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Corporate Social Responsibility einer Holding: Das Interview mit Haniel-Vorstand Stefan Meister

Duisburg > Unter dem Titel Unternehmen im Wandel trifft Stadtteil im Wandel berichteten wir am 26. Oktober über die Unternehmensgruppe Haniel. Was bedeutet CSR für eine Holding? Welche Herausforderungen und Chancen stellen sich bei der Erarbeitung einer entsprechenden Konzeption? CSR NEWS fragte dazu den Wirtschaftswissenschaftler Stefan Meister, der dem Haniel-Vorstand seit dem 1. Januar 2010 angehört und der dort die Bereiche Finanzen und Corporate IT sowie zentrale Projekte wie etwa Nachhaltigkeit/CR verantwortet.

CSR NEWS: Haniel ist eine Unternehmensgruppe, die sehr unterschiedliche Beteiligungen hält. In welchen Geschäftsbereichen stellen sich Ihnen bei der Corporate Responsibility die größten Herausforderungen?

Stefan Meister: „Größe“ ist in diesem Fall für uns keine Kategorie. Die Geschäftsmodelle und damit die operativen Ansatzpunkte für Corporate Responsibility sind äußerst vielschichtig und durch die Bank ambitioniert. In der Haniel-Holding ist es nicht unser Ziel, auf die Umsetzung von CR in unseren Geschäftsbereichen direkt einzuwirken – das widerspräche auch unserer dezentralen Führungsstruktur.
Unser Ansatz war und ist die Gestaltung einer übergreifenden CR-Strategie, die den Geschäftsbereichen einen Orientierungsrahmen bietet, an denen sie ihre CR-Aktivitäten ausrichten können und sollen. Dabei verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz: Unternehmerische Verantwortung übernehmen wir zuallererst entlang er Wertschöpfungskette, also unmittelbar im Geschäft. Dies ist natürlich aufgrund der verschiedenen Geschäftsmodelle je Geschäftsbereich unterschiedlich. Bei der CWS-boco ist dies beispielsweise die energieschonende Mehrfachverwendung des Brauchwassers, bei der ELG quasi das Geschäftsmodell „Edelstahlrecycling“ als solches, bei dem im Gegensatz zur Herstellung von Edelstahl aus Erzen enorme Mengen an Energie eingespart werden.
Das zweite Kernelement ist CR außerhalb der Wertschöpfungskette – womit überwiegend gesellschaftliches und soziales Engagement gemeint sind. Beispielsweise die Förderung der Bildung durch unsere Holding, der Franz Haniel & Cie. GmbH oder das Engagement für und mit den Ärzten für die Dritte Welt bei der Celesio AG.
Insgesamt ist es unser Anspruch, die Bedürfnisse von Menschen, Umwelt und Unternehmen in Einklang zu bringen: People, Planet, Profit. Unsere Ziele in diesen drei Dimensionen dürfen sich nicht widersprechen, sondern müssen sich ergänzen und gegenseitigen Nutzen bringen. Also kein „ENTWEDER – ODER“, sondern ein „UND“-Ansatz der Bedürfnisse.

Wie können so unterschiedliche Unternehmen in Sachen CR voneinander profitieren?

Hier wiederum ist „Größe“ ganz klar ein Kriterium! Es gibt Themenfelder – etwa Logistik und Energie – die für alle Geschäftsbereiche relevant sind. Sich dazu auszutauschen und Prozesse gemeinsam zu entwickeln, birgt einen großen Vorteil. Nicht zuletzt, weil nicht jedes Unternehmen „das Rad neu erfinden“ muss, sondern von Unternehmen aus der Gruppe profitieren kann, die schon weiter sind. Das erhöht die Schlagkraft der Haniel-Gruppe insgesamt und natürlich auch die Schnelligkeit bei der Umsetzung. Um das zu forcieren, werden wir in Kürze einen Nachhaltigkeitsrat gründen. Darin sollen alle Geschäftsbereiche sowie externe Experten vertreten sein. Ich werde das Gremium als zuständiges Vorstandsmitglied persönlich leiten. Ziel ist es, sich über Themen auszutauchen, Best Practise in der Gruppe zu identifizieren und, wo es sinnvoll ist, gemeinsame Projekte zu initiieren.

Haniel ist ein Unternehmen, das extreme Wandlungen durchlaufen hat. Wie hängen Wandel und gesellschaftliche Unternehmensverantwortung zusammen?

