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Mitarbeiter & Nachhaltigkeit – Handeln braucht Wissen

Interview mit der Geschäftsführerin von STEINBACH STRATEGIEN Anke Steinbach

Hamburg > Anke Steinbach gründete 2004 die Nachhaltigkeitsberatung STEINBACH STRATEGIEN. Während der letzten Jahre hat sie in vielen großen Unternehmen die Entwicklung von Nachhaltigkeit begleitet und sich praktische Erfahrungen im Bereich der Vermittlung von Nachhaltigkeitsthemen in Unternehmen angeeignet. Zu diesem Thema sprach CSR NEWS mit ihr.

CSR NEWS: Ist Nachhaltigkeit in Wirklichkeit ein Kommunikationsthema?

Anke Steinbach: Nachhaltigkeit ist ein Managementthema, bei dem Kommunikation eine wesentliche Rolle spielt. Das Unternehmen führt einen Dialog mit externen Anspruchsgruppen. Dabei hat Kommunikation nach innen eine strukturierende Funktion, indem durch Berichte Nachhaltigkeitsthemen aufgearbeitet und systematisiert werden. Nachhaltigkeit ist jedoch kein reines Kommunikationsthema, obwohl Kommunikation momentan eine große Rolle spielt.

CSR NEWS: Was ist wichtiger: die interne oder externe Kommunikation von Nachhaltigkeit?

Anke Steinbach: Beide sind wichtig, jedoch in unterschiedlicher Weise. Dennoch beobachte ich, dass die externe Kommunikation momentan relevanter und verbreiteter ist. Man kann sagen, dass die externe Kommunikation ein Treiber für Nachhaltigkeitsthemen ist, weil Unternehmen damit auch auf Druck aus der Gesellschaft reagieren. Kommunikation findet eher sequenziell statt. Die externe Kommunikation, also die Darstellung nach außen, wird erst einmal als wichtiger erachtet. Die interne Kommunikation ist häufig nachgelagert, da Unternehmen diesbezüglich (noch) keinen Handlungsdruck spüren.

CSR NEWS: Was kann interne Kommunikation, was Externe nicht kann?

Anke Steinbach: Interne und externe Kommunikation haben unterschiedliche Zielgruppen und damit auch unterschiedliche Ziele. Intern geht es darum, Mitarbeiter darüber zu informieren, was das Unternehmen warum macht, und auf diese Weise Mitarbeiter zu befähigen, sich mit Nachhaltigkeit auseinander zu setzen. Sie sind es letztlich, die Nachhaltigkeitsthemen im Unternehmen implementieren, und sie sind Botschafter nach außen – etwa im Freundes- und Familienkreis. Gerade wenn Unternehmen für Nachhaltigkeit in der öffentlichen Kritik stehen, müssen auch die Mitarbeiter Antworten an die Hand bekommen.

CSR NEWS: Wird die Kommunikation von Nachhaltigkeit überflüssig, wenn sie richtig umgesetzt ist?

Anke Steinbach: Das würde ich nicht sagen. Viele Themen werden durch ihre Kommunikation selbstverständlicher. Themen der Arbeitssicherheit, im Umweltschutz oder in der Produktqualität sind mit der Zeit so selbstverständlich geworden, dass man heute gar nicht mehr groß darüber redet. Sie sind reguläre Geschäftspraxis geworden. Wenn die Kommunikation einiger Themen überflüssig wird, kommen neue Themen hinzu, die erst noch gelernt werden müssen. Damit bleibt Nachhaltigkeitskommunikation ein dynamisches Feld.

CSR NEWS: An welchen Stellen entstehen in Unternehmen „Nadelöhre“, an denen die interne Vermittlung von Nachhaltigkeitsthemen zum Stehen kommt?

