risikomanagement und Ethik. Josef Pfannenstill, Vorstand der versiko AG und Geschäftsführer Ökoworld Lux SA, versuchte als einziger, sich über seinen Tellerrand hinaus zu bewegen und geriet dabei mehrfach ins Kreuzfeuer des Regisseurs Wagenhofer.

Der österreichische Regisseur betonte in der Diskussion mehrfach, es gehe nicht mehr darum, Wachstum in Wirtschaft und Finanzbranche zu erzielen, sondern sich mit weniger zu bescheiden, weil die westliche Gier sonst notgedrungen zu weltweiten ökonomischen und ökologischen Katastrophen führe. Einer solchen Suche nach Alternativen mit Unterstützung von vielen Nicht-Regierungs-Inititiativen dient letztlich der Film. Es wird interessant sein zu beobachten, inwieweit aus der globalen Kommunikation einer globalen Krise global wirkende und lokal umsetzbare Handlungsmöglichkeiten erwachsen.


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