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Bei KMU stehen die Chancen im Mittelpunkt – und sie setzen gezielt Schwerpunkte

Mittelständische Unternehmen werden in Sachen CSR vielfach unterschätzt. Doch oft erbringen gerade sie ökologische und soziale Pioniertaten. Da das Engagement häufig mit dem Kerngeschäft verknüpft ist, profitieren auch die Betriebe selbst.

Von Stefan Kyora

Aus Bambus hergestellte Kleidung ist sehr angenehm zu tragen und liegt deswegen im Trend. Seit einem Jahr gibt es sogar Bambusbekleidung, die das Siegel des Forest Stewardship Council (FSC) für Produkte aus nachhaltiger Forstwirtschaft trägt. Der weltweit einzige Hersteller ist nicht etwa ein bekannter Bekleidungskonzern, sondern ein mittelständischer Betrieb: die Schweizer Crestyle aus der Region Luzern.

Zwei Jahre hat Crestyle-Chefin Doris Forster gearbeitet, um das Zertifikat zu erhalten. Bei der zertifizierten Bekleidung stammt nicht nur der Bambus aus nachhaltigem Anbau. Die Verarbeitung ist auf allen Stufen schonender. Konkret werden zum Beispiel bei der Verarbeitung von Bambus zur Zellulosemasse weniger und besonders sanfte Chemikalien eingesetzt. Dadurch wird dann auch für das Färben weniger Farbstoff benötigt.

„Das Potenzial der kleinen und mittelgroßen Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit ist groß“, bestätigt Sabina Döbeli vom öbu, einem Schweizer Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften. Dabei geht es nicht nur um ökologische, sondern auch um soziale Fortschritte. Dafür ist Crestyle ebenfalls ein Beispiel. Doris Forster stellt gezielt Mitarbeiterinnen ein, die sonst kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt besitzen. Vor allem aber produziert Crestyle in Europa und nutzt dies als Chance im Wettbewerb: „Mit einer Fabrik in Asien wären wir einer unter vielen, mit der Produktion in Ungarn heben wir uns von der Konkurrenz ab“, erklärt Forster.

Firmen wie Crestyle zeigen ein typisches Merkmal für das Engagement kleiner und mittelgroßer Unternehmen (KMU). „Während Konzerne meist CSR betreiben, um Risiken zu minimieren, stehen bei KMU die Chancen des Engagements im Mittelpunkt“, sagt Rolf Merchel. Der Geschäftsführer der GILDE Wirtschaftsförderung aus Detmold hat zahlreiche CSR-Projekte auf europäischer und regionaler Ebene mit KMU durchgeführt.

„Die Chancen lassen sich nur dann verwirklichen, wenn CSR mit dem Kerngeschäft verknüpft wird“, erklärt Merchel. Dies ist oft verblüffend einfach. Ein Beispiel liefert A. & J. Stöckli AG aus dem Schweizer Kanton Glarus. Das Traditionsunternehmen stellt mit hundert Mitarbeitern Kunststoffprodukte her – vom Abfalleimer bis zu stark beanspruchten Spezialteilen. Ein Teil der von Stöckli produzierten Transportboxen kommt nach Gebrauch zum Unternehmen zurück. Sie wurden lange entsorgt, bis man sich entschloss, den Kunststoff intern zu recyceln. Heute gibt es eine ganze Serie von Produkten aus dem Recycling-Kunststoff, die sich am Markt durchgesetzt haben.

Einen anderen naheliegenden Ansatzpunkt für CSR-Aktivitäten bildet das Personal. So positioniert sich das Softwarehaus Comartis aus dem Großraum Zürich als besonders familienfreundlich. Für die 40 Mitarbeiter gibt es Mutter- und Vaterschaftsurlaub, die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit, Flexibilität, falls zum Beispiel ein Kind erkrankt, und sogar ein Spielzimmer, sodass Mitarbeiter ihre Kinder in den Randzeiten mit ins Büro bringen können.

„Vieles war für uns schon beim Firmenstart 1995 selbstverständlich“, erinnert sich Mitgründer Andreas Plimpton. Doch 2004 stellte das KMU sein Engagement auf eine neue Basis. Drei Monate lang wurden Workshops mit einer auf Familienfreundlichkeit spezialisierten Beraterin durchgeführt und das Engagement klar strukturiert. Zudem gab die Geschäftsleitung eine Verpflichtungserklärung gegenüber den Mitarbeitern ab.

Die Systematik erforderte zwar einen Initialaufwand, der Erfolg ließ aber nicht lange auf sich warten. Bei einer Evaluation zwei Jahre später zeigte sich, dass die Fluktuationsrate gesunken war. „Mit jedem Mitarbeiter, der geht, verlieren wir bedeutendes Know-how“, unterstreicht Andreas Plimpton. Gleichzeitig erleichtert die Familienfreundlichkeit die Rekrutierung.

„Zwar verfolgen viele KMU heute CSR-Aktivitäten, eine CSR-Strategie zu entwickeln ist aber noch nicht selbstverständlich“, erklärt Rolf Merchel. Strategie bedeutet dabei nicht, das ganze Unternehmen auf ökologisch und sozial zu trimmen, sondern bewusst Schwerpunkte zu setzen. „Die Fokussierung verhindert, dass ein Unternehmen sich mit vielen verschiedenen Maßnahmen verzettelt“, pflichtet Sabina Döbeli bei.

Zudem zeigen sich durch einen systematischen Zugang oft neue Möglichkeiten. Dies war etwa bei der Glarner Stöckli AG der Fall. 2009 entschloss sich Stöckli, eine Klimastrategie zu entwickeln. Man zog Wissenschaftler und einen Masterstudenten der ETH Zürich hinzu, der seine Abschlussarbeit dem Unternehmen widmete. Gemeinsam analysierte man die Klimabilanz und fand dabei heraus, dass die Produktion des von Stöckli verarbeiteten Kunststoffgranulats einen Großteil der C02-Emmissionen bei der Herstellung der Kunststoffprodukte verursacht. Darauf aufbauend wurden verschiedene Maßnahmen definiert. Die spektakulärste: Das Unternehmen entwickelt nun vorerst ein Produkt mit sogenannten Biopolymeren, das heißt, dem Granulat wird bis zu 60 Prozent Holz beigemischt.

Bei den Mitarbeitern von Stöckli kommen die Maßnahmen gut an. „Vor allem die Techniker, die das neue Produkt entwickeln, sind sehr motiviert“, sagt Susanne Hensler, Werbeleiterin des Unternehmens. Auch dies ist eine typische Stärke, die KMU gegenüber Großunternehmen auszeichnet. „Das Engagement mittelständischer Firmen genießt bei den Mitarbeitern meist schnell hohe Akzeptanz“, weiß Rolf Merchel.

Info

Am meisten profitieren KMU, die sich für CSR interessieren, von den Erfahrungen anderer mittelständischer Unternehmen. Deswegen sollten Unternehmer sich vernetzen zum Beispiel bei einschlägigen Verbänden wie future (www.future-ev.de), öbu (www.oebu.ch) oder Respact (www.respact.at). Best Practice Studien finden sich auf www.csr-training.eu und der Schweizer Webseite proofit.ch.


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