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Die nachhaltigste Olympiade aller Zeiten? Eine Zwischenbilanz. (Textfassung)

Rund zehn Millionen Zuschauer in den Stadien und vier Milliarden weitere vor ihren Fernsehgeräten verfolgten die Eröffnung der Olympischen Spiele in London. Das Sportereignis soll aber nicht nur neue Zuschauerrekorde aufstellen, sondern die Veranstalter wollen zugleich die grünsten und nachhaltigsten Olympischen Spiele aller Zeiten schaffen. Darauf zielte ein 2005 vom WWF und dem Londoner Think Tank BioRegional vorgestellter Entwurf mit dem Titel „Towards a One Planet Olympics“. Die Gedanken dieses Entwurfs flossen erst in die Bewerbung und dann in die Vorbereitungen der Spiele ein. Wie „grün“ und wie „nachhaltig“ sind ist London 2012 tatsächlich? Der WWF und Bioregional haben Bilanz gezogen und stellen fest: Vieles wurde erreicht, manches Ziel bisher verfehlt. Und kritische NGOs wenden ein, dass die Olympiade von nicht nachhaltigen Großkonzernen gesponsert werde.

London (csr-news) – Rund zehn Millionen Zuschauer in den Stadien und vier Milliarden weitere vor ihren Fernsehgeräten verfolgten die Eröffnung der Olympischen Spiele in London. Das Sportereignis soll aber nicht nur neue Zuschauerrekorde aufstellen, sondern die Veranstalter wollen zugleich die grünsten und nachhaltigsten Olympischen Spiele aller Zeiten schaffen. Darauf zielte ein 2005 vom WWF und dem gemeinnützigen Londoner Think Tank BioRegional vorgestellter Entwurf mit dem Titel „Towards a One Planet Olympics“. Die Gedanken dieses Entwurfs flossen erst in die Bewerbung und dann in die Vorbereitungen der Spiele ein. Wie „grün“ und wie „nachhaltig“ sind ist London 2012 tatsächlich? Der WWF und Bioregional haben Bilanz gezogen und stellen fest: Vieles wurde erreicht, manches Ziel bisher verfehlt. Und kritische NGOs wenden ein, dass die Olympiade von nicht nachhaltigen Großkonzernen gesponsert werde.

Nachhaltig wollen die Olympischen Spiele in London nicht nur während der Wettkämpfe selbst sein, sondern auch in ihren langfristigen Auswirkungen auf die Stadt. So entstand der Olympia-Park in einem Ost-Londoner Industriegebiet. Zwei Millionen Tonnen vergifteter Boden wurden gereinigt und wiederverwertet. 3.000 Bäume und 300.000 sonstige Pflanzen wurden eingesetzt. Der Bauschutt früherer Gebäude wurde wiederverwertet, so entstanden die Stahlträger des Olympia-Stadions aus alten Gas- und Wasserleitungsrohren. Die neuen Gebäude sind energieeffizient, Abwässer werden – etwa für die Toilettenspülungen – wiederverwendet. Nach den Spielen sollen Menschen aus sozial schwächeren Gruppen die Hälfte der neuen Bewohner des Olympiadorfes ausmachen.

Auch die Logistik der Spiele berücksichtigt zahlreiche Nachhaltigkeitsaspekte: Besucher reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln an, Sportler und Funktionäre nutzen klimafreundliche Fahrzeuge. Bei der Ernährung wird auf fair gehandelte und regionale Lebensmittel geachtet, übriggebliebene Speisen werden verwertet, kein Müll landet auf der Müllhalde. Und eine unabhängige „Commission for a Sustainable London 2012“ mit drei hauptamtlichen Mitarbeitern begleitet die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie, publiziert darüber auf ihrer Website und diskutiert dazu in einer LinkedIn-Gruppe.

