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Schnappauf: Brutalst mögliche Vertrauenskrise für Politik und Industrie

Ein Kommentar. Hinter verschlossener Türe trifft Deutschlands größter Lobbyverband der Industrie mit dem Bundeswirtschaftsminister zusammen. Es geht um ein Thema, das die Menschen wie kein anderes bewegt und in dem die große Mehrheit der Bevölkerung etwas anderes will, als für die Industrie vorteilhaft ist. In der Öffentlichkeit folgt der Bundeswirtschaftsminister den Bürgern – seinen Wählern – und hinter verschlossener Tür erklärt er sein Verhalten gegenüber Industrievertretern als Wahltaktik. Und dann noch das: …

Ein Kommentar. Hinter verschlossener Türe trifft Deutschlands größter Lobbyverband der Industrie mit dem Bundeswirtschaftsminister zusammen. Es geht um ein Thema, das die Menschen wie kein anderes bewegt und in dem die große Mehrheit der Bevölkerung etwas anderes will, als für die Industrie vorteilhaft ist. In der Öffentlichkeit folgt der Bundeswirtschaftsminister den Bürgern – seinen Wählern – und hinter verschlossener Tür erklärt er sein Verhalten gegenüber Industrievertretern als Wahltaktik. Und dann noch das: Als einer der obersten Industrielobbyisten diesen Vorgang an die Öffentlichkeit bringt, muss er seinen Hut nehmen.

Es ist kaum vorstellbar, wie sich das Vertrauen der Bürger in Politik und Industrie effektiver zerstören ließ. Angesichts der dramatischen Ereignisse in dem japanischen Atomkraftwerk Fukushima hält sich die Energiewirtschaft mit ihren Äußerungen zur Zukunft der Atomkraft in Deutschland klug zurück. Die Regierungsparteien, die sich an diesem Wochenende in zwei Bundesländern zur Wahl stellen müssen, sind mehr oder weniger auf Bürgerlinie eingeschwenkt. Und natürlich befürchten viele: Das ist Taktik.

Wenn nun der Hauptgeschäftsführers des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Werner Schnappauf, das Protokoll einer BDI-Vorstands- und Präsidiumssitzung versendet, bei der Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle am 14. März die vorübergehende Abschaltung älterer Atomkraftwerke mit dem Wahlkampf in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz begründet haben soll, dann hat er für diese Aufklärungsleistung eine Auszeichnung verdient – und nicht den Rauswurf.

Apropos Rauswurf: Dass Herr Brüderle unmittelbar vor einer Landtagswahl seinen Posten nicht räumt, ist verständlich. Am Montag sieht seine Welt anders aus – vor allem dann, wenn die FDP in Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sein sollte. Denn dann darf sich der Bundeswirtschaftsminister seines Beitrags zu diesem Debakel sicher sein.

Natürlich hatte der Bundeswirtschaftsminister Recht, falls er gesagt haben sollte, dass die gegenwärtige Debatte emotional aufgeladen und nicht nur rational sei. Unter dem Eindruck der Bilder aus Japan lässt sich nicht sachlich über die Zukunft der Energiepolitik in Deutschland diskutieren. Und unsere Atommeiler lassen sich nicht von heute auf morgen ausknipsen. Wer aber in dem gesellschaftlichen Diskurs über die Zukunft der Energieerzeugung ernst genommen werden will, der muss glaubwürdig sein.

Unglaubwürdige Politiker kann man abwählen, was aber ist mit den Vertretern der Industrie? Die Gesellschaft überträgt der Energiewirtschaft eine im Wortsinn „ungeheure“ Verantwortung. Wenn ein Industrieverband jede Glaubwürdigkeit verspielt, indem er Transparenz bestraft und damit Intransparenz fordert, dann hat er kein Vertrauen verdient. Dann bleibt nur größtmögliche Kontrolle. Die Industrie hinkt auf beiden Seiten: Sie will einerseits Eigenverantwortung und Gestaltungsspielräume und andererseits betreibt sie Lobbyismus gegen die Interessen der Mehrheitsgesellschaft. Diese Strategie wird scheitern. Schnappauf war ein Bauernopfer. Lieber Herr BDI-Präsident Keitel, Sie sind gefragt, wie Sie es zukünftig mit der Transparenz halten wollen.

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