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CSR in China – Aktuelle Trends

Die Verlagerung von Teilen der Produktion nach China oder die gezielte Erschließung des chinesischen Marktes sind für viele deutsche Unternehmen feste Bestandteile ihrer strategischen Ausrichtung. Dadurch gewinnen auch Defizite chinesischer Lieferbetriebe im Bereich der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility – CSR) zunehmend an Bedeutung.

Die Verlagerung von Teilen der Produktion nach China oder die gezielte Erschließung des chinesischen Marktes sind für viele deutsche Unternehmen feste Bestandteile ihrer strategischen Ausrichtung. Dadurch gewinnen auch Defizite chinesischer Lieferbetriebe im Bereich der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility – CSR) zunehmend an Bedeutung.

Ein Beitrag von Daniel Taras, Rolf Dietmar und Andreas Edele

Vor allem Mängel in der Beachtung von Sozial- und Umweltstandards haben in den letzten Jahren weltweit für negative Schlagzeilen gesorgt. Der Druck auf die Lieferbetriebe wächst: Nicht nur ausländische Unternehmen fordern die Einhaltung internationaler CSR-Standards ein, sondern ebenso die Regierung in China sowie eine immer besser informierte chinesische Öffentlichkeit.

Die Produktionsbedingungen in chinesischen Betrieben werden für deutsche Unternehmen in Zukunft zunehmende Relevanz haben: In der gemeinsamen Erklärung anlässlich der 1. Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin im Juni 2011 unterstrichen beide Seiten, dass sie eine Erhöhung des bilateralen Handelsvolumens von derzeit ca. 140 Mrd. Euro auf 200 Mrd. Euro bis 2015 anstreben.

Chinesische Regierung fördert CSR

Die chinesische Regierung hat auf diese Herausforderungen mit einer verstärkten Verbreitung des CSR-Konzepts reagiert. In den meisten CSR-relevanten Bereichen, z.B. im Arbeits- oder Umweltrecht, entspricht die Gesetzeslage in China auf dem Papier größtenteils internationalen Standards. Das Problem ist in vielen Fällen die Rechtsdurchsetzung: Chinesische Regierungsinstitutionen verfügen oft nicht über die notwendigen Ressourcen und/oder Kapazitäten, um Gesetzesverstößen durch Unternehmen effektiv nachzugehen. Insbesondere für lokale Behörden ist der Durchgriff auf die zahlreichen klein- und mittelständischen Unternehmen schwierig. Auch Korruption spielt eine Rolle. Deshalb versucht die chinesische Regierung, durch die Förderung von CSR zusätzliche positive Anreize für Unternehmen zur Einhaltung bzw. Übererfüllung von Gesetzesstandards zu schaffen. So ist auch das CSR-Konzept in China zu verstehen: Im Gegensatz zur westlichen Interpretation stellt in China das Hinarbeiten auf Gesetzeserfüllung bereits die CSR eines Unternehmens dar.

Während die chinesische Regierung in den Anfangsjahren des 21. Jahrhunderts gegenüber CSR eine zurückhaltende Position einnahm, erkennen in den vergangenen Jahren immer mehr staatliche Akteure an, dass CSR sowohl für die internationale Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Unternehmen als auch für die Bewältigung interner sozialer und ökologischer Herausforderungen von entscheidender Bedeutung ist. Nach der Verabschiedung des 11. Fünf-Jahres-Plans (2006-2010) haben hohe Regierungsvertreter, z.B. Premier Wen Jiabao, die Bedeutung von CSR wiederholt hervorgehoben und das Thema mit dem Leitbild der „Harmonischen Gesellschaft“ verknüpft. Der 12. Fünf-Jahres-Plans (2011-2015) sieht eine Reduzierung des Energieverbrauchs und der CO²-Emissionen u.a. durch strengere gesetzliche Regelungen für Unternehmen vor. Im sozialen Bereich strebt die chinesische Regierung im Rahmen der Neujustierung des chinesischen Wachstumsmodells eine gleichmäßigere Wohlstandsentwicklung an. Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit sollen erhöht sowie die Rechte der Arbeitnehmer gestärkt werden. Mindestlöhne in den Provinzen sollen angehoben und Versicherungsleistungen durch das am 1. Juli 2011 in Kraft getretene Sozialversicherungsgesetz verbessert werden.

Wichtige CSR Themen in China

Insbesondere die Umweltaspekte nehmen in der CSR-Diskussion in China großen Raum ein, da Schwächen im Umweltmanagement von Unternehmen in Verbindung mit den genannten Mängeln der Rechtsdurchsetzung zu großen Umweltbelastungen geführt haben. Durch Unternehmen verursachte Umweltverschmutzung und die damit verbundenen Reaktionen der Bevölkerung, etwa Demonstrationen, finden zunehmende Beachtung in den chinesischen Medien wie auch in der Web-Community. Dies bringt verursachende Unternehmen und lokale Regierungen in Zugzwang. Darüber hinaus hat die Regierung ein geostrategisches Interesse, Ressourcen zu sparen, um internationale Abhängigkeiten zu vermindern.

Das Thema Lebensmittelsicherheit gewinnt in China an Aufmerksamkeit. Eine Vielzahl von Lebensmittelskandalen, wie zum Beispiel die weltweit berichtete Verseuchung von Babymilchpulver im Jahr 2008, hat die chinesische Bevölkerung für Lebensmittel sensibilisiert, die nachweislich Qualitätsnormen genügen. Eine besondere Herausforderung besteht allerdings in der Glaubwürdigkeit der Rückverfolgbarkeit entlang der Produktionskette.