Der WWF und BioRegional ziehen im Blick auf die Olympischen Spiele zu deren hohen Nachhaltigkeits-Ansprüchen eine überwiegend positive Bilanz. Defizite aus ihrer Sicht sind: Die Grundlage für eine langfristig nachhaltige Energie-Infrastruktur wurde nicht gelegt. Die Beziehung zwischen gesunder Ernährung, Sport und Wohlbefinden wurde nicht ausreichend deutlich. Und es fehlen preiswerte Tickets und Unterkünfte. Für die zukünftige Nutzung der olympischen Anlagen sehen sie größere Herausforderungen, etwa in Bezug auf eine Null-Abfall-Strategie für den Stadtteil Ost-London, die energetische Selbstversorgung des Olympischen Dorfes oder in dessen langfristiger Bedeutung als „grünes“ Geschäftszentrum.

Einige Kritik macht sich an den Sponsoren der Spiele fest. Es gab von Netzwerken wie OurOlympics und dem Counter Olympics Network unterstützte Protestaktionen, von denen auch die großen mit jeweils unter 1.000 Teilnehmern nicht als Massenproteste gewertet werden können. Angeprangert wurden etwa das olympische Sponsoring durch den Bergbaukonzern Rio Tinto, den britischen Ölmulti BP, den französischen Energiekonzern EDF, den Chemiekonzern Dow Chemicals sowie den Sportartikelhersteller Adidas.

Aufsehen erregte der Rücktritt eines Mitglieds der Commission for a Sustainable London 2012, Meredith Alexander, wegen des Olympiasponsors Dow. Der Konzern wird mit dem Chemieunglück im indischen Bhopal 1984 in Verbindung gebracht, als durch den Austritt einer hochgiftigen Gaswolke aus der Anlage der Union Carbide India je nach Schätzung zwischen 3.800 und 25.000 Menschen ihr Leben verloren. 50,9 Prozent der indischen Firma gehörten dem amerikanischen Konzern Union Carbide Corporation, der diesen Anteil 1994 verkaufte. Die Union Carbide Corporation wurde 2001 von Dow Chemicals erworben, das jede eigene Verantwortung für die Ereignisse in Bhopal zurückweist.

Kritisiert wird aber auch, dass mit Dow ein Kunststofferzeuger zu den Olympiasponsoren gehört. Ein Unternehmenssprecher erklärte dazu gegenüber CSR NEWS: „Aus unserer Sicht ist moderne Chemie elementar für nahezu alle Bereiche der nachhaltigen Entwicklung.“ Ohne eine moderne Chemie gäbe es keine erneuerbaren Energien, keine Energieeffizienz und keine nachhaltige Mobilität. „Dow stellt nicht nur Kunststoffe her, sondern zählt zu den Chemieunternehmen mit dem breitesten Produktportfolio weltweit“, so der Sprecher.

Der Protest gegen den Sportbekleidungshersteller Adidas wird lange nicht von allen NGOs geteilt. Manche halten dem Konzern zugute, dass er auf Kritik reagiert. Für die Nachhaltigkeitsexpertin Makiko Ashida von der Bank Sarasin gilt Adidas als ein Vorreiter in seiner Brache. Auch Makiko Ashida weist darauf hin, dass die Löhne in den Zulieferbetrieben in China und Bangladesch weit unter dem Existenzminimum liegen und es auch bei den Arbeitsbedingungen einigen Verbesserungsbedarf gebe. Nachhaltigkeits-Audits alleine seien wenig erfolgversprechend; aus Sicht der Nachhaltigkeitsexpertin können vor allem zwei Ansätze zu einer Verbesserung der Situation beitragen: Schulungen für Manager und Arbeitnehmervertreter und eine verstärkte Kooperation zwischen den Auftraggebern aus der westlichen Welt. Adidas fördere in seinen Zulieferbetrieben die Kommunikation zwischen Managern und Gewerkschaftlern und beziehe dabei auch die Kommunen ein, so Makiko Ashida gegenüber CSR NEWS. Und das Unternehmen ist bei nachhaltigkeitsorientierten Branchenzusammenschlüssen wie der Sustainable Apparel Coalition oder Zero Discharge 2020 dabei.

Bei den Olympischen Spielen bleibt abzuwarten, welche Rolle die Diskussion über die Nachhaltigkeit des Leistungssports selbst besitzen wird. Eine Rolle könnte dabei spielen, ob und in welchem Umfang sich der Dopingverdacht gegen mehrere Athleten bestätigt.


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