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Meeres-Strom für Deutschlands Süden

Von Sebastian Bronst

Hamburg > Bettina Morlok erinnert sich noch gut an die ersten Reaktionen als sie vorschlug, in der Nordsee ein Windpark-Projekt für Stadtwerke zu schaffen. “Wenig begeistert” seien selbst die eigenen Kollegen anfänglich gewesen, berichtet die Geschäftsführerin der SüdWestStrom Windpark GmbH im baden-württembergischen Tübingen. Warum sollten sich gerade kommunale Versorger aus Süddeutschland an einem Projekt an der mehrere hundert Kilometer entfernten Küste beteiligen? Noch dazu bei schwer abschätzbaren technischen Risiken? Heute wollen viele kommunale Versorger ihren Strom von den Windrädern auf hoher See beziehen – viele von ihnen weit von der Küste entfernt.

So stößt auch Bettina Morlok heute kaum noch auf Skepsis. Ihr Offshore-Windparkprojekt Bard Offshore 1 steht kurz vor der Inbetriebnahme, 70 Stadtwerke sind inzwischen dabei, die den Strom aus dem Windpark abnehmen. Der Windstromproduktion auf dem Meer wird von Experten eine große Zukunft bescheinigt – auch in Deutschland. Im Energiekonzpt der Bundesregierung kommt der Offshore-Windenergie eine Schlüsselstellung zu. Sie soll einen großen Teil des angestrebten Zuwachses bei der regenerativen Energieerzeugung liefern. Dutzende Projekte sind genehmigt oder befinden sich in der Planung.

In der Öffentlichkeit bislang vergleichsweise wenig wahrgenommen wird indes, dass dabei neben den großen Energiekonzernen wie Eon, RWE oder Vattenfall auch etliche Stadtwerke an vorderster Front mitmischen. Der von Morloks Unternehmen betriebene Windpark Bard Offshore 1, an dem kommunale Versorger auch aus dem küstenfernen Bundesländern insgesamt 70 Prozent halten, soll in wenigen Tagen teilweise ans Netz gehen und wird dann der erste wirklich kommerziell genutzte funktionsbereite Offshore-Windpark in deutschen Gewässern sein. Zwar arbeitet der von Eon, Vattenfall und RWE errichtete Windpark Alpha Ventus 1 bereits seit April. Er aber dient offiziell lediglich als Testprojekt für Forschungszwecke.

“Stadtwerke sind immer schon stark auf erneuerbare Energien ausgerichtet gewesen”, begründet Morlok das wachsende Interesse der kommunalen Versorger. In der Tat wagen sich auch weitere Stadtwerke allmählich vor, teils kommen sie aus Regionen weit entfernt von Nord- und Ostsee.

Die Stadtwerke München etwa planen gemeinsam mit Vattenfall einen Offshore-Windpark etwa 70 Kilometer westlich von Sylt mit 80 Windturbinen. Sie beteiligen sich auch in andere Parks vor Großbritannien etwa, sodass sie am Ende rund 800.000 Kunden mit CO2-neutral produziertem Strom vom Meer beliefern können. Der Stadtwerke-Verbund Trianel, zu dessen europaweit etwa 80 kommunalen Trägern unter anderem die Stadtwerke Ulm, Sindelfingen, Lindau oder Dachau gehören, will einen Windpark vor der Insel Borkum verwirklichen.

Auch die Deutsche Energie-Agentur (dena), die für die Regierung den Offshore-Ausbau koordiniert, begrüßt die Entwicklung. Investitionen in Offshore-Windparks seien aus Stadtwerke-Sicht generell für “reizvoll”, sagt dena-Chef Stephan Kohler. Wegen der enormen Kosten bei der Installation großer Windparks auf hoher See und dem Aufbau der Versorgungsinfrastruktur samt Spezialschiffen und Hafenanlagen sieht er den Schwerpunkt der weiteren Entwicklung zwar bei großen, finanzstarken Unternehmen.

Schließlich hielten sich Banken bei der Kreditgewährung für den Bau von Offshore-Anlagen derzeit noch zurück. Die Beteiligung von Stadtwerkeverbünden am Aufbau eines Netzes aus Offshore-Windparks vor den Küsten aber “wird wahrscheinlich gängige Praxis werden”, sagt Kohler.


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