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Berlin Fashion Week und der wachsende Eco Fashion-Markt: Eine grüne Messe, neue Trends und Stoffinnovationen

Ein Gastbeitrag von Jana Kern.

Berlin > Für vier Tage war Berlin nicht nur die Hauptstadt Deutschlands, sondern auch die weltweite Metropole für das Fashion-Business. Die Berlin Fashion Week (20. bis 24. Januar) lockte Tausende von Besuchern an der Spree. Der Eventkalender war voll gepackt mit Modenschauen, Trendtalks, Symposien und Partys. Auch die Eco Fashion Szene war vertreten. Am Prenzlauer Berg fand zum ersten Mal ein Eco-Catwalk statt. Und verteilt auf den Messen BREAD & BUTTER, Premium und TheKey.To haben über 100 Anbieter von Ökomode ihre Trends für die Herbst-/Wintersaison 2010/11 gezeigt, wobei TheKey.To mit über 50 Ausstellern auf Grüne Mode und nachhaltigen Lifestyle spezialisiert ist.

Eco Fashion hat ihren Platz in Berlin gefunden. TheKey.To hat dazu maßgeblich beigetragen. Die Messe in Kreuzberg fand zum zweiten Mal statt. Im Vergleich zur ersten Veranstaltung im vergangenen Sommer stieg die Zahl der Aussteller um 35%. Auch dieses Mal gab es zur Pressekonferenz ein großes Aufgebot an Politikern, Medien und Branchen-Insidern. Mittlerweile setzt sich auch der Berliner Senat für die Grünen Modemacher ein und fördert die neue Messe. „Wir stehen an einem Wendepunkt“, sagte Tanja Mühlhans von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen. „Ich muss zugeben, es hat einen Moment gedauert, bis ich verstanden habe, welches Potenzial in diesem Markt steckt. Heute frage ich mich: War ich blind? Mir ist klar geworden, dass wir unseren Fokus mehr auf Grüne Mode in Berlin richten müssen“, so Mühlhans weiter. Auch Renate Künast unterstützt das Engagement der Veranstalter Frans Prins und Gereon Pilz van der Grinten. Die Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen wünschte sich, dass es künftig einfacher wird, Grüne Mode im deutschen Einzelhandel zu kaufen. Zugleich forderte sie die Eco Fashion-Szene zu neuen Allianzen auf. Um das Thema zu stärken, müsse man sich mit anderen Branchen stärker zusammenschließen.

„Ökomode ist keine Nische. Der Markt ist im Wandel und macht riesige Fortschritte“, bekräftigte TheKey.To-Veranstalter Prins. Selbstkritisch räumte er ein, dass die Messe nach wie vor am Anfang stehe und noch Potenzial habe, sich weiter zu entwickeln. Denn war das Interesse von Medien und Politik für die Veranstaltung auch groß, so hätten sich einige Aussteller mehr Besucher gewünscht. „Wir haben sowohl auf der BREAD & BUTTER als auch auf TheKey.To ausgestellt. Die neue Location von TheKey.To in der Heeresbäckerei gefällt mir gut, aber es müsste mehr ins Marketing investiert werden, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Wir haben auf TheKey.To gute Kontakte gemacht. Doch wenn zeitgleich zur Olympiade die Bundesjugendspiele stattfinden, dann ist es völlig klar, wer das Spiel gewinnt“, sagt Aki Tuncer vom Green Fashion-Label Knowledge Cotton Apparel.

In Hinblick auf die Trends ist Ökomode von konventioneller nicht mehr zu unterscheiden. Die Optik mit neuen Farben, Drucken und Schnitten steht im Vordergrund, erst danach wird das ökologische und soziale Engagement kommuniziert. Insbesondere was Stoffinnovationen anbelangt, ist die Grüne Szene kreativ: Das norwegische Label Fin experimentiert mit Stoffen aus Milchproteinen. Room to Roam aus München beschichtet Denim mit Biobienenwachs. Designerin Jitske Lundgren von Jux aus den Niederlanden stellt Pullover aus Angora her: Das wäre weiter nichts Besonderes, wenn die Garne nicht aus Fasern produziert würden, die beim Bürsten der Angoraziegen abfallen. Für das Jeans- und Streetwearlabel Kuyichi wie für viele andere wird der Einsatz von recycelten Materialien immer wichtiger. Wolle, Baumwolle und Polyester werden wieder neu aufbereitet und zu Stoffen für Jeans, Daunenjacken, Pullovern und Shirts verarbeitet. Viel versprechend ist das Label Nanai, eine Innovation des deutschen Lachsveredlers Laschinger GmbH aus Bischofsmais. Lachshaut ist für den Räucherlachsherstellers bislang ein Abfallprodukt gewesen. Nach jahrelanger Forschung hat das Unternehmen nun ein ökologisches Verfahren entwickelt, mit dem die Lachshaut ohne den Einsatz von Chrom und mit vegetabiler Färbung zu Leder verarbeitet wird. Erste Kunden sind Royal Blush, Mongrels in Common, Arrondissement AQ1, Michalsky, MCM by Michalsky und BMW.

