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Die Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft: Von der Herausforderung zur Chance

Häufig als unrentable ‚Freiwilligenarbeit‘ der Global Player oder als soziales Feigenblatt eines Unternehmens betrachtet, hat sich Corporate Social Responsibility (CSR) – also die gesellschaftliche Verantwortungsübernahme von Unternehmen – als eine wirtschaftlich erfolgreiche Methode erwiesen. Björn Stigson, Präsident des World Business Council for Sustainable Development (Weltwirtschaftsausschuss für nachhaltige Entwicklung – WBCSD) untersucht und erläutert die gesellschaftliche Rolle der Wirtschaft im Konzept der CSR.

Ein Gastbeitrag von Björn Stigson (CSR MAGAZIN)

Der Großteil der Weltbevölkerung hat noch nie etwas vom Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) gehört. Und manchmal befürchte ich, dass der restliche Teil entweder vergessen hat, was es bedeutet, oder es aus den falschen Gründen ablehnt – oder beides.

Mitte der neunziger Jahre verlagerte sich die Aufmerksamkeit von den Umweltaspekten, die viele Firmenchefs von einem regulativen Standpunkt aus betrachtet unter Kontrolle zu haben glaubten, auf soziale Herausforderungen wie Kinderarbeit und Kartellbildung. Die Mitglieder des WBCSD – einige der größten Unternehmen der Welt – organisierten weltweit eine Reihe von Debatten. Sie wollten herausfinden, was die Leute darüber dachten, worin die Verantwortung von Unternehmen gegenüber der Gesellschaft liege.

Daran anschließend beriet der WBCSD Unternehmen dazu, wie diese Zeit zur Eruierung ihrer eigenen Verantwortungsbereiche finden könnten. Verantwortungsbereiche werden sich von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden; ein Minenunternehmen wird eine andere Verantwortung haben als eine Bank. Unter diesen Verantwortungsbereichen finden sich auch solche, die Umweltfragen betreffen.

Demnach hat CSR nichts mit Philanthropie zu tun (wenngleich unternehmerische Philanthropie ein kleiner Teil davon sein kann) oder gar damit, Gutes zu tun. Es geht darum, jeden Aspekt unternehmerischer Aktivitäten mit Gesetzen, Normen und angemessenen Erwartungen der Gesellschaft in Einklang zu bringen. Genauso wie vom einzelnen Bürger erwartet wird, im Rahmen dieser Grenzen zu agieren. Dies mag keine leichte Aufgabe sein, ich betrachte sie jedoch als eine grundsätzliche und als einen ausgezeichneten Weg, unternehmerische Risiken zu senken.

Haben sich die Unternehmen einmal über ihre Rolle und Verantwortungsbereiche geeinigt, sollten Letztere definiert werden. Dann gilt es, Ziele zu setzen und regelmäßig zu berichten, inwiefern das Unternehmen diese Ziele erreicht und welche Indikatoren es verwendet, um den Fortschritt im Blick auf dieser Ziele zu messen. Tatsächlich veröffentlichen die meisten führenden Unternehmen regelmäßig Nachhaltigkeitsberichte. Wir erleben heute außerdem, dass viele Unternehmen diese Themen als eine Art Leistungsspiegel/Performance-Bericht in ihre Jahresberichte integrieren.

Nochmals: Mir erscheinen alle diese Maßnahmen als sehr fundamental und nur angemessen. Und dennoch, einige behaupten, dass CSR gesetzliche Pflichten für Unternehmen hervorbringen könnte, andere, dass sie ein Angriff auf den Kapitalismus seien, und wieder andere – ich denke hier an die Milton Friedman/Economist Schule -, dass CSR die Konzentration der Führungskräfte nur von der absolut einzigen Aufgabe eines Unternehmens ablenken würde: für Aktionäre Geld zu verdienen. Friedman schrieb 1962 in einer vollkommen anderen Welt, dass „wenige Trends eben jene Fundamente unserer freien Gesellschaft so völlig untergraben könnten wie die Akzeptanz einer gesellschaftlichen Verantwortung durch Unternehmensfunktionäre, die eine andere ist, als so viel Geld wie möglich für die Aktionäre zu verdienen. Dies ist eine fundamental subversive Doktrin.”

Vor einigen Jahren veranstalteten wir eine öffentliche Debatte: Auf der einen Seite standen zwei CEOs, deren Unternehmen führend im Bereich CSR sind, auf der einen Seite ein Ökonomieprofessor und ein Finanzkolumnisten, die Ansichten Friedmans vertraten. Die Firmenchefs waren nicht an öffentliche Debatten gewöhnt, ihre Opponenten hingegen schon. Trotzdem gewannen die Chefs mühelos, indem sie argumentierten, dass ihre Unternehmen durch ihre CSR-Aktivitäten höhere Profite erwirtschafteten.

Ich finde es ironisch, dass Politiker darüber diskutieren, einige der von Unternehmen unter der Überschrift CSR durchgeführten Maßnahmen gesetzlich verankern zu wollen. In der Tat, wenn Regierungen bessere Regierungsarbeit leisten würden, wäre CSR wahrscheinlich gar nicht zu so einer starken Bewegung geworden.

