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CSR: Unternehmen und NGOs ringen um gesellschaftliche Legitimität

Ein Gastbeitrag von Dr. Janina Curbach, Neutraubling.

Wer definiert eigentlich Unternehmensverantwortung und legt fest, was legitim und angemessen ist? Vor dem Hintergrund von Globalisierungsprozessen ist es zur gesellschaftlichen Neuverhandlung einer postnationalen Rolle und Legitimationsgrundlage von Unternehmen gekommen – und bei dieser Neuverhandlung spielen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) eine entscheidende Rolle: Im Rückgriff auf globale Menschenrechts-, Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsideen artikulieren NGOs in den letzten Dekaden immer wieder ihre hohen moralischen Erwartungen an gutes und angemessenes Unternehmenshandeln, vor allem wenn es um Normverletzungen und Sozial- und Umweltstandards in unterregulierten Ländern geht. Medial inszenierte Skandale und Boykottaufrufe sind hier nur die Spitze des Eisbergs. NGOs können ihre Forderungen so erfolgreich auf die öffentliche und politische Agenda setzen, weil die breite Bevölkerung großes Vertrauen in ihre moralische Integrität und ihr altruistisches Anliegen hat. Im Gegensatz zu Unternehmen sind sie die Sympathieträger der Öffentlichkeiten, und das wiederum verleiht ihnen ein hohes Maß an gesellschaftlicher Legitimation und Definitionsmacht. Weil die Kritik von NGOs schon ganze Branchen in Verruf gebracht hat, wie z.B. die Textilbranche und ihre fragwürdigen Arbeitsstandards in Zulieferketten, sind kritische NGOs für Unternehmen heute zu einem handfesten Reputationsrisiko geworden. Nicht zuletzt um diesen Risikofaktor einer „De-Legitimierung durch NGOs“ besser in den Griff zu bekommen, engagieren sich heute immer mehr Unternehmen gesellschaftlich und arbeiten dabei auch mit moderaten NGOs im CSR-Bereich zusammen.

Seit den frühen Neunziger Jahren hat sich aus diesem gesellschaftlichen Konflikt um die globale Rolle von Unternehmen eine transnationale soziale Bewegung herausgebildet, die unter dem Label „CSR“ das globale Leitbild sozio-ökologischer Nachhaltigkeit zum Ziel unternehmerischen Handelns deklariert. Hauptunterstützer dieser CSR-Bewegung sind traditionelle und neu gegründete Unternehmensverbände, Unternehmen selbst, zahlreiche Forschungs- und Beratungsinstitute, aber auch Stiftungen, moderate NGOs und nationale und internationale Regierungsorgane, wie z.B. die EU-Kommission oder die UN. Zu den Erfolgen der CSR-Bewegung zählen unter anderem: die Verbreitung zahlreicher internationaler CSR-Managementstandards, Codes of Conduct und Leitlinien im Umwelt- und Sozialbereich; eine rasante weltweite Institutionalisierung der Nachhaltigkeits-Berichterstattung in Unternehmen; die Ausbildung eines globalen kommerziellen Marktes an CSR-Produkten und Dienstleistungen – und nicht zuletzt auch die Verbreitung eines markt- und managementkompatiblen Rechtfertigungsdiskurses für das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen, nach dem sich Verantwortung und Stakeholder-Orientierung für Unternehmen positiv auf ihre Marktposition und ihre finanzielle Performanz auswirkt („Business Case“ von CSR). Die CSR-Bewegung zielt damit nicht nur auf eine gesellschaftliche Re-Legitimierung von Unternehmen durch transnationale, freiwillige und marktnahe Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung, sondern auch auf eine aktive gesellschaftliche Neudefinition von Unternehmensverantwortung im globalen Kontext.

Die aktuelle gesellschaftliche Dynamik um CSR ist demnach nicht allein das Ergebnis von managementstrategische Einzelentscheidungen („Wir haben erkannt: CSR zahlt sich langfristig aus“), noch erklärt sich der CSR-Boom der letzten Dekade durch makrostrukturelle Prozesse der Institutionalisierung („Wir sahen uns gezwungen, den neuen Erwartungen an mehr Verantwortung gerecht zu werden“). Der gesellschaftliche Wirbel um CSR und Nachhaltigkeit wird vielmehr von einer konfliktreichen Dynamik zwischen Bewegungen und Gegenbewegungen vorangetrieben, in denen zahlreiche Akteure – vor allem NGOs und Unternehmen selbst – um die Neudefinition einer globalen Legitimationsgrundlage für Unternehmen ringen. Dieser Prozess der gesellschaftlichen Aushandlung entscheidet maßgeblich darüber, wer Unternehmensverantwortung definiert und wie diese Definition im Zeitalter der Globalisierung aussehen kann.

Neu veröffentlicht zum Thema:
Curbach, Janina (2009): Die Corporate-Social-Responsibility-Bewegung, Reihe: Wirtschaft und Gesellschaft, Wiesbaden: VS Verlag.


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