Anke Steinbach: Das ist eine spannende Frage. Ein Nadelöhr können meiner Erfahrung nach vor allem einzelne Personen, Abteilungen oder die Strukturen selbst darstellen. Wenn Nachhaltigkeitsabteilungen beispielsweise als Verwaltungsapparate interpretiert werden, ist ihr Spielraum für die Weiterentwicklung und Ausgestaltung von Nachhaltigkeitsthemen nur sehr gering. Wenn Handlungsbedarf von Nachhaltigkeitsmanagern gesehen wird, können diese von einflussreichen Gruppen wie Geschäftsführung oder Abteilungen – im Konsumgüterbereich z. B. bisweilen die Marketingabteilungen – blockiert werden. Ein wichtiges Nadelöhr stellen unklare Strukturen dar, also wenn die Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten für Nachhaltigkeit im Unternehmen unklar sind. Aber auch bestimmte Geschäftssituationen können die Vermittlung von Nachhaltigkeitsthemen behindern, wenn beispielsweise das Marktumfeld schwierig ist, die Firma um das Überleben kämpft oder die Ressourcen in anderen Großprojekten gebunden sind.

CSR NEWS: Sind Krisensituationen denn nicht auch eine Chance für Nachhaltigkeitsthemen?

Anke Steinbach: Theoretisch ja. In der Praxis greift aber in diesen Momenten der typische Reflex, sich zuerst um die Krisenthemen zu kümmern und kurzfristig zu agieren. Wenn die Umsätze massiv weg brechen, werden solchen Herausforderungen – nicht zuletzt aus der Perspektive der ökonomischen Nachhaltigkeit – Priorität eingeräumt. Nachhaltigkeitsthemen haben inhärent häufig eine Langfristperspektive und benötigen oft ein hohes Maß an Veränderungsbereitschaft.

CSR NEWS: Bei welchen Themen haben Sie manchmal das Gefühl, dass Sie sich „den Mund fusselig reden“? Funktioniert die Argumentation über die Ersparnis von Kosten am besten?

Anke Steinbach: Das kommt darauf an, was der „mind-set“ einzelner Personen oder Firmen ist. Herausfordernd wird es häufig rund um Innovation, Marketing, strategische Ausrichtungen und neue Märkte. Das sind oft Themen, bei denen Unternehmen den Mut haben müssen, einen Schritt nach vorne zu gehen, ohne genau zu wissen, was die Folgen sind. Zudem sind es weitreichende, übergeordnete Querschnittsthemen, für deren Weiterentwicklung ein einzelner Nachhaltigkeitsmanager oder selbst ein Category Manager einfach keinen Auftrag hat. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben auch gezeigt, dass langfristige, strategische Auseinandersetzungen mit Nachhaltigkeitsthemen von Unternehmen noch sehr zögerlich begegnet wird und im Gegensatz zum „regulären Strategieprozess“ noch nicht richtig gelernt sind.

CSR NEWS: Die Anzahl der Unternehmensberatungen, die Leistungen im Nachhaltigkeitsbereich anbieten, wächst. Können Unternehmensberater Nachhaltigkeit in die Unternehmenskultur hinein „trainieren“?

Anke Steinbach: Ich würde sagen, ja und nein. Ja, weil es oft darum geht, bestimmte Aspekte zu vermitteln und Mitarbeiter zu befähigen, sich mit diesen Themen auseinander zu setzen. Nein, weil Nachhaltigkeitsthemen aus dem Unternehmen heraus entwickelt werden müssen und nicht von außen aufgesattelt werden können. Unternehmensberater können Mitarbeiter befähigen sowie Anregungen und Impulse geben. Beim „hineintrainieren“ gibt es einfach Grenzen.

CSR NEWS: Nachhaltigkeitsberichte sind in erster Linie Kommunikationsinstrumente an externe Stakeholder. Welche Wirkung kann ein solcher Bericht auch intern erlangen?

Anke Steinbach: Nachhaltigkeitsberichte werden bislang vor allem von der Fach-Community sehr stark wahrgenommen. Sie sind inzwischen ein sehr guter Spiegel des Unternehmens in der Gesellschaft. Weil Mitarbeiter nicht nur Teil des Unternehmens, sondern auch Teil der Gesellschaft sind, müssen sie wissen, was in ihrem Unternehmen passiert und beispielsweise in Gesprächen mit Freunden Stellung nehmen können. Interne Nachhaltigkeitskommunikation ist auch ein Stück Befähigung, bei dem Mitarbeiter lernen, was Nachhaltigkeit mit ihnen und ihrem Bereich zu tun hat. Berichte sind eine exzellente Basis um Mitarbeitern klar zu machen, was Nachhaltigkeit für das Unternehmen bedeutet, warum das Unternehmen was macht und um daraus abzuleiten, was das für einzelne Bereiche und Personen bedeutet.

