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Chancen und Grenzen des Fairen Handels und die Verantwortung des Verbrauchers

Frankfurt / Main > Um Chancen und Grenzen des Fairen Handels ging es am Samstag auf einem vom Bistum Limburg organisierten Thementag in Frankfurt am Main. Knapp 70 Teilnehmer meist zivilgesellschaftlicher Organisationen kamen zu Podiumsdiskussionen und praxisnahen Workshops in das Haus am Dom. Die Referenten von Gepa, Banafair, Eine-Welt Läden, dem hessischen Einzelhandelsverband sowie der Discounterkette Lidl lieferten Impulse für einen zielgerichteten, lebendigen und respektvollen Austausch unter allen Teilnehmern.

Thematisiert wurden Fragen wie: Bietet Fair Trade (politische) Möglichkeiten, die Weltwirtschaft zu retten, Menschen gerecht zu entlohnen und entsprechend internationaler Arbeitsnormen zu behandeln? Verantwortet der Verbraucher unfaire Produktion und ungerechten Handel? Steuert der Einkauf in Unternehmen Gewinne und Nutzen für Unternehmen und Zulieferer?

Ob fairer Handel nachhaltiges Wirtschaften bedeutet oder nur soziales Alibi ist, erörterten die Referenten aus ihrer jeweiligen Position. So sei Fairer Handel unter anderem als politischer Faktor zu sehen, globale Zustände jedoch veränderten sich nicht allein durch Fairen Handel, erklärte BanaFair Geschäftsführer Rudi Pfeifer. Frank Albrecht, Präsident des hessischen Einzelhandelsverbandes und Inhaber einer lokalen Frankfurter Parfümeriekette, sprach dem modernen Verbraucher eine Mitschuld an unfairen Angeboten und dem verschwinden der „Tante Emma“-Läden zu. „Es müsste für Humanisten und Christen eigentlich selbstverständlich sein, faire Produkte zu kaufen. Zugleich aber hat sich in unserem Haifisch-System der ehrliche Kaufmann verabschiedet und der Verbraucher muss lernen, beispielsweise Werbebotschaften auf ihren Wahrheitsgehalt zu hinterfragen“, lautete seine Erklärung. Albrecht unterstrich das Engagement der Veranstaltungsteilnehmer (Haupt- und Ehrenamtliche aus der Weltladenbewegung, Kircheninitiativen, Pfarrgemeinden und Lehrer), weiterhin engagiert das Bewusstsein für gute Produkte in die Gesellschaft, Parteien, Kirchen und den Einzelhandel zu tragen. Er selbst versprach, Fair Trade auf den kommenden Landestreffen der Einzelhändler wie Edeka, Rewe und Aldi auf die Agenda zu setzen und den im eigenen Unternehmen gekochten Kaffee auf Fair Trade umzustellen.

Lidl-Geschäftsbereichsleiter Jürgen Kögel referierte über Fair Trade und kam nicht umhin, über das wichtigste Thema des Konzerns zu sprechen: Glaubwürdigkeit. Nachhaltigkeit bei Lidl, auch CSR genannt, hat einen eigenen Bereich, der organisatorisch im Vorstand angebunden ist, so Kögel. Lidl übernehme auch auf Grund hoher Kundennachfrage Verantwortung, erklärte Kögel weiter. Dies setzte der Discounter beispielsweise mit den 2006 ins Sortiment aufgenommenen Fair Trade Produkten der Eigenmarke Fairglobe um, die „oft auch Bio-Qualität“ hätten. 2008 testete Lidl die Einführung von fair gehandelten Textilien, die 2009 in der 36 Kalenderwoche mit sechs verschiedenen Produkten zum Verkauf angeboten werden sollen. Ferner unterstützt der Discounter in Zusammenarbeit mit der GTZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit) in Peru und Asien. Kritische Fragen nach Subventionierungen der Fair Trade Produkte und Anmerkungen über eine transparente Lieferantenkette nahm Kögel mit dem Kommentar auf „Es ist die Politik unseres Hauses, über Finanzgeschäfte und Kalkulationen nicht zu sprechen. Ich nehme diese Fragen jedoch mit nach Hause.“

