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Kann denn Mode Sünde sein? Kirchentag diskutiert Verantwortung von Markenunternehmen und Konsumenten

Können deutsche Kunden mit gutem Gewissen Mode kaufen, die in Asien oder Südamerika hergestellt wurde? Oder ist ein solcher Kauf wegen der schlechten Arbeitsbedingungen der Textilarbeiterinnen, die diese Waren herstellten, eine „Sünde“? Darüber diskutierte ein Forum des 33. Deutschen Evangelischen Kirchentags am 3. Juni in Dresden.

Dresden > Können deutsche Kunden mit gutem Gewissen Mode kaufen, die in Asien oder Südamerika hergestellt wurde? Oder ist ein solcher Kauf wegen der schlechten Arbeitsbedingungen der Textilarbeiterinnen, die diese Waren herstellten, eine „Sünde“? Auf einem Forum des 33. Deutschen Evangelischen Kirchentags am 3. Juni in Dresden wurde deutlich: Trotz der Anstrengungen großer Markenunternehmen leiden asiatische und südamerikanische Textilarbeiterinnen unter teilweise sehr schlechten Arbeitsbedingungen. Und das Interesse deutscher Käufer dafür könnte größer sein.

Junge Mütter betroffen

Der überwiegende Teil der Textilarbeiter in El Salvador sind weiblich, zwischen 18 und 22 Jahren alt und Mütter, viele davon alleinerziehend. Das berichtete die Geschäftsführerin der Frauenorganisation Mujeres Transformando, Montserrat Arévalo (San Salvador), deren Initiative diese Arbeiterinnen über ihre Rechte informieren will. „Aber in einem Umfeld von Angst, in dem die Arbeiterinnen den Verlust ihrer Arbeit befürchten müssen, ist das schwierig“, so Arévalo. Bei der Beschreibung der Arbeitsbedingungen in ihrem Land spart Arévalo nicht mit Vorwürfen: Es gebe einen extremen Arbeitsdruck, sexuelle Belästigungen, ungerechtfertigte Entlassungen, Löhne unter dem Existenzniveau, verschmutztes Trinkwasser und zu hohe Temperaturen in den Fertigungsbetrieben. Arévalo: „Die Arbeitsbedingungen sind sklavenähnlich“. Seit Mai erhalte eine Näherin im Monatslohn 130 Euro und könne davon nicht leben. Viele versuchten trotzdem, Geld anzusparen und ihren Kindern ein Studium und damit einen Weg aus der Armut zu ermöglichen, was mit diesen Löhnen aber nicht gelingen könne. Von den Unternehmen erwarte sie, dass sie diese Probleme nicht nur diskutierten, sondern ihrer Verantwortung gerecht würden. Kunden in Nordeuropa sollten die Firmen unter Druck setzen und nach den Arbeitsbedingungen in der Kleidungsindustrie fragen.

Grundlohnkampagne in Asien

Wie Rita Olivia Tambunan von der Trade Union Rights Center (Jakarta/Indonesien) zu berichtete, werden 60 bis 70 Prozent der Kleidungsstücke weltweit von asiatischen Arbeiterinnen hergestellt. Die diesen gezahlten Löhne deckten nur drei Viertel der Kosten allein für die Nahrung. Deshalb seien viele gezwungen, 12 bis 14 Stunden täglich zu arbeiten. Nach Überzeugung von Tambunan werden Profite unfair verteilt, weil Produktionsketten von großen Unternehmen aus Nordamerika und Nordeuropa beherrscht werden. Die Abhängigkeit zentralasiatische Länder wie Bangladesch auf diesen Industriezweig werde ausgenutzt. 2007 riefen asiatische Arbeitsrechtsaktivistinnen eine Kampagne für einen Grundlohn ins Leben, die Asia Floor Wage-Kampagne. Tambunan: “Mode ist keine Sünde, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf diejenigen richten, die benachteiligte Mitglieder unserer Gesellschaft sind.“

Unternehmen stoßen an Grenzen

Von den Schwierigkeiten eines Unternehmens, die Arbeitsbedingungen in der Zulieferkette verantwortungsvoll zu gestalten, berichtete der für Umwelt und soziale Verantwortung zuständige Manager des Sportkleidungsherstellers PUMA, Stefan Seidel (Herzogenaurach). PUMA habe Ende der 90er Jahre aufgrund des Kostendrucks die letzten eigenen Produktionsstätten in Deutschland geschlossen und beziehe seine Waren seitdem von Zulieferern aus Ländern mit geringeren Lohnkosten, insbesondere aus Asien. Seit 1993 verpflichte PUMA seine Zulieferer auf einen Verhaltenskodex, der Arbeiter schützen solle. Ein Auditierungsprogramm, mit dem bei Zulieferern Vor-Ort-Besuche durchgeführt werden, gebe es seit über zehn Jahren. Und in jüngerer Zeit würden die Mitarbeiter der Zulieferbetriebe durch Schulungen qualifiziert. Trotzdem gebe es Rückschläge und Schwierigkeiten. Seidel: „Das zeigt uns, dass wir noch nicht am Ziel sind.“ PUMA seit deshalb seit 2003 mit Nichtregierungsorganisationen im Gespräch, um gemeinsam mit ihnen die Situation zu verbessern. Und PUMA wurde Mitglied in der Fair-Labour-Initiative, einer gemeinnützigen Arbeitsrechtsorganisation. Dadurch würden externe Untersuchungen in den Zulieferbetrieben des Unternehmens möglich und Textilarbeiter könnten ihre Beschwerden an eine unabhängige Stelle richten. „Mode darf Sünde sein“, sagte Seidel, sie solle dem Kunden auch Spaß machen.

Auch in Deutschland Verantwortung übernehmen

Hilke Anna Patzwall, Corporate Social Responsibility-Managerin von Vaude Sport (Tettnang) berichtete, hinter ihrem Outdoor-Unternehmen stehe eine Unternehmerfamilie, die um ihre Verantwortung wisse. Die Hälfte seiner Produkte beziehe das Unternehmen aus zwei eigenen Fertigungsstätten in Vietnam und eine in China, in denen das 3,5fache des gesetzlichen Mindeslohns geschaffen werde. Patzwall: „Neben der sozialen Verantwortung haben wir eine große ökologische Verantwortung.“ 1994 gründete Vaude ein Recycling-Netzwerk. Zudem übernehme Vaude auch in Deutschland Verantwortung: So gebe es am Stammsitz des Unternehmen seit zehn Jahren einen eigenen Betriebskindergarten, um den 70 Prozent weiblichen Beschäftigten gerecht zu werden. Und mit über 50 Prozent Teilzeitmitarbeiter wolle Vaude dem Wunsch von Arbeitnehmern nach flexiblen Beschäftigungsverhältnissen gerecht werden.

Foto: Montserrat Arévalo mit Übersetzern


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