Das eine geht nicht ohne das andere. Haniel hat sich in den vergangenen 254 Jahren ständig neu erfunden: Aus dem kleinen Duisburger Kolonialwarenhandel ist erst ein Industrieunternehmen gewachsen und heute sind wir eine internationale Unternehmensgruppe. Um das zu schaffen, braucht es ein Höchstmaß an Gestaltungswillen und Veränderungsbereitschaft. Ebenso wichtig sind aber unumstößliche Prinzipien und ein fest verankertes Wertesystem. Gibt es beides nicht, läuft man Gefahr, bei all der Dynamik ins Schleudern zu geraten. Bei Haniel berufen wir uns seit der Unternehmensgründung auf das Prinzip des „Ehrbaren Kaufmanns“. Dieses folgt der festen Überzeugung: Eigentum verpflichtet und soll den Menschen dienen! Franz Haniel, der unserem Unternehmen den Namen gegeben hat, verkörperte diese Tugenden wie kaum ein anderer.
Darüber hinaus gilt es aber auch, gesellschaftliche Verantwortung dem Wandel der Zeit anzupassen und neue Wege der Verantwortung zu beschreiten. Wir wollen auf die Herausforderungen von morgen vorbereitet sein oder im besten Fall sogar schon Lösungen haben.
In den ersten Jahrzehnten der Industrialisierung gab es kein soziales Netz. Hier hat Franz Haniel früh erkannt, dass – eigentlich ganz im Sinne von Gutenbergs Produktionsfaktoren – zur Werterhaltung und Wertentwicklung des Unternehmens seine Mitarbeiter das wichtigste „Element“ sind. Daher war es für Haniel selbstverständlich, ihnen neben dem Lohn mit der Gründung der ersten Betriebskrankenkasse Deutschlands ein soziales Netz zu bieten, das sie und ihre Familien bei Krankheit, Unfall oder Schlimmerem auffing. Auch eine der ersten Arbeitersiedlungen des Ruhrgebiets wurde von ihm gebaut. Später übernahm mehr und mehr der Staat die Aufgabe des sozialen Netzwerkes oder des sozialen Wohnungsbaus und das unternehmerische Engagement öffnete sich für neue Bereiche wie Kunst und Kultur. Heute sehen wir eine große Herausforderung in der Bildung, von der frühkindlichen Entwicklung, über die Förderung benachteiligter Jugendlichen bis hin zur Förderung Hochbegabter oder dem Austausch von Bildung und Wissenschaft über nationale Grenzen hinweg.

Sie engagieren sich besonders für Duisburg und für das Ruhrgebiet. Welche Bezüge sehen Sie in diesem Engagement zum Kerngeschäft Ihres Unternehmens?

„Geschäft“ machen wir in Duisburg nicht. Das geschieht weltweit in über 30 Ländern. Die Zentrale in Duisburg kümmert sich um die strategische Steuerung des Portfolios – rein theoretisch könnten wir das an jedem beliebigen Standort in der Welt machen. Trotzdem arbeiten wir von Duisburg-Ruhrort aus: Hier sind unsere Wurzeln, hier schlägt das Herz von Haniel. Die Haniel Akademie, unser unternehmenseigenes Weiterbildungszentrum, ist hier ebenso angesiedelt wie das Haniel Museum im Stammhaus des Unternehmens aus dem Jahr 1756. Aus der langen gemeinsamen Geschichte heraus fühlen wir uns dem Stadtteil verbunden und als „guter Nachbar“ wollen wir dazu beitragen, Probleme in Ruhrort im Sinne unserer oben aufgeführten Grundsätze zu lösen und Ruhrort so für die Menschen lebenswerter zu machen. Das hat auch viel mit Herzblut oder Heimat zu tun, denn auch als internationale Unternehmensgruppe braucht man so etwas. Natürlich gibt es dabei auch Projekte, die Problemstellungen mit sagen wir ruhig größerem Potenzial angehen. Bildung ist ein solches Thema und gerade für uns in der Holding ist Bildung die Basis für Wissen – also unserem zentralen Element der Wertschöpfung. In dem Zusammenhang verstehen wir Bildung als Chance und fördern zum einen begabte junge Menschen über die Haniel Stiftung, aber eben auch benachteiligte Jugendliche mit verschiedensten Maßnahmen. Sie sollen darüber eine Chance haben, ihre Zukunft selber gestalten zu können.

Zurück zum Thema Wandel: Wie wird die Unternehmensgruppe Haniel 2050 aussehen?

Bei zwei Dingen bin ich mir ganz sicher: unser Stammsitz wird weiterhin Duisburg-Ruhrort sein und das Unternehmen weiterhin in Besitz der Familie Haniel. Strategisch gesehen denken wir bei Haniel zwar sehr langfristig, aber nicht ganz so weit: Erst Anfang des Jahres haben wir das Strategieprojekt „Haniel 2020“ gestartet. Ziel ist vor allem, unser Portfolio weiterzuentwickeln, in „kleine Perlen“ zu investieren und diese mit dem Know-how der Holding zu professionalisieren und zu internationalisieren. Bei der Suche nach solchen Unternehmen gibt es zwei wesentliche Kriterien. Erstens: Das Geschäftsmodell muss von mindestens einem Megatrend „befeuert“ werden. Zweitens: Wir kaufen nur Unternehmen, deren Geschäftsmodell nachhaltig ist – das also alle drei Achsen der Nachhaltigkeit – People, Planet, Profit – vereint. Damit wiederum sind wir auf einem guten Weg, unsere Vision zur Wirklichkeit werden zu lassen: Bis 2020 wollen wir in Sachen Nachhaltigkeit eines der führenden Familienunternehmen sein.

Herzlichen Dank!


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