Chancen für Fair Trade sieht GEPA-Geschäftsführer Thomas Speck im Einkauf, denn in einer sozialen Marktwirtschaft würde hier und nicht im Verkauf das Geld verdient. „Der Preis, den der Verbraucher nicht bezahlt, muss irgendwo anders bezahlt werden – bei den Lebensbedingungen der Bauern“, so Speck weiter. Auch er lobte das Engagement der Besucher des Thementages und motivierte: „Bleiben Sie ‚Speerspitze’, dann folgt im Kielwasser einiges nach.“ Nach eigener Aussage des GEPA-Chefs förderte das Unternehmen den vergangenen 15 Jahren die sozialen Bedingungen der Menschen auf Fair Trade Plantagen weltweit.

Für die Umsetzung bestehender internationaler Arbeitsstandards und Mindestlöhne trat Dr. Oswald Bellinger von FAIRein e.V. Frankfurt ein. „Die Spielregeln der Weltwirtschaftsordnung müssen hinterfragt werden, internationale Arbeitsstandards existieren und sollten dringend umgesetzt werden“, so das Statement von Bellinger, der sich selbst als „einfachen ehrenamtlichen Freizeitaktivisten“ beschreibt. Viele Mitwirkende in Eine Welt Läden engagieren sich ehrenamtlich im Verkauf fairer Produkte, oft über ihre Kirchengemeinde. Einerseits sind faire Waren in Eine-Welt-Läden nicht einfach nur gute Produkte von anonymer Herkunft, sondern sie geben Gemeinsinn durch die Partnerschaften weltweit engagierter Kirchen. Natürlich gibt es auch Nachteile in der Betrachtung fairer Produkte. So ist Mitleid und die Gabe von Almosen eine nicht unerhebliche Begründung für den Kauf fair gehandelten Kaffees in Kirchengemeinden, so Bellinger. Diese Einstellung müsse sich verändern. Faire Produkte sollten Normalität werden.

In vier Workshops informierten und debattierten die Gäste des Thementages am Nachmittag. Unter dem Titel ‚die Zukunft von Weltläden’ setzte sich eine Teilgruppe mit der Frage auseinander: „Was passiert, wenn faire Produkte nicht mehr nur in kleinen Märkten, sondern auch in großen Ketten an die Konsumenten gebracht werden?“ Der zweite Workshop informierte über Entwicklungen im öffentlichen und kirchlichen Beschaffungswesen. Dabei ging es um politische Rahmenbedingungen und welche entsprechenden Gesetze es für die Beschaffung gibt. Erst am Tag zuvor, am 23. April, trat in Deutschland eine EU Richtlinie von 2004 in Kraft, die öffentlichen Ausschreibungen neben der ökonomischen Kosten auch auf die Beachtung sozialer und ökologischer Angebotsaspekte ermöglicht.
Wem Zertifizierungen wirklich dienen, erfuhren und besprachen Teilnehmer dieses dritten Workshops.
Im vierten Arbeitskreis zu Unternehmensverantwortung referierte Johanna Finke von der Christlichen Initiative Romero und Vertreterin von Cora (Corporate Accountability) zunächst über bestehende Rahmenbedingungen für Unternehmensverantwortung und CSR. Ihre Thesen und Forderungen richteten sich gegen eine freiwillige Verpflichtung und für rechtliche Verpflichtungen für Unternehmen. Fragen wie „Ist CSR nur ein Mittel für Unternehmen, um sich zu positionieren?“ oder „Wo liegen die Grenzen der Unternehmensverantwortung?“ und „Wie weit geht die Verantwortung des Konsumenten und der Zivilgesellschaft?“ lieferten anregenden Diskussionsstoff, insbesondere mit Lidl-Vertreter Jürgen Kögel.

Viele christliche Initiativen wie Weltläden, der Evangelische Entwicklungsdienst oder auch Zusammenschlüsse christlicher Kirchen und staatlicher Behörden informierten parallel zur Veranstaltung über ihre Pläne und Arbeiten im In- und Ausland. Beispielsweise soll es in deutschen Kirchen bald nur noch fair gehandelten Kaffee geben und das junge Projekt „Zukunft einkaufen“ informiert innerhalb der Kirchengemeinden über verantwortliches Kaufverhalten.

Foto (von links): Jürgen Kögel und Frank Albrecht (CSR NEWS)


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