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DAK-Report: Wenn Arbeit krank macht

Der Krankenstand in Deutschland ist 2011 erneut gestiegen und hat damit den höchsten Stand seit 15 Jahren erreicht. Erste Anzeichen des demografischen Wandels lautet die Erklärung im aktuellen DAK-Gesundheitsreport. Aber immer öfter macht die Arbeit selbst krank. In den Mittelpunkt ihres Reports hat die DAK deshalb das Thema Herzinfarkt und Arbeitswelt gestellt.

Berlin (csr-news) > Der Krankenstand in Deutschland ist 2011 erneut gestiegen und hat damit den höchsten Stand seit 15 Jahren erreicht. Erste Anzeichen des demografischen Wandels lautet die Erklärung im aktuellen DAK-Gesundheitsreport. Aber immer öfter macht die Arbeit selbst krank. In den Mittelpunkt ihres Reports hat die DAK deshalb das Thema Herzinfarkt und Arbeitswelt gestellt.

„Das deutsche Jobwunder hat seinen Preis“, so Prof. Herbert Rebscher, Vorstandsvorsitzender der DAK bei der Präsentation des Gesundheitsreports in Berlin. „Es ist zu einem großen Teil mit prekären Beschäftigungsverhältnissen verbunden. Die Erwerbstätigen müssen in puncto Arbeitszeit, Mobilität und Entlohnung wesentlich flexibler sein als früher. Wer hier mithalten will, muss gesundheitlich besonders belastbar sein“. Dennoch bedarf es einer genauen Analyse der Krankheitsdaten, denn trotz steigender Krankheitstage – mehr als die Hälfte der Beschäftigten (52,2 Prozent) meldeten sich im letzten Jahr gar nicht krank. Der Krankenstand wird durch viele Umstände beeinflusst, neben epidemiologischen Faktoren wie Grippewellen gehören allerdings immer mehr betriebsinterne Faktoren wie Arbeitszufriedenheit, Motivation und Betriebsklima dazu. Das erklärt den seit Jahren steigenden Trend der psychischen Erkrankungen, dieser hat sich in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt. „Die durchschnittliche Dauer einer Krankschreibung bei psychischen Leiden liegt bei rund 30 Tagen. Das Betriebsklima, die Führungskultur und familiengerechte Arbeitsplätze sind betriebswirtschaftlich gesehen weiche Faktoren, können aber helfen, psychische Erkrankungen zu vermeiden. Ein Monat Arbeitsausfall ist ein betriebswirtschaftliches Risiko, sodass es sich lohnt, auch hier zu investieren“, so Rebscher. Die deutliche Zunahme psychischer Erkrankungen wird auch für die Krankenkassen spürbar, rund 27 Milliarden Euro jährlich wendet die gesetzliche Krankenversicherung dafür auf. „Am meisten Geld geben wir allerdings für die Versorgung eines klassischen Krankheitsbildes aus, nämlich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, so Rebscher. „Nicht nur dieser ökonomische Aspekt hat uns veranlasst, das Thema „Herzerkrankungen“ in diesem Jahr näher unter die Lupe zu nehmen“.

In den Industrieländern sinkt seit 30 Jahren die Anzahl von Personen, die an einem Herzinfarkt sterben. Dieser Rückgang ist unter anderem auf einen Rückgang des Nikotinkonsums bei Männern und weniger Bluthochdruck bei Frauen zurückzuführen. Hinzu kommen bessere Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten. Zwar sterben weniger Menschen am Herzinfarkt, jedoch sinkt die Zahl der Krankenhausbehandlungen bei Herzinfarkt seit Jahren nicht mehr. Zudem steigt das Herzinfarktrisiko ab einem Alter von 55 Jahren stark an. Angesichts alternder Belegschaften ist diese Entwicklung auch für die Arbeitswelt relevant. Das war Anlass für die DAK-Gesundheit, die Herzinfarkt-Gefährdung speziell der Erwerbstätigen genauer zu analysieren. Gibt es neue, bisher zu wenig berücksichtigte Risikofaktoren bei Berufstätigen, die in arbeitsbedingtem Stress oder im sozialen Umfeld liegen können? So ist beispielsweise bekannt, dass schwere Depressionen das Herzinfarktrisiko um 60 bis 100 Prozent erhöhen. Bislang wurde das Augenmerk vornehmlich auf die klassischen Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Fettleibigkeit gelegt. Der DAK-Gesundheitsreport 2012 geht demgegenüber besonders dem Zusammenhang von Herzinfarkt, Job-Situation und psychischen Belastungsfaktoren nach. „Bis vor wenigen Jahren wurden ältere Arbeitnehmer noch in Frührente geschickt. Mittlerweile wächst bei vielen Unternehmen das Interesse, erfahrene Mitarbeiter möglichst lange im Betrieb zu halten. Betriebliches Gesundheitsmanagement fängt bei jungen Beschäftigen an, hört aber nicht bereits bei 55-Jährigen auf“, so Herbert Rebscher.

