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Nächtelange Diskussionen an der Feuertonne

Für zwei Wochen ist das bunte Protest-Camp vor der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main bislang genehmigt – ein Ende ist aber noch lange nicht in Sicht. Denn allzu schnell wollen die Demonstranten nicht aufgeben. “Wir denken schon an den Wintereinbruch”, sagt Mitorganisator Wolfram Siener. Erst seit Samstag stehen rund 50 Zelte auf einer Wiese und einem Gehweg vor der EZB.

Von Carsten Hauptmeier

Frankfurt am Main > Für zwei Wochen ist das bunte Protest-Camp vor der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main bislang genehmigt – ein Ende ist aber noch lange nicht in Sicht. Denn allzu schnell wollen die Demonstranten nicht aufgeben. “Wir denken schon an den Wintereinbruch”, sagt Mitorganisator Wolfram Siener am Dienstag. Erst seit Samstag stehen rund 50 Zelte auf einer Wiese und einem Gehweg vor der EZB. Das Camp ist aber schon jetzt zu einem deutschen Symbol der weltweiten Proteste gegen die Macht der Banken und das Wirtschaftssystem geworden.

Auch am Dienstag bleibt das Zeltlager ein bunter Fleck inmitten der Bankenmetropole Frankfurt. In kleinen Gruppen sitzen die meist jungen Demonstranten zusammen und diskutieren. Sie wärmen sich an einer Feuertonne und holen sich an einem großen Zelt Essen und Getränke. Zwei Männer versuchen, einen Drachen in Regenbogen-Farben steigen zu lassen. Auf einem kleinen Plakat am Rand des Camps ist zu lesen: “Guten Morgen! Wir sind die neuen Nachbarn. Kommen Sie gerne auf einen Kaffee vorbei.”

Die Demonstranten wollen vor allem reden – untereinander, mit Passanten, mit den vielen Bankern in Frankfurt. “Ich habe seit Sonntag keine Stunde geschlafen, nur diskutiert und geredet”, erzählt die 26-jährige Martina Musig. Eigentlich hätte sie am Dienstag zur Uni gehen müssen, um sich in Seminare einzuschreiben. Jetzt kriege sie keinen Platz in den Kursen. Das sei aber nicht so wichtig, “wie heute hier zu stehen.” Ein konkretes Ziel verbindet sie nicht mit dem Protest. “Wir suchen nach Lösungen”, sagt die junge Frau. “Wir stehen für eine andere Welt – wie die aussehen soll, darüber diskutieren wir hier.”

Der Aktionärsschützer Klaus Nieding redet mit ihnen, auch wenn er längst nicht alle Einstellungen teilt. Ihn ärgert aber vor allem, dass von Seiten der Politik immer wieder Verständnis für den Protest gezeigt wird. Diese solle lieber konkreten Forderungen nachgekommen, statt nur Verständnis zu zeigen, sagt der Landesgeschäftsführer des Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), als er am Dienstag für einen kurzen Besuch im Anzug mit Krawatte vor dem Camp steht. Die DSW fordere schon seit langem Regulierungen, sagt Nieding. Anders als viele Demonstranten stellt er aber nicht das gesamte Wirtschaftssystem infrage: Es gehe nicht um die Abschaffung des Systems, sondern um konkrete Veränderungen, sagt der Anwalt.

Für Siener, seit Tagen das Gesicht der Bewegung “Occupy Frankfurt” (“Besetzt Frankfurt!”), geht es dagegen nach eigenen Worten “um das komplette Gesellschaftssystem”. Als einen der großen Vorteile des Protest-Camps empfindet er es, dass dort über Visionen gesprochen werden könne. Er selbst will dabei nur noch einer von vielen sein. Die Rolle als Sprecher von “Occupy Frankfurt” gab er deshalb auf: “Die Inszenierung meiner Person ist nicht gut.”

Doch Siener will sich keineswegs ausklinken, sondern weiter aktiv mitwirken. Er gucke von Tag zu Tag, wie sich alles entwickle. Es sehe aber momentan so aus, als würden sie monatelang bleiben. Am Montag haben die Organisatoren des Protests vom Ordnungsamt der Stadt eine Verlängerung bis zum 29. Oktober bekommen. Doch die Stadt signalisierte, dass die Demonstranten durchaus länger bleiben können, wenn es friedlich bleibt.

Nach drei Tagen erscheint das Camp gut organisiert. Die Demonstranten haben sich dafür in Arbeitsgruppen aufgeteilt: Manche kümmern sich um den Müll, andere um die Feuertonne und eine Gruppe auch um Beiträge im Internet. Sie haben Streitschlichter und Nachtwachen, und auf den Gehwegen stehen Dixi-Klos. Gerade überlegen sie, wie sie ihre Spüle im Essenszelt mit einem Gulli verbinden können.

Angewiesen sind sie aber auch auf Hilfe – und die bekommen sie: Manche spenden ihnen Geld, andere bringen Essen. Bislang stand sogar das Wetter auf ihrer Seite. Es war trocken, tagsüber schien die Sonne. Doch nun sind Regen und kältere Temperaturen angekündigt. Für Siener ist das kein Grund, das Camp aufzulösen: “Das spielt keine Rolle.”


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