CSR NEWS: Nachhaltigkeitsberichte umfassen nicht selten 100 Seiten. Kann man verlangen, dass Mitarbeiter diesen – eventuell gar in ihrer Freizeit – lesen?

Anke Steinbach: Ich würde definitiv nicht davon ausgehen, dass jeder Mitarbeiter diesen Bericht lesen muss. Das ist ja nur eine Form der Kommunikation. Eine andere sind Team- oder Projektgespräche, in die Aspekte aus dem Nachhaltigkeitsbericht integriert werden, die für den entsprechenden Bereich relevant sind, die Kommunikation einzelner Teile über das Intranet oder Online-Trainings zu Nachhaltigkeit, wie sie zum Beispiel im Compliance-Bereich üblich sind. Vielleicht vermittelt man hier sogar zuerst, warum es überhaupt einen Nachhaltigkeitsbericht gibt und welche Bedeutung er für das Unternehmen hat. Selbst wenn man Mitarbeiter verpflichten würde, den Bericht zu lesen, garantiert das ja noch nicht, dass sie auch wissen, was er für sie bedeutet.

CSR NEWS: Können Kooperationen mit externen Stakeholdern, wie zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen, die interne Verankerung von Nachhaltigkeitsthemen unterstützen?

Anke Steinbach: Das würde ich sehr differenziert sehen. Einerseits gibt es Bereiche, in denen Nichtregierungsorganisationen eher „Watchdogs“, also kritische Unternehmensbeobachter, sind und auf kritische Themen hinweisen. Sie stellen keine klassischen Kooperationspartner dar. Diese Organisationen sind aber ein wesentlicher Treiber, um Nachhaltigkeitsthemen intern überhaupt auf die Agenda zu bringen und weiter zu entwickeln – aber eben nicht auf der kooperativen Ebene. Kooperationen im Sinne von Lösungspartnerschaften geschehen, wenn sich etwa ein Unternehmen mit Nichtregierungsorganisationen zusammen setzt, um zum Beispiel Produkte zu verbessern, Arbeitsstandards zu entwickeln oder ein Bildungsprojekt umzusetzen. Solche Kooperationen können wichtig sein, um Nachhaltigkeitsthemen insgesamt voran zu treiben. Durch den Dialog mit anderen Organisationen wird Fachwissen und Know-how von außen in das Unternehmen geholt. Die interne Verankerung von Nachhaltigkeitsaspekten kann damit immer nur für einzelne Themen gelten.

CSR NEWS: Welche Fähigkeiten braucht jemand, der die unternehmensinterne Vermittlung von Nachhaltigkeit vorantreiben will?

Anke Steinbach: Die Person muss überzeugt davon sein, dass Nachhaltigkeit wichtig ist (sie sollte natürlich auch die spezifischen Geschäftsbezüge von Nachhaltigkeit verstanden haben) und warum eine interne Vermittlung wichtig ist. Zudem braucht sie nicht nur das notwendige Fachwissen, sondern auch dezidierte Kenntnisse über das Geschäft. Diese Person muss gut kommunizieren, überzeugen und begeistern können. Außerdem muss sie hartnäckig sein und bestimmte Themen immer wieder auf die Agenda bringen.

CSR NEWS: Ist die unternehmensinterne Kommunikation von Nachhaltigkeit in Jahr 2030 noch ein Thema, über das es sich ein Interview zu führen lohnt?

Anke Steinbach: Ich denke und hoffe, dass bis dahin interne Kommunikation an Selbstverständlichkeit gewinnt. Nachhaltigkeitsaspekte werden immer mehr in Routinen übergehen und die Notwendigkeit verlieren, kommuniziert werden zu müssen. Man würde das Interview dann vielleicht darüber führen, welche Ansätze gut funktionieren und wo die Grenzen sind. Es wird aber weiterhin ganz unterschiedliche Formen der unternehmensinternen Kommunikation geben: Trainings zu Nachhaltigkeitsthemen, Auseinandersetzungen mit Nachhaltigkeitsberichten und Diskussionen, die bis auf die Bereichsebene runter gebrochen werden. Es wird auch klarer werden, was die Businessthemen von Nachhaltigkeit sind.

CSR NEWS: Herzlichen Dank!


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