Um die Verbindungen von Herzinfarkt und Arbeitswelt genauer zu analysieren, hat die DAK eine repräsentative Befragung von über 3000 Berufstätigen durchgeführt. Überraschendes Ergebnis, nur jeder zehnte leidet einer sogenannten beruflichen Gratifikationskrise, also arbeitsbedingter Stress, der beispielsweise durch mangelnde Anerkennung ausgelöst wird. Für diesen Personenkreis besteht ein mehr als doppelt so hohes Herzinfarktrisiko. Auffällig ist, dass Gratifikationskrisen je nach beruflichem Status unterschiedlich häufig sind. „Je größer Selbstbestimmung und Gestaltungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz sind, um so weniger tritt dieses Problem auf“, erklärt Herbert Rebscher. So leiden Facharbeiter mit 11,2 Prozent überproportional daran, ebenso Arbeiter mit 10,8 Prozent. „Hier besteht der eigentliche Handlungsbedarf in den Betrieben“, so der Chef der DAK-Gesundheit. Unterdurchschnittlich von einer Gratifikationskrise betroffen sind Selbstständige und Freiberufler mit 3,9 Prozent sowie Beamte im höheren Dienst mit 6,7 Prozent. Überraschend: Betriebliche Zielvereinbarungen, bei denen Verantwortung für messbare Arbeitsergebnisse auf Beschäftigte übertragen wird, führen nicht zu mehr Gratifikationskrisen.

Jeder Fünfte der rund 3000 Befragten fühlt sich durch Zeitdruck aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens belastet. Fast ebenso häufig werden Unterbrechungen und Störungen des Arbeitsablaufs als Stressfaktoren benannt. Hohe Verantwortung und viele Überstunden empfinden jeweils zehn Prozent als belastend. Möglicherweise stehen diese wachsenden psychosozialen Beanspruchungen mit den zunehmenden Krankschreibungen aufgrund psychischer Leiden in Zusammenhang. „Angesichts älter werdender Belegschaften liegt hier ein besonderes Risikopotenzial für Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, so Rebscher. Ein Missverhältnis zwischen Bezahlung und erbrachter Leistung empfindet mehr als jeder Fünfte als starke Belastung. Immerhin noch 17 Prozent nennen mangelnde Anerkennung durch Vorgesetzte als Belastungsgrund. Beschäftigte mit einer Gratifikationskrise schätzen ihren Gesundheitszustand sehr viel schlechter ein als andere. Fast die Hälfte der Betroffenen sieht dies im Vergleich zu ihren Altersgenossen so. Bei den nicht gestressten Arbeitnehmern sind es nur 17 Prozent. Beschäftigte mit Gratifikationskrise schätzen ihren Gesundheitszustand nicht nur schlechter ein. Sie haben tatsächlich auch häufiger gesundheitliche Probleme. Stimmungsschwankungen verbunden mit Angst oder Hilflosigkeit treten bei ihnen dreimal so häufig auf wie bei Beschäftigten, die nicht von Stress betroffen sind.

Die Branchen mit den niedrigsten Krankenständen waren 2011 der Bereich Bildung, Kultur und Medien mit 2,7 Prozent sowie der Bereich Banken und Versicherungen mit 3,0 Prozent. Unter dem Durchschnitt lag auch die Rechtsberatung (3,1 Prozent) sowie der Handel mit 3,4 Prozent. Den höchsten Krankenstand weisen die Öffentliche Verwaltung mit 4,2 Prozent und das Gesundheitswesen mit 4,1 Prozent auf.


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