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Der UN Global Compact: Zur Relevanz und Arbeitsweisen lokaler Netzwerke in D-A-CH

Der Global Compact erwartet nicht nur Bekenntnisse, sondern eine Anwendung und Umsetzung recht allgemeiner Prinzipien in der Unternehmenspraxis. Dabei sollen lokale Netzwerke unterstützend wirken. Doch wie funktionieren diese Netzwerke eigentlich? In einer vergleichenden Untersuchung der lokalen UNGC-Netzwerke in der Schweiz, Österreich und Deutschland konnten sehr unterschiedliche Funktions- und Arbeitsweisen ermittelt werden.

Von Prof. Dr. Thomas Beschorner und Stefanie Lingemann, Institut für Wirtschaftsethik der Universität St.Gallen

Bei der Übernahme von Unternehmensverantwortung besteht die duale Herausforderung, zum einen allgemeine Werte zu definieren, die möglichst kulturübergreifende Gültigkeiten beanspruchen können, dabei aber zum anderen dem Pluralismus und der Verschiedenheit in spezifischen lokalen Kontexten gerecht zu werden. Vor einer derartigen Herausforderung steht auch der UN Global Compact. Die in ihm formulierten zehn Prinzipien sind allgemein. Es gilt, sie im Unternehmen mit Leben zu füllen, und zwar „gleich-gültig“ ob es sich dabei um ein Groß- oder mittelständisches Unternehmen handelt, ob es in der Schweiz oder Brasilien beheimatet ist, ob das Unternehmen Sandalen produziert oder Versicherungsleistungen anbietet, ob es ein junges oder altes Unternehmen ist usw.. Die „Macher“ des Global Compact wissen um diese Problematik und daher ist ein prinzipiell wichtiger Baustein des Gesamtsystems dieser Initiative eine Zusammenarbeit in sogenannten lokalen Netzwerken. In einer Untersuchung des Instituts für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen haben wir uns für diese lokalen Netzwerke interessiert und die Arbeitsweisen in der Schweiz, Deutschland und Österreich vergleichend betrachtet.

Auf lokaler Ebene, die meistens durch nationale Grenzen definiert wird, agiert der Global Compact im Rahmen seiner seit 2001 entstandenen lokalen Netzwerke. Dies sind Cluster von Teilnehmern, die zusammenkommen, um den Global Compact und seine zehn Prinzipien innerhalb eines bestimmten geographischen Kontexts zu diskutieren und voranzubringen. Die Erwartungen des Global Compact Office in New York an die lokalen Netzwerke sind hoch. Die lokalen Netzwerke dienen als Instrument der Übernahme lokaler Corporate Social Responsibility, indem sie den spezifischen Bedürfnissen und Umständen jeder Gemeinschaft durch Kontextualisierung und Übersetzung der zehn Prinzipien Rechnung tragen. Søren Mandrup Petersen, Head of Networks & Partnerships des UN Global Compacts, fordert zudem in einem Interview mit uns, dass die lokalen Netzwerke die teilnehmenden Unternehmen und nichtkommerzielle Organisationen einbinden und somit ihre Mitwirkung an der Initiative fördern. Auch der Erfahrungsaustausch und der Dialog der teilnehmenden Organisationen wird auf lokalem Level großgeschrieben. Dies vor allem basierend auf der Einsicht, dass ein wahrer Dialog von nun mehr 10.000 Teilnehmern auf globaler Ebene nicht möglich ist, so Petersen.

Insgesamt können vier relevante Dimensionen bei lokalen Netzwerken unterschieden werden: die Teilnehmer, der Kontext, die Inhalte und der Prozess: Die teilnehmenden Organisationen sind dabei in einer Doppelrolle als Eigner und Mitglied der lokalen Netzwerke und bestimmen als solche deren strategische Stoß- und Ausrichtung zentral mit. Ihren Bedürfnissen und Ansprüchen kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Die lokalen Netzwerke sind dazu aufgefordert, die zehn Prinzipien kontextual – das heißt im spezifischen kulturellen, politischen und sprachlichen Kontext – zu verankern und auf dieser Grundlage inhaltlich zu füllen. Letztlich kommt dem Prozess zur Implementierung eine wichtige Bedeutung zu. Auch dieser kann sich in verschiedenen lokalen Netzwerken sehr unterschiedlich gestalten.

