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„Wir bringen Sauerkraut zum Fliegen“: Johann Zimmermann im Interview zu Biokunststoffen

CC0 von Artturi_Mantysaari auf pixabay

Biomasse wird häufiger für die Herstellung von Materialien genutzt als für die Energiegewinnung.In Deutschland ist am Beispiel der Kunststofftragetasche eine kontroverse Diskussion darüber entbrannt, ob dabei die Verwendung biogener Rohstoffe nachhaltige Vorteile bringt. CSR NEWS sprach darüber mit dem Geschäftsführer des Wiener Neustädter Spezialunternehmens NaKu e.U., dem Kunststofftechniker Johann Zimmermann.

Wien (csr-news) – Biomasse wird häufiger für die Herstellung von Materialien genutzt als für die Energiegewinnung. An land- und forstwirtschaftlichen Rohstoffen wie Holz oder Öle und biogenen Reststoffen wie Stroh oder organischer Abfall wurden 2008 weltweit 1,6 Milliarden Tonnen stofflich und 1,5 Milliarden Tonnen energetisch genutzt, schätzt das nova-Institut in einer Studie für das Umweltbundesamt. In Deutschland ist am Beispiel der Kunststofftragetasche eine kontroverse Diskussion darüber entbrannt, ob dabei die Verwendung biogener Rohstoffe nachhaltige Vorteile bringt. CSR NEWS sprach darüber mit dem Geschäftsführer des Wiener Neustädter Spezialunternehmens NaKu e.U., dem Kunststofftechniker Johann Zimmermann.

CSR NEWS: Herr Zimmermann, in welchen Bereichen kommen nachwachsende Kunststoffe heute zum Einsatz?

Johann Zimmermann: Nachwachsende Kunststoffe werden besonders im Verpackungsbereich eingesetzt, aber sie sind für alle Bereiche relevant: für die Herstellung von Handygehäusen etwa. Die Japaner setzen sie bereits in der Fahrzeug-Innenverkleidung ein. Und wenn ein Material in der Autoindustrie angekommen ist, dann durchdringt es bald auch alle anderen Branchen.

Wie verhalten sich nachwachsende Kunststoffe in Bezug auf Preis und Qualität in Bezug auf konventionelle Kunststoffe auf Erdölbasis?

Derzeit sind nachwachsende Kunststoffe noch teurer. Und bei der Qualität müssen wir kleine Abstriche machen, etwa in Bezug auf die Haltbarkeit. So lassen sich Teile aus nachwachsenden Kunststoffen nicht zehn Jahre auf Lager legen, ihre Haltbarkeit ist begrenzt. Der Einsatz biogener Kunststoffe ist daher vor allem eine Herausforderung an die Kommunikation der Hersteller.

Teurer und zugleich mit leichten Qualitätsabstrichen behaftet – das lässt sich aber schlecht kommunizieren!

Nachwachsende Kunststoffe besitzen auch vorteilhafte Eigenschaften, und deshalb müssen wir die Frage in den Mittelpunkt stellen: Welchen Zusatznutzen habe ich? Unsere Plastikbeutel mit Biokunststoffanteil besitzen den Vorteil, dass sich Gemüse darin länger frischhalten lässt. Und natürlich trägt der Einsatz nachwachsender Kunststoffe zur CO2-Einsparung bei.

Ein weiteres Kommunikationsproblem dürfte sein, dass Kunststoffbeutel niemals zu 100 Prozent aus nachwachsenden Kunststoffen bestehen.

