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Kleidung mit Klimastempel?

Ein Gastbeitrag von Andreas Streubig und Norbert Jungmichel.
Hamburg > Der Product Carbon Footprint zeigt die Klimarelevanz von Produkten an und kann somit Unternehmen und Verbrauchern als Hilfestellung für klimafreundliches Verhalten dienen. Die Otto Gruppe hat deshalb zusammen mit dem Beratungsunternehmen Systain den Carbon Footprint von drei Textilien untersucht. Herausgekommen sind knapp elf Kilogramm CO2 und andere Treibhausgase (CO2-Äquivalente – CO2e) für ein weißes Damenlongshirt. Das entspricht dem 50-fachen des Eigengewichts des Textilartikels.

Heißt das nun, Konsumenten mit einem CO2-Label am Produkt zu informieren? „Ein klares Nein“ sagt Andreas Streubig, Leiter Umwelt- und Gesellschaftspolitik bei der Otto Group. „Die Zahl als Zusatz neben Inhaltsstoffen und Preis ist auf den ersten Blick ein reizvoller Gedanke, um damit Bewusstsein beim Einkaufen zu schaffen“. Aber ein Beitrag zum Klimaschutz lässt sich mit einer abstrakten Zahl kaum in Gang setzen. Zumal diese eine Objektivität vorgeben würden, die eine CO2-Bilanz nicht leisten kann, so Streubig weiter. Norbert Jungmichel, der das Projekt bei Systain geleitet und mit seinem Team Daten vor Ort gesammelt hat, kann dies nur bestätigen. „Allein schon die Frage, wie man saisonal schwankende Auslastungsgrade, die in der Textilproduktion üblich sind, ansetzt, beeinflusst die Bilanz für die Produktion gravierend.“ Ganz zu schweigen von Prozessen, die zu zwei Zwischenproduktenprodukten führen wie das Trennen der Baumwollfaser vom ölhaltigen Baumwollsamen. Je nach Zurechnung unterscheidet sich die Bilanz für diese Zwischenstufe um das doppelte.

„Entscheidend sind die Informationen hinter der reinen CO2-Zahl“, so Streubig, „und davon konnten wir eine Menge sammeln“. Das regelmäßige Waschen, Trocknen und Bügeln bildet nicht nur mit 3,3 Kilogramm CO2e den größten Anteil am gesamten Footprint, sondern lässt sich auch am einfachsten verändern. „Der Konsument beeinflusst, ob die Emissionen in der Gebrauchsphase des Longshirts zwei Kilogramm unter dem Durchschnitt liegen oder aber auf knapp 12 Kilogramm anwachsen“, erklärt Streubig. Letzteres tritt ein, wenn das Longshirt zusammen mit der anderen Wäsche bei jedem Waschgang in den Trockner gesteckt wird, anstatt es an der frischen Luft zu trocknen. In die Berechnung des Carbon Footprints floss die Trocknernutzung anteilig ein, denn nicht jeder Haushalt besitzt ein solches Gerät. Wer hingegen mit 40°C statt 60°C wäscht, senkt den Carbon Footprint pro Waschgang um 45%. Optimal sind stets eine volle Beladung und energieeffiziente Geräte, die ein Drittel weniger Strom verbrauchen als die Waschmaschinen und Trockner, die im Durchschnittshaushalt zu finden sind.

Die Herstellung schlägt mit drei Kilogramm CO2e beim untersuchten Longshirt zu Buche. Auch hier legt der Carbon Footprint Emissionsquellen und erste Handlungsfelder offen. „Mit dem Fabrikmanagement sind wir durch die Produktion gegangen. So haben wir nicht nur ein besseres Bild für die Daten bekommen, sondern konnten gleichzeitig erste Potenziale für Energieeinsparungen aufzeigen, vor allem bei der Wärmenutzung und Beleuchtung“ schildert Jungmichel die Arbeit im Projekt. Der Carbon Footprint dient als erste Orientierung, wo welche Hebel zu CO2-Einsparungen angesetzt werden können. Vor einem überschnellen CO2-Performance-Vergleich in der Lieferantenbewertung jedoch warnen Streubig und Jungmichel ausdrücklich. Die Bedingungen vor Ort sind zu unterschiedlich, wirksam sei vielmehr die Einleitung eines schrittweisen Verbesserungsprozesses. Auf keinem Fall dürfe das dazu führen, dass Lieferanten von ihrem Kunden dazu verleitet werden, Energie zulasten der Arbeitsbedingungen zu sparen, indem sie einfach die Anzahl der Lampen oder Ventilatoren verringern. Streubig betont, dass Klimaschutz nur im Konzert eines nachhaltigen Managements in der Lieferkette funktioniert.

Bei der Analyse der Transporte zeigte sich die Bedeutung der Klimaschutzstrategie der Otto Gruppe, die die CO2-Emissionen in Transporten und Standorten bis 2020 halbieren will. Dies umfasst auch die Reduzierung des Luftfrachtanteils. „Obwohl das Longshirt vom Baumwollfeld in den USA über die Fertigung in Bangladesch und anschließend nach Deutschland praktisch einmal um die Welt gereist ist,“ schildert Jungmichel „machen die CO2e-Emissionen mit 300 Gramm nur einen verschwindend geringen Anteil aus.“ Der Grund: Seetransporte sind aufgrund der riesigen Frachtmengen günstig für das einzelne transportierte Produkt. Wäre das Teil jedoch mit dem Flugzeug von Asien nach Deutschland gekommen, lägen die Transportemissionen bei 4 Kilogramm CO2e.

„Der Carbon Footprint ist ein Visualisierungstool, dass uns hilft, Zusammenhänge jenseits unserer eigenen Unternehmensklimabilanz besser zu verstehen“ fasst Streubig zusammen. Statt einem Klimastempel am Preisschild setzt er auf Ganzheitlichkeit und Aktivierung des Konsumenten: „Der Kunde möchte sich darauf verlassen dass das Textil sozialverträglich und umweltfreundlich hergestellt wurde. Beim Klimaschutz entscheidet er hingegen nicht nur beim Kauf, sondern im täglichen Gebrauch, ob das Textil nachhaltig ist.“

Das Projekt war Teil eines Forschungsvorhabens des Bundesumweltministerium und des Umweltbundesamtes mit dem Öko-Instituts zur CO2-Bilanzierung von Produkten. Die Untersuchung wurde einem Critical Review durch corsus – corporate sustainabiliy unterzogen.

Kontakt:
Andreas Streubig,
Otto Group, Leiter Umwelt- und Gesellschaftspolitik,
andreas.streubig@ottogroup.com, +49 40 6461-7070
Norbert Jungmichel,
Systain Consulting, Consultant,
jungmichel@systain.com, +49 40 6461-8459

Foto: Otto GmbH & Co KG


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