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Nachhaltige Label im Wettbewerb

Label gelten als ein Instrument, das Konsumenten in ihrem Wunsch nach Sicherheit und Verantwortung entgegen kommt. Sie sind anerkannte Vehikel für die politische Einflussnahme mit dem Einkaufswagen. Aber: Was tun angesichts des Angebots verschiedener Zeichen, die scheinbar alle das Gleiche wollen? Warum können sich diese Initiativen nicht einigen? Das Beispiel der Blumenlabel lässt tief blicken. Denn die Konflikte sind nicht hausgemacht, sondern systembedingt.

Label gelten als ein Instrument, das Konsumenten in ihrem Wunsch nach Sicherheit und Verantwortung entgegen kommt. Sie sind anerkannte Vehikel für die politische Einflussnahme mit dem Einkaufswagen. Aber: Was tun angesichts des Angebots verschiedener Zeichen, die scheinbar alle das Gleiche wollen? Warum können sich diese Initiativen nicht einigen? Das Beispiel der Blumenlabel lässt tief blicken. Denn die Konflikte sind nicht hausgemacht, sondern systembedingt.

Von Silke Peters

„Label sind etwas für Menschen, die fünf Minuten vor Geschäftsschluss in den Supermarkt springen“, sagt Hendrik Haase. Der Kommunikationsdesigner aus Halle (Saale) beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Transparenz in der Wertschöpfungskette. Dafür geht er auf den Acker, redet mit Bauern und scheut weder Mühe noch Zeit, um ganz genau zu erfahren, wie die Dinge gemacht werden. Viele wollen das so genau gar nicht wissen. Außerdem ist kaum einer bereit so viel Zeit zu investieren. Hier kommen die Label ins Spiel: Sie bieten Sicherheit für Konsumenten und Anbieter. Je nachdem, auf welchem Standard ein Label basiert, steht es als Garant für Sozialverträglichkeit, Umweltfreundlichkeit, Bioproduktion, regionale Ware. Der Einkauf nach Siegeln geht auch ohne hohen Informationsaufwand. Ein gut eingeführtes Zeichen, mal den Infoflyer überfliegen und der Kunde weiß Bescheid.

So wünschen es sich die Kunden auch im Blumenladen. Und die Blumenhändler. Keiner will mit Ware zu tun haben, bei der es Zweifel gibt, ob sie korrekt angebaut wurde. Mitte der Neunziger Jahre wurde das Blumensiegel geboren. Das Flower Label Programm, kurz FLP, wird von vier Kammern getragen: Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, Handel und Produzenten. Es zertifiziert Blumenanbaubetriebe auf der Basis der ILO-Kernarbeitsnormen und verschiedener Umweltrichtlinien. Die damalige Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ebenso wie die Schweizer Supermarktkette Migros unterstützten die Initiative und schnell waren die ersten Lieferanten aus Afrika zertifiziert. Es entstand eine solide Struktur mit Geschäftsstelle in Deutschland und Koordinationsbüros in Lateinamerika und Afrika. Bald schon aber zeigten sich die ersten Probleme: Die Produzenten fühlen sich für ihre Bemühungen, die strengen FLP-Standards einzuhalten, nicht ausreichend am Markt entlohnt. Die Händler wiederum wollen sich nicht auf Quoten verpflichten, denn nach ihrer Einschätzung gibt es zu wenig Nachfrage nach zertifizierter Ware. Die Kunden aber werden im Geschäft nur mangelhaft informiert und wissen gar nicht, dass es überhaupt ein Blumensiegel gibt. Für großflächige Aufklärung fehlt das Budget. Die Katze beißt sich in den Schwanz.