Bei einer Analyse der lokalen Netzwerke in der Schweiz, Deutschland und Österreich haben wir diese vier Dimensionen auf der Grundlage von Experteninterviews mit zentralen beteiligen Netzwerkakteuren sowie durch Dokumentenanalysen in den genannten Ländern näher betrachtet. Trotz der kulturellen Nähe der untersuchten Netzwerke konnten einige zentrale Unterschiede festgestellt werden, zusammenfassend veranschaulicht in der nebenstehenden Abbildung.

Während die Global Compact Netzwerke Deutschlands und Österreichs durch sehr positive Ausprägungen in der inhaltlichen und prozessualen Dimension durchaus geeignet erscheinen, um auf lokaler Ebene die Verantwortungsübernahme der teilnehmenden Unternehmen zu fördern, gelingt es dem Global Compact Netzwerk Schweiz bislang in deutlich geringerem Maße, die ihm zugeschriebenen Aufgaben wahrzunehmen. Das schweizerische Netzwerk hat Schwierigkeiten, eine kontextuale Verankerung der zehn Prinzipien vorzunehmen, durch ein hohes Aktivitätsniveau den Dialog unter den Teilnehmern zu fördern und gleichermaßen Unternehmen wie auch NGOs und die Politik in seine Arbeit diskursiv einzubinden. Das Global Compact Netzwerk Schweiz ist in der jetzigen Funktionsfähigkeit nur bedingt geeignet, um einen Mehrwert zur globalen Initiative Global Compact zu leisten. Es gilt dabei jedoch zu beachten, dass sich das Schweizer Netzwerk momentan in der Phase des Umbruchs respektive des Neustarts befindet. Regelmäßige Aktivitäten, eine Jahresplanung und eine bessere Steuerung des Netzwerks sind dabei vorgesehen.

Die Global Compact Netzwerke Deutschland und Österreich dagegen sind in ihrer Entwicklung deutlich weiter fortgeschritten. Aufgrund der Tatsache, dass beide Netzwerke eine zumindest teilweise kontextuale Verankerung vornehmen, die zehn Prinzipien mit Inhalt füllen und auf kontextbezogene Probleme übertragen, einen offenen Dialog unter den Teilnehmern und mit den Anspruchsgruppen anregen und zahlreiche für ihre Teilnehmer relevante Veranstaltungen durchführen, schaffen die Netzwerke einen Mehrwert zum Global Compact als globaler Initiative.

Unterschiede zwischen dem deutschen und dem österreichischen Global Compact Netzwerk konnten u.a. in den folgenden Bereichen festgestellt werden:

  • Der kulturelle und politische Kontext ist im deutschen Netzwerk relevanter als in Österreich.
  • Das gemeinsame Verständnis der zehn Prinzipien des Global Compact erscheint in Deutschland ausgeprägter als in Österreich.
  • Das österreichische Netzwerk hat eine stärkere Gewichtung von sozialen (statt ökologischen) Themen vorgenommen, als dies in Deutschland der Fall ist.
  • Das österreichische Netzwerk unterstützt seine Mitglieder systematisch bei der Erstellung der „Communication on Progress“ (ein Fortschrittsbericht der jeweiligen Unternehmen). In Deutschland wurde erst Ende des vergangenen Jahres in Ansätzen damit begonnen.
  • Großunternehmen werden in Deutschland in stärkerem Maße als Hauptzielgruppe zur Einbeziehung in das Netzwerk betrachtet als in Österreich. Sie dominieren zudem das Netzwerk stärker, als dies im südlichen Nachbarland der Fall ist.
  • Das österreichische Netzwerk formulierte klarere Wachstumsziele zur seiner Vergrößerung als das deutsche Netzwerk.
  • Der Global Compact und seine lokalen Netzwerke entwickeln sich weiter, ein Muss in einer verändernden Umwelt. Seitenblicke auf die Aktivitäten anderer lokaler Netzwerke können dabei wichtige Lernprozesse anstoßen. Auch eine Zusammenarbeit ist dabei nicht ausgeschlossen und sogar wünschenswert. Die skandinavischen Länder übrigens haben auf die Gründung einzelner nationaler Netzwerke verzichtet und sich stattdessen zum „Global Compact Nordic Network“ zusammengeschlossen.


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