Unser Kernthema, die Rolle der Unternehmen innerhalb des WBCSD, will die Funktion von Unternehmen in der Gesellschaft ermitteln: Was sollten Unternehmen tun? Was sollten sie unterlassen? Bei einer öffentlichen Debatte in New York zu diesem Thema behauptete einer der Diskutanten, dass „Regierungen scheinbar Regierungsgewalt auf Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen auslagern“. Tatsächlich haben viele forstwirtschaftliche Unternehmen ihre Aktivitäten nicht von Regierungen als ‚nachhaltig‘ zertifiziert bekommen, sondern von freiwilligen Initiativen. Die Global Reporting Initiative ist ein Multistakeholder-Prozess, der Richtlinien dafür zur Verfügung stellt, wie man Berichte zu nicht-monetärer Themen verfasst.

Unsere Mitglieder verlangen, dass Regierungen politische Maßnahmen ergreifen, um mit Energiesicherheit und Klimawandel realistisch umgehen zu können. Das nicht zuletzt deshalb, weil Unternehmen Vorhersagbarkeit benötigen, damit sie die entsprechenden Investitionen tätigen können.

Das WBCSD startete kürzlich eine neue mitgliedergeführte Initiative, „Vision 2050“. Ziel ist es herauszufinden, was die Rolle der Wirtschaft in der Welt von morgen ist, die von Kohlenstoff und der Verfügbarkeit von Ressourcen abhängig sein wird. Was sind unsere Visionen als Führungskräfte, wie wir solch eine Welt gestalten? Und wie wollen wir gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft schaffen, um unsere Rolle ausfüllen zu können: Güter und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, die die Leute wollen und bezahlen können?

In seinem letzten Buch, Supercapitalism: The Transformation of Business, Democracy, and Everyday Life, attackiert Robert Reich, Arbeitsminister unter US-Präsident Bill Clinton, das CSR-Konzept: Es obliege letztendlich der Regierungsverantwortung, wichtige Beziehungen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft zu etablieren. Ich habe keine Einwände gegen letztere Ansicht, aber wenn sich Regierungen der Verantwortung in bestimmten Bereichen entziehen – etwa Klima, Ökosysteme, gerechte globale Handelssysteme – dann muss die Wirtschaft, müssen Unternehmen in ihrem eigenen Interesse mithelfen, eine besser funktionierende Gesellschaft hervorzubringen.

Aber selbst wenn Regierungen effektiver regierten, würde ich behaupten: Unternehmen sollten ihre Aktivitäten systematisch nicht nur an Gesetzen, sondern auch an Normen und angemessenen Erwartungen der Gesellschaft ausrichten.

Einige unserer Mitgliedsunternehmen haben sich durch die Fokussierung auf Aspekte ihres gesellschaftlichen Beitrages radikal verändert. DuPont, führend bei ökologischer Effizienz, erreicht mehr durch weniger: weniger Input, weniger Verschwendung und weniger Verschmutzung – und zugleich ein dokumentierter Anstieg der Rentabilität, die das Unternehmen durch diese Veränderungen erzielt.

Vielleicht ist die beste Erklärung zur Rolle der Wirtschaft in einem Bericht enthalten, den acht unserer Mitglieder – allesamt Geschäftsführer – während eines Lehrgangs 2005 zu dieser Frage in die Debatte einbrachten. Ihr Bericht war betitelt mit „From Challenge to Opportunity“ (von der Herausforderung zur Chance), weil sie erkannten: Unternehmen können viele der größten gesellschaftlichen Herausforderungen in unternehmerische Chancen umwandeln – und viele Unternehmen tun dies heute bereits. Ihre Kernschlussfolgerung lautete wie folgt:

„Wir glauben, dass die global führenden Unternehmen im Jahre 2020 diejenigen sein werden, die Güter und Dienstleistungen zur Verfügung stellen und neue Kunden in der Weise erreichen, dass sie sich der weltweit größten Herausforderungen annehmen – einschließlich Armut, Klimawandel, Ressourcenmangel, Globalisierung und demographischem Wandel. Wenn die Maßnahmen, die sich diesen Problemen widmen, substantiell und nachhaltig sein sollen, müssen sie auch profitabel sein. Unser Hauptbeitrag zur Gesellschaft entspringt daher unserem Kerngeschäft und weniger unseren philanthropischen Programmen.“

Diese beiden Schlussfolgerungen finden sich normalerweise nicht im selben Zusammenhang: Der Hauptbeitrag eines Unternehmens zur Gesellschaft entspringt seinem Kerngeschäft, aber: Die erfolgreichen Unternehmen werden diejenigen sein, die Wege finden, der Gesellschaft bei der Bewältigung ihrer größten Herausforderungen zu helfen. Eben diese Wege müssen profitabel sein. Ich frage mich, ob Milton Friedman diese Schlussfolgerung hätte akzeptieren können.


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