Bei vielen Artikeln wie beispielsweise unseren Flaschen gelingt es uns bereits, ohne Erdöl auszukommen. Wir hätten das auch schon gerne bei den Tragetaschen und die Forschung geht in diese Richtung. Technisch sind verrottbare Beutel aber derzeit mit einem Anteil von um die 60% machbar. Dazu sollte man aber erwähnen, dass die restlichen Komponenten nicht aus normalem Plastik, sondern aus einem speziellen kompostierbaren Produkt bestehen. Mehr ist leider technisch noch nicht möglich.
Weh tut es mir, wenn ich dann höre: Es verrottet zwar wieder, aber wenn es noch Erdölanteile enthält, dann verwende ich doch lieber meine herkömmlichen Tragetaschen, die zu 100% auf Erdöl basieren. Es ist auch keine Lösung, wenn solchen herkömmlichen Kunststoffen mit chemischen Substanzen zugesetzt werden, die sie in kleinste Teile zerfallen lassen. Da wird das Problem nur unsichtbar gemacht.

Als Argument gegen Einkauftsbeuteln aus biogenen Kunststoffen wird angeführt, dass diese in den Kompostieranlagen nicht ausreichend schnell verrotten.

Eine Ursache für die Probleme ist, dass die Kompostierer nicht bei der Erstellung der Norm mitgearbeitet haben, obwohl sie dazu eingeladen waren. Die Verrottungsnorm sieht eine Verrottung innerhalb von 90 Tagen vor, in den deutschen Kompostieranlagen bleibt aber oft kaum mehr als 50 Tage Zeit. So gehen Norm und Marktanforderungen auseinander. Unsere NaKu-Beutel verrotten auf der Kompostanlage in Wien innerhalb von drei bis vier Tagen, im Heimkompost innerhalb von acht bis zwölf Wochen.
Es gibt Faktoren, die das Verrotten erschweren: So ist das Bedrucken mit Farbe für die Kompostierung ungünstig. Und manche Handelsketten gehen auf einen Bio-Kunststoff-Anteil von 30 Prozent zurück, was die Kompostierung ebenfalls erschwert.
Aber schließlich geht es nicht nur um den Vorteil der Kompostierbarkeit, sondern auch um die anderen Nutzungsmöglichkeiten der Bio-Kunststoff-Beutel, etwa für die Lagerung von Nahrung. Wir haben zum Beispiel einen speziellen, auch verrottbaren Beutel entwickelt, in dem Salat nachweislich eineinhalb Wochen länger hält.

In welchen Produkten werden Biokunststoffe zukünftig noch zur Anwendung kommen?

Der natürliche Kunststoff steckt in den Kinderschuhen, er wird in zehn Jahren ganz anders aussehen. Wir arbeiten beispielsweise an seiner Verwendung in Garnen, die zukünftig das Polyester ersetzen könnten. Das hätte manche Vorteile: So besitzen nachwachsende Kunststoffe eine angenehme Haptik und sie zeichnen sich durch einen anderen Umgang mit Feuchtigkeit aus. Allerdings arbeiten wir noch an ihrer Temperaturbeständigkeit.
Zum Einsatz bringen wir die Bio-Kunststoffe bereits bei der Herstellung verrottbarer Flaschen als PET-Ersatz. Und NaKu bietet Küchenutensilien aus biogenen Kunststoffen wie Boxen und Schneidbretter.
Zurzeit arbeiten wir am Bau eines Flugzeugs aus geschäumten nachhaltigen Kunststoffen. Es hat eine Spannweite von zehn Metern und soll bei den Red Bull Flying Days im September zum Einsatz kommen. Dann wird ein Pilot in dem Flugzeug Platz nehmen, vier Personen werden es über eine Startrampe schieben und wir gewinnen den Wettbewerb, wenn unser Flieger über die längste Distanz in der Luft bleibt. Diesem Projekt haben wir den Slogan gegeben: Wir bringen Sauerkraut zum Fliegen. Wir wollen damit zeigen, dass wir aus der Milchsäure wie sie beispielsweise im Sauerkraut vorkommt, einen Kunststoff und danach einen Flieger machen können. Und wenn er dann auch noch weiter fliegt als alle Erdölfliegerkollegen, dann haben wir gewonnen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Unternehmen NaKu im Internet:
www.naku.at


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