Parallel zum FLP entstanden andere Blumensiegel wie zum Beispiel das kolumbianische Flor Verde und die Gold- bzw. Silverplakette des Kenya Flower Council. Das Dachlabel FFP, Fair Flower Fair Plants, das 2006 auf Initiative der Welthandelsorganisation (Union Fleurs) und mit Mittel der Europäischen Union ins Leben gerufen wurde, sollte die bestehenden Label harmonisieren. Aber das Label wird im Markt eingeführt, bevor die Eckdaten über Standards und Prüfungen klar definiert sind. Die Labelinitiativen konnten sich nicht entscheiden, in ein Haus einzuziehen, das zwar ein Dach, aber keine Wände hat – und bei dem unklar ist, wer am Ende den Schlüssel bekommt. Nahezu zeitgleich nahmen die Fair Labelling Organisations (FLO) Blumen in ihre Produktpalette auf, womit der Blumensektor weiteres Label bekam. Rosen mit dem Fairtrade-Label werden im Unterschied zu FFP und FLP über ein geschlossenes Lizenzsystem und mit einem künstlichen Aufpreis, dem sogenannten Premium, vermarktet. Die Distribution erfolgt in erster Linie über den Lebensmitteleinzelhandel und Blumendiscounter. Die Rosen stammen überwiegend aus Farmen in Kenia, die der multinationalen Unternehmensgruppe Finlays angehören. Der größte Importeur für die fair gehandelten Blumen im deutschen Markt, die Firma Omniflora, ist ebenfalls Teil dieser Unternehmensgruppe.

„Labelorganisationen versuchen, die Auswüchse des Marktes, wie Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltzerstörung, zu korrigieren, sind aber selbst genau den Mechanismen ausgesetzt, die das Versagen verursachen“, sagt Uwe Meier, Mitglied von SAN, dem internationalen Netzwerk für nachhaltige Agrarwirtschaft. „Das ist ein Widerspruch in sich. Marktregulationen sollten nicht durch den Markt reguliert werden.“ Das Dilemma ist offensichtlich: Nur die Initiative, die viele Betriebe zertifiziert, kann den eigenen Standard umsetzen. Die Nachfrage nach dem Zeichen wiederum hängt von der Anerkennung in den Absatzmärkten ab. Das erfordert öffentliche Präsenz, eine einfache Kommunikation und ein möglichst breites Angebot. Die Fokussierung auf PR-Aktivitäten kostet – und spiegelt oft nicht die komplexe Realität. Es werden Kompromisse gemacht, um stärker sein zu können. Am Ende „gewinnt“ nicht zwangsläufig das (inhaltlich) bessere System, sondern das mit dem besten Marketing. Genau wie in anderen Wirtschaftssektoren auch.

Bei all dem geraten die Inhalte aus dem Blickfeld: Welches System ist für die eigentliche Zielgruppe, die Arbeiter und Arbeiterinnen in den Blumenbetrieben, das sinnvollste? Finden wir nachhaltige globale Lösungen, die ihren Namen verdienen? Verhandeln wir auf Augenhöhe? Wie wäre es für uns, wenn die Chinesen jährliche Prüfungen in unseren Betriebsstätten machten, mit dem Argument, das ein Import sonst moralisch unvertretbar wäre? Wäre es nicht sinnvoller, kurze Wertschöpfungsketten – also die regionale Produktion – zu stärken? Auch wenn die Initiativen Positionen zu diesen Fragen entwickeln, steht dahinter vor allem eine Agenda: als Institution zu wachsen.

Derweil hat die Blumenbranche immer noch nicht das Zeichen, auf das sich alle einigen können. Die Frage, welches Label denn nun das „richtige“ sei, muss jeder für sich selbst lösen – und dann doch ein wenig mehr Zeit investieren. Dabei darf man sich fragen, ob ein Label überhaupt sein muss. Die Importgenossenschaft Fleura Blumenimport, bestehend aus zwölf Großhändlern, setzt zum Beispiel auf die strategische Zusammenarbeit mit den Lieferanten. „Natürlich ist gelabelte Ware ein Pluspunkt. Grundsätzlich steht für uns aber das partnerschaftliche Verhältnis mit den Produzenten im Vordergrund. Wir arbeiten eng mit ihnen zusammen, halten Zahlungsziele ein und einigen uns auf viele Details, bis hin zur Verpackung“, sagt Christian Willeke, der die Gemeinschaft 2009 mit ins Leben gerufen hat. Sein Kollege Wolfgang Stich fügt hinzu: „Mit Blick auf das Fairtrade- Siegel haben wir eher Sorge. Sie werden vor allem von Ketten angeboten und dann heißt es ‚Bei uns gibt’s die guten Blumen!’. Die Ketten haben das Kapital dafür.“

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