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Schnelle Energiewende gibt es nicht zum Nulltarif

In der Debatte um das Tempo des Atomausstieges werden auch kritische Fragen nach den Kosten laut. Während etwa CDU-Wirtschaftspolitiker vor milliardenschweren Mehrbelastungen warnen, rechnet Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) allenfalls mit einer moderaten Verteuerung der Strompreise.

Von Benno König

Berlin > In der Debatte um das Tempo des Atomausstieges werden auch kritische Fragen nach den Kosten laut. Während etwa CDU-Wirtschaftspolitiker vor milliardenschweren Mehrbelastungen warnen, rechnet Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) allenfalls mit einer moderaten Verteuerung der Strompreise.

Jährlich 2,3 Milliarden Euro hat die Bundesregierung für die Zeit bis 2016 an Einnahmen aus der Brennelementesteuer eingerechnet. Gehen Akw vorher vom Netz, fallen die Einnahmen entsprechend geringer aus. Allerdings gibt es Forderungen, den Steuersatz zu erhöhen und die bisherige Befristung auf sechs Jahre zu streichen.

Der von der Regierung eingerichtete Fonds für erneuerbare Energien und Energieeffizienz wird aus Zahlungen der Akw-Betreiber und aus Einnahmen aus dem CO2-Zertifikatehandel gespeist. Bis 2016 sollen die Konzerne insgesamt 1,4 Milliarden Euro einzahlen. Danach sollen die Beiträge je nach erzeugter Strommenge ansteigen, um einen Teil des Zusatzprofits aufgrund längerer Akw-Laufzeiten abzuschöpfen. Weil diese nun fraglich sind, zahlen die Unternehmen ihre Beiträge nur noch auf ein Sperrkonto.

Die Stromnetze in Deutschland müssen massiv ausgebaut werden, um sie besonders auf die Einspeisung von in Norddeutschland erzeugtem Windstrom einzurichten. Auch neue Speicherkapazitäten werden benötigt, zum Beispiel Pumpspeicherkraftwerke. Die Deutsche Energieagentur DENA rechnet mit Zusatzkosten für neue Hochspannungsleitungen von zehn Milliarden Euro; landschaftsverträglichere Erdkabel wären mehr als doppelt so teuer.

Um die Energiewende voranzutreiben, plant die Regierung die gerade erst gekürzte Förderung der energetischen Gebäudesanierung auf zwei Milliarden Euro aufzustocken. Allerdings hätten diese Investitionen weniger mit dem Atomausstieg zu tun als mit ohnehin geplanten Anstrengungen für Energieeffizienz und Klimaschutz. Beschleunigt umgesetzt werden soll ein Fünf-Milliarden-Euro-Programm für Offshore-Windkraftanlagen.

Auf der finanziellen Habenseite der Energiewende stehen sinkende Energiekosten durch mehr Energieeffizienz. Greenpeace schätzt die mögliche Ersparnis bei Importen fossiler Brennstoffe auf 300 Milliarden Euro bis 2030. Auch soll mittelfristig durch den Ausbau erneuerbarer Energien die Abhängigkeit von mutmaßlich steigenden Öl- und Gaspreisen sinken. Dies könnte sich allerdings bei einer schnellen Abschaltung aller Akw verzögern, falls Kohlekraftwerke deswegen länger am Netz bleiben sollten.

Umweltverbände und Grüne dringen zudem auf den Abbau umweltschädlicher Subventionen, die in einem Gutachten des Umweltbundesamts mit 48 Milliarden Euro beziffert werden. Beispiele sind Ausnahmen für die Industrie bei der Ökosteuer oder Steuerprivilegien für Dienstwagen.

Sollte eine rasche Abschaltung aller deutschen Akw das Stromangebot in Europa insgesamt verknappen, könnte dies für einige Jahre zu höheren Preisen führen. Möglich wäre allerdings auch, dass ausländische Anbieter mehr Strom ins deutsche Netz speisen – darunter vermutlich auch Atomstrom aus Frankreich und Tschechien.

Auswirkungen könnte ein Atomausstieg zudem auf den CO2-Zertifikatehandel haben, falls die abgeschalteten Akw zum Teil durch neue Kohle- oder Gaskraftwerke ersetzt würden. Zwar blieben die Emissionsobergrenzen und damit auch der CO2-Ausstoß insgesamt unverändert, der steigende Zertifikatepreis könnte aber Strom und Industrieproduktion teurer machen. Umgekehrt könnte der Bund dann bei der Versteigerung der Zertifikate höhere Einnahmen erzielen.

Soweit Atomausstieg und Energiewende Mehrkosten verursachen, wäre dies nach Berechnungen der Unternehmensberatung McKinsey kein dauerhaftes Problem. Bereits 2010 kam eine Studie zu dem Ergebnis, dass hundert Prozent erneuerbare Energieerzeugung im Jahr 2050 etwa genauso viel kosten würde wie der bisherige atomar-fossile Mix – externe Faktoren wie Klimafolgen noch nicht einkalkuliert.


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