Ebenfalls ist Produktsicherheit ein großes Thema, sowohl für die chinesischen Konsumenten als auch für den Export nach Deutschland: bleiverseuchtes Spielzeug oder explodierende Toaster finden weder bei chinesischen noch bei deutschen Konsumenten Anklang. Auch hier müssen CSR-Prinzipien in der Produktion stärker beachtet werden.

Die auf Arbeiternehmerrechte bezogenen sozialen CSR-Aspekte sind im Jahr 2010 durch eine Häufung von Suiziden unter jungen Fließbandarbeitern in der taiwanesischen Firma Foxconn, die Firmen wie Dell, Sony und Apple beliefert, erneut in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten. Die Selbstmordfälle wurden von der chinesischen Öffentlichkeit in erster Linie auf die hohe Arbeitsbelastung zurückgeführt. Kritisch wurde die Verantwortung der ausländischen Abnehmerfirmen für die Bedingungen in den Lieferketten in China in den Medien thematisiert.

Mit der steigenden Beachtung, die CSR-Themen in der Öffentlichkeit finden, hat sich der Anreiz für chinesische Firmen erhöht, über ihre CSR-Performance zu berichten. So ist die Anzahl der veröffentlichten CSR-Berichte in den letzten Jahren rasant gestiegen, von nur wenigen Berichten noch vor wenigen Jahren bis zu mehr als 700 gegenwärtig.

Chinesische CSR-Hauptakteure

In China sind Unternehmen eine wesentliche, treibende Kraft von CSR. So haben sich multinationale Unternehmen, die bei chinesischen Firmen ihre Waren einkaufen oder in China selbst produzieren, zu Vorreitern entwickelt und wirken aktiv auf das Management in chinesischen Firmen ihrer Wertschöpfungsketten ein. Die großen chinesischen Staatsbetriebe, wie etwa China Mobile, China Ocean Shipping Corporation und Sinopec, machen aufgrund ihrer nationalen wie internationalen Sichtbarkeit vielseitige, teils durch die Regierung direkt vorgegebene Anstrengungen, ein gutes CSR-Image aufzubauen. Noch wenig verankert ist CSR allerdings unter den mehr als 40 Millionen klein- und mittelständigen Betrieben Chinas. Die Herausforderungen reichen hier von mangelndem Bewusstsein bis zu fehlender praktischer Umsetzungskompetenz.

Auf der Ebene der Zentralregierung engagieren sich einige chinesische Ministerien zunehmend zu CSR – z.B. das Handelsministerium und das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie. Auf Provinzregierungs- und Stadtebene wird das Thema ebenfalls vorangetrieben, allerdings vornehmlich in den exportorientierten Küstenregionen. Ein Beispiel ist die Stadt Wenzhou in der Provinz Zhejiang. Und auch Sonderwirtschaftszonen nehmen sich des CSR-Themas an – als Differenzierungsfaktor. Besonders aktiv zeigt sich hier die Tianjin Economic Development Area (TEDA), eine der größten Sonderwirtschaftszonen Chinas.

Chinesische Unternehmensverbände spielen als verlängerter Arm der Regierung eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von CSR, und einige einflussreiche Unternehmensverbände haben bereits CSR-Richtlinien für ihre Mitgliedsfirmen entwickelt.

Bei der Verbreitung und Meinungsbildung zu CSR spielen die chinesischen Medien, die über ökologische und soziale Probleme mittlerweile durchaus differenziert und kritisch berichten, eine wichtige Rolle. Als bedeutender Faktor ist insbesondere die lebhafte chinesische Web-Community einzuschätzen.

Schließlich wird CSR in China im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit gefördert, so z.B. im Auftrag der Bundesregierung durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit einem CSR-Projekt.

Zukünftige Entwicklung und Trends

Es ist davon auszugehen, dass das Bewusstsein aller relevanten chinesischen Akteure für CSR in China weiter ansteigt und sich somit die Grundlage für eine Zusammenarbeit zu CSR-Themen mit chinesischen Firmen ständig verbessert. Tendenziell werden sich insbesondere in den exportorientierten chinesischen Unternehmen und in den staatseigenen Betrieben die CSR-Standards den internationalen Anforderungen entsprechend entwickeln. Gleichzeitig werden in China die inhaltlichen Vorgaben des im letzten Jahr verabschiedeten ISO 26000 Leitfadens für gesellschaftliche Verantwortung im Kontext internationaler Handelsbeziehungen als Messlatte für die Umsetzung von CSR-Standards stärker in den Vordergrund treten. Ausländische Unternehmen, insbesondere multinationale Konzerne, die im chinesischen Markt aktiv sind (z.B. Walmart), werden weiterhin im Rampenlicht stehen und durch eine wachsende Anzahl von chinesischen Nichtregierungsorganisationen und einer zunehmend lautstarken chinesischen Web-Community kritisch beobachtet werden. Die Wahrnehmung von CSR und die damit verbundene Einhaltung von international anerkannten Sozial-, Sicherheits- und Umweltstandards werden in ihrer Relevanz in China sowohl für chinesische als auch für ausländische Firmen steigen.

Rolf Dietmar ist Leiter des deutsch-chinesischen CSR-Projektes der GIZ und lebt in Beijing. rolf.dietmar@giz.de

Daniel Taras ist Seniorfachkonzeptionist in der Abteilung Globale Partnerschaften – Schwellenländer bei der GIZ in Berlin. daniel.taras@giz.de

Andreas Edele ist Senior-Projektmanager im deutsch-chinesischen CSR-Projekt der GIZ und lebt in Beijing andreas.edele@giz.de


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