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Der kenianische Landarbeiter kümmert europäische Verbraucher „nicht die Bohne“

Nairobi > Für die bürgerliche Mittelschicht in der aufstrebenden kenianischen Metropole Nairobi ist Corporate Social Responsibility ein Begriff und ziemlich gleichbedeutend mit Philanthropie. Wohltaten dienen gerade den privatkundenorientierten Unternehmen als Differenzierungsmerkmal und sie leisten ohne Zweifel einiges, was der Staat seinen Bürgern zu wenig bietet – von der Straßenbeleuchtung bis zu begehrten Stipendien. Wo allerdings auf dem Land neues wirtschaftliches Wachstum entsteht, definiert sich gesellschaftliche Unternehmensverantwortung entlang der Bedürfnisse europäischer Kunden und nicht der kenianischen Arbeiter: Etwa in der im Westen des Landes gelegenen Region Eldoret.

Das in einer landwirtschaftlich ertragreichen Region gelegene Eldoret bietet durch seinen Flughafen reichhaltige Exportchancen. Gefragt sind etwa feine Bohnen. Der Bedarf an diesem Exportprodukt übertrifft die landwirtschaftliche Produktion deutlich. Unternehmen aus Eldoret suchen daher in einem Umkreis von über 100 Kilometern nach Farmen, die sie für den Bohnenanbau gewinnen können. Dabei erhalten auch kleinere Farmer eine Chance, die sich zu Produktionsgemeinschaften zusammenschließen sollen. Darin liegen vielseitige Entwicklungsmöglichkeiten für die Region, denn durch die Produktion für Exportmärkte wird der Qualitätsstandard landwirtschaftlicher Betriebe gesteigert. Allerdings geschiegt dies anhand europäischer Standards wie dem EUREPGAP ®, und der blendet wichtige Aspekte aus.

Oberstes Thema für die landwirtschaftlichen Exporteure ist die Rückverfolgbarkeit der Produkte bis zum Saatkorn. Kenianische Farmer werden in die Bedeutung einer lückenlosen Dokumentation eingeführt, insbesondere etwa bei der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln. Hygienestandards besitzen eine hohe Stellung und schützen Produkte und Arbeiter. Standards wie der EUREPGAP ® sind für den europäischen Abnehmer wichtig, weil sie die Qualität der Nahrungsmittel sichern. Sie sind aber sehr dünn ausgelegt, wenn es um die Belange der kenianischen Arbeiter und kleinen Farmer geht. Eine solche gesellschaftliche Verantwortung für die Supply Chain findet sich hier nicht, und sie wird in Deutschland auch von den auf Nahrungsmittelqualität fokussierenden Umweltschutzorganisationen nicht eingefordert. Dabei wird eine Chance vertan.

Im EUREPGAP ® findet sich unter dem Thema „soziale Belange“ einzig der Arbeitsschutz. CSR-Themen wie Arbeitszeit oder Arbeitslohn fehlen, ebenso das für den ländlichen Raum so wichtige Thema der Qualifizierung. Das schlägt sich auch bei der Akquise der Farmer in den Regionen Westkenia und Rift Valley nieder: Anforderungen an die Produktqualität werden den kenianische Landwirten deutlich vermittelt, Perspektiven für die regionale Entwicklung bleiben auf der Strecke. Völlig blutleer wirkt die kurze Erwähnung des Themas „Umweltschutz“. Dabei liegen gerade hier mit den Themen „Wasserverwendung“ und „Abholzung“ große Herausforderungen für die kenianische Landwirtschaft.

Kümmern die Entwicklungschancen für Menschen in Kenia den europäischen Verbraucher „nicht die Bohne“? Es scheint, dass wir weit mehr um die Qualität unserer Lebensmittel besorgt sind als um die Zukunft ihrer Erzeuger. Denn während ihre Produkte die Welt erobern, bleibt deren Leben unsicher, oft noch vom Hunger bedroht, und ihre Kinder gehen in Sachen „Zukunftsperspektiven“ leer aus.


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