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20 Jahre TransFair und jugendliche Konsumenten: ein Interview mit Brigitte Binder

Kaffee, Schokolade, Rosen, Smartphones – immer wieder hört man, dass hinter diesen und anderen Produkten Kinderarbeit, Hungerlöhne und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen stecken. Dagegen kämpft der Verein TransFair seit 20 Jahren an, z. B. mit der Vergabe des Fairtrade-Labels. Doch was können insbesondere junge Leute tun, deren Budget nicht für den Einkauf im Weltladen reicht?

Kaffee, Schokolade, Rosen, Smartphones – immer wieder hört man, dass hinter diesen und anderen Produkten Kinderarbeit, Hungerlöhne und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen stecken. Dagegen kämpft der Verein TransFair seit 20 Jahren an, z. B. mit der Vergabe des Fairtrade-Labels. Doch wie viel bringt das Engagement wirklich? Und was können insbesondere junge Leute tun, deren Budget nicht für den Einkauf im Weltladen reicht? Brigitte Binder vom Evangelischen Entwicklungsdienst, einer der Mitgliedsorganisationen von TransFair, stellte sich den Fragen des idealisten-Redakteurs Simon Jahn.

Wenn man die vielen Medienberichte über unzumutbare Bedingungen in Betrieben der Dritten Welt anschaut, kommt man schnell ins Zweifeln: Was kann man denn überhaupt noch guten Gewissens kaufen?

Besonders in der Textil- und IT-Branche herrschen größtenteils besorgniserregende Bedingungen für die Angestellten. Das Problem ist, dass in den meisten Produktionsländern die Arbeitsrechtsbestimmungen nicht mit unseren vergleichbar sind. Zu dem kommt, dass viele Missstände versteckt werden: Selbst wenn Kinderarbeit verboten ist, findet sie z.B. in den Hinterhöfen der Zulieferbetriebe statt. Wer das nicht unterstützen möchte, sollte auf Siegel wie das Fairtrade-Label achten. Sie garantieren, dass die betreffenden Firmen bestimmte Mindestanforderungen einhalten.

Seit 20 Jahren setzt sich der Verein TransFair für gerechte Handelsbedingungen ein. Was hat sich seitdem getan?

Zum einen hat sich für die Produzenten vieles verbessert. Da Fairtrade auf langfristige Handelsbeziehungen setzt und weil die Nachfrage nach Fairtrade-Produkten immer größer wird, haben Fairtrade-Betriebe z. B. bessere Absatzmöglichkeiten für ihre Produkte. Zum anderen hat sich das Bewusstsein bei den Verbrauchern hierzulande deutlich verändert. Fair gehandelte Waren sind für viele ein wichtiges Kriterium beim Einkauf geworden. Zudem hat das Fairtrade-Siegel geholfen, faire Produkte auch in große Geschäfte zu bringen. Der Fairtrade-Gedanke selbst ist aber schon wesentlich älter. Das fing vor 40 Jahren mit den ersten Weltläden (damals noch „Dritte-Welt-Läden“ genannt) an.

Weltläden sind ja kleine Fairtrade-Geschäfte, die sich meist in kirchlicher Trägerschaft befinden. Wurde der Fairtrade-Gedanke also in den Kirchen geboren?

Ja, der Gedanke kam wohl erstmals in einer Mennonitengemeinde in den USA auf.

Sie haben aber in einer Studie zusammen mit „Brot für die Welt“ kürzlich herausgefunden, dass die Kirchen selbst kaum fair einkaufen. Wie kommt das?

Leider bedeutet auch in den Kirchen Wissen nicht gleich Handeln. Trotz seitenfüllender Beschlüsse läuft die Umsetzung ziemlich schleppend. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass meist Betriebswirtschaftler für den Einkauf verantwortlich sind. Und die sind geschult, möglichst kostengünstig zu planen. Andererseits gibt es aber viele Produkte auch einfach noch nicht fair gehandelt, z. B. in der Computerbranche.

Sind Christen denn besonders gefragt, sich für fairen Handel einzusetzen?

Die Bewahrung der Schöpfung und globale Gerechtigkeit – das sind christliche Kernthemen! Insofern kommt Christen in dieser Frage schon eine besondere Verantwortung zu.

Inzwischen bieten sogar die meisten Discounter Fairtrade-Produkte an. Ist das denn glaubwürdig? Und wie kann es sein, dass ein fair gehandelter Tee bei Lidl viel weniger kostet als im Weltladen?

Die Grundkosten, die der Produzent bekommt, sind in beiden Fällen die gleichen – das sichert das Fairtrade-Siegel ab. Aber Discounter können natürlich ganz anders kalkulieren, weil sie große Mengen einkaufen. Es ist ein echter Fortschritt, dass es nun auch dort Fairtrade-Produkte zu kaufen gibt, wo die breite Masse einkaufen geht. Denn auch die Menschen, die finanziell nicht auf Billig-Preise angewiesen sind, machen dort ihren Wocheneinkauf. Für die Produzenten bedeutet das natürlich größere Absatzchancen. Und weil die Nachfrage steigt, wird der Markt für Fairtrade-Unternehmen auch immer größer.
Gleichzeitig muss man aber auch beachten, dass das Fairtrade-Siegel nur für das entsprechende Produkt verliehen wird. Es sagt also nichts über die Firma im Allgemeinen aus. Vielmehr ist es ein Baustein zur Veränderung, eine Art „Fuß in der Tür“. Bei Lidl beispielsweise läuft vieles noch nicht gut, aber im Vergleich zu vor 10 Jahren hat sich schon einiges getan. Dumpingpreise sind generell nicht gutzuheißen. Ich würde jedem empfehlen, lieber im Weltladen einzukaufen.

Gerade junge Leute haben meist aber nur begrenzte finanzielle Möglichkeiten. Da kann man doch nicht nur Fairtrade-Produkte kaufen, oder?

Wichtig ist vor allem, dass junge Leute verstehen: Wenn ich etwas einkaufe, entscheide ich mit darüber, wie es produziert wird. Jeder sollte sein Konsumverhalten hinterfragen: Brauche ich wirklich alles, was ich einkaufe? Muss ich jeden neuen Modetrend mitmachen? Weniger kann da oft mehr sein!

Und abseits der Shoppingtempel?

Eine sehr beliebte Art, an neue Klamotten zu kommen, ist unter jungen Leuten derzeit, Tauschparties zu veranstalten oder aus alten Klamotten neue zu nähen – das sogenannte „Upcycling“. Wer sich engagieren möchte, kann auch Aktionen in seiner Schule oder Gemeinde starten: Einen fairen Bauchladen, einen Infostand oder Veranstaltungen, zu denen man einen Referenten des Evangelischen Entwicklungsdienstes einlädt. Anregungen können sich junge Leute auf der Seite www.fair4you-online.de holen.

Vielen Dank für das Gespräch.


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