War die Stimmung auf den Berliner Messen auch gut, so gaben die Negativ-Schlagzeilen in den Medien dem Ganzen einen schlechten Beigeschmack. Große Mengen zertifizierter Biobaumwolle aus Indien sollen laut einem Bericht der Financial Times Deutschland durch gentechnisch manipuliertes Saatgut verunreinigt worden sein. Auch wenn der Skandal bei den Gesprächen auf der Messe nicht wirklich ein Thema war, so wurde immerhin am Rande darüber diskutiert. „GMO ist ein No-Go für Organic Cotton, das steht völlig außer Frage“, sagt Ulrich van Gemmeren von der niederländischen Organisation Made-By. Für ihn wie für viele andere Insider aus der Ökomode-Szene ist der Vorfall nicht überraschend. „Die Geschichte ist ja nicht neu“, sagt van Gemmeren. „Mich wundert es, dass sie ausgerechnet jetzt zur Fashion Week wieder aufkommt.“ Wer die Mechanismen des Marktes kenne, wisse, dass eine Zertifizierung immer nur eine Momentaufnahme sei. „Der aktuelle Vorfall zeigt einmal mehr, dass das System noch Lücken hat. Jetzt kann man eigentlich nur Eins machen: Versuchen vorzubeugen und Wege zu finden, mit denen die Lücken geschlossen werden können, zum Beispiel mit lokalen Partnerschaften.“
Kaum ein Anbieter hat die Möglichkeit, jeden Schritt in der textilen Produktionskette zu kontrollieren und verlässt sich deshalb auf die Arbeit von Zertifizierungsunternehmen. „Unser Business basiert auf Mensch-zu-Mensch-Beziehungen. Es lebt von Vertrauen“, sagt Linda Mohrmann, die sich mit der Agentur L’Anima Agents auf den Vertrieb von Eco Fashion-Labels spezialisiert hat. Gerade was die Zertifizierungen anbelange, befinde man sich in einem Prozess, der sich ständig weiterentwickle. „Nachhaltigkeit ist eine langfristige Bewegung. Es ist deshalb aber auch immer an irgendeiner Stelle ein Kompromiss. Doch wenn wir etwas verändern wollen, dann können wir uns nicht in die Ecke setzen und warten, sondern wir müssen den Anfang machen und helfen, ein Bewusstsein zu schaffen.“ „Es hätte jeden von uns treffen können“, weiß Junia Keutel. Sie ist froh, dass die Biobaumwolle für ihr Label Speak Up! nicht aus Indien, sondern aus der Türkei stammt. Für sie ist der aktuelle Vorfall eine logische Konsequenz aus dem rasanten Wachstum des Biobaumwollmarktes.

Zum Hintergrund: Über 50 Millionen Farmer in über 100 Ländern sind in den Baumwollanbau involviert. Für die Herstellung eines T-Shirts aus konventioneller Baumwolle kommen dabei etwa 150 Gramm Pestizide zum Einsatz. Etwa 1500 Modemarken und Einzelhändler verwehren sich dagegen und haben im Jahr 2009 Biobaumwolle in ihren Produkten eingesetzt. Die größten Abnehmer von Biobaumwolle sind der Einzelhandelsriese Wal-mart sowie C&A, Nike, H&M und Zara. Das Marktvolumen mit Produkten aus Biobaumwolle ist von 245.000 US-Dollar im Jahr 2001 auf 3,2 Millionen US-Dollar im Jahr 2008 gestiegen. Für 2009 liegen die Schätzungen bei rund 4 Million Dollar. In diesem Jahr sollen die 5 Millionen geknackt werden. Das geht aus dem Biobaumwoll-Bericht von Organic Exchange aus dem vergangenen Jahr hervor. Durch gentechnisch manipuliertes Saatgut kann die Ernte von Baumwolle insbesondere im ersten Jahr stark gesteigert werden, zugleich sind die Pflanzen resistenter gegen Parasiten.

„Wir sind von dem aktuellen Skandal zwar nicht betroffen, aber dennoch ist es ärgerlich. Denn auch unsere Kunden werden Fragen, was da los ist“, sagt Akela Stoklas von Room to Roam. Sie sieht aber auch einen positiven Aspekt: die Konsumenten würden durch die aktuelle Diskussion dazu angestoßen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Eine ähnliche Meinung hat auch Jitske Lungren von Jux: „Das ganze System ist wahnsinnig kompliziert und es ist ein wahrer Kraftakt, eine Öko-Kollektion auf die Beine zu stellen. Deshalb finde ich es schade, wenn jetzt alles schlecht geredet wird. Umgekehrt kommt Biobaumwolle dadurch in die Medien und jede Diskussion über das Thema in der Öffentlichkeit finde ich gut.“

Zur Autorin:
Jana Kern war über sechs Jahre lang Wirtschaftsredakteurin bei der Fachzeitschrift TextilWirtschaft in Frankfurt. Ihr Fachgebiet war der Modeeinzelhandel. Daneben hat sie sich in den letzten vier Jahren als CSR-Expertin etabliert. Neben der Veröffentlichung von Fachartikeln organisierte und moderierte sie Kongresse und Diskussionsrunden rund um das Thema Grüne Mode. Im Herbst vergangenen Jahres hat sie sich mit dem Unternehmen Kern Kommunikation mit Sitz in Frankfurt als freie Redakteurin und CSR-Beraterin selbstständig gemacht.
Email: kern@kernkommunikation.de

Foto: MADE-BY demonstrierte auf den Messen der Berlin Fashion Week auf spielerische Weise das Gleichgewicht von sozialer Verantwortung, Ökologie und Ökonomie. (MADE BY)


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