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Wie nachhaltig ist die Wiesn? Profitabel ist sie sehr – mit Umweltschutz ist nicht viel her

6,9 Millionen Besucher, 7,5 Millionen Maß Bier, 500.000 Brathendl, ein Stromverbrauch von 2.950.000 Kilowattstunden und Wasserverbrauch von 100.000 Kubikmeter; aber auch Arbeitsplätze, gelebte Kultur und internationale Völkerverständigung. Unter Fachleuten gilt die Wiesn als Vorbild für eine umweltschonend durchgeführte Megaveranstaltung. Ist dem so?

München (csr-news) – 6,9 Millionen Besucher, 7,5 Millionen Maß Bier, 500.000 Brathendl, ein Stromverbrauch von 2.950.000 Kilowattstunden und Wasserverbrauch von 100.000 Kubikmeter; aber auch Arbeitsplätze, gelebte Kultur und internationale Völkerverständigung. Unter Fachleuten gilt die Wiesn als Vorbild für eine umweltschonend durchgeführte Megaveranstaltung. Ist dem so?

Von Iris Pufé

„Das Oktoberfest ist in jeder Hinsicht spektakulär. Wenn man genau hinschaut, dann trifft das auch auf die Bereiche der Nachhaltigkeit zu“, sagt der Nachhaltigkeitsjournalist Maximilian Metzner, der im Auftrag eines privaten Fernsehsenders das Bayerische Rote Kreuz einen Tag lang auf dem Oktoberfest begleitet hat.

Um bei dem Beispiel Bayerisches Rotes Kreuz zu bleiben: 70 ehrenamtliche Helfer und vier Ärzte versorgen in 15-Stunden-Schichten meist ohne Pause betrunkene und verwundete Wiesn-Gäste. Ihr Lohn ist eine Aufwandsentschädigung von 20 Euro pro Tag – vor allem aber das Gefühl etwas Gutes zu tun und anderen zu helfen. „Ihr soziales Engagement ist bewundernswert. Die Selbstverständlichkeit und Einsatzbereitschaft, mit der die Ehrenamtlichen ihren Dienst verrichten, ist für mich Ausdruck gelebter sozialer Nachhaltigkeit“, so Metzner.

Ökonomisch betrachtet ist das Oktoberfest mit das stärkste Vehikel Bayerns: 1,7 Milliarden Euro bringt sie an Wertschöpfung für den Freistaat; Branchen wie Tourismus, Gastronomie, Textil und Verkehr profitieren immens von den zwei Wochen zelebriertem bayerischen Brauchtum – und tragen ihn stolz zur Schau. Die Lufthansa beispielsweise stattet ihre Stewardessen während der Wiesn mit Dirndln aus. Damit schafft das Megaevent Arbeit und Image. Ersteres lokal und temporär, letzteres global und dauerhaft, beides mit harten monetären Konsequenzen.

Welchen ökologischen Fußabdruck hinterlässt die Wiesn?

Und die Umwelt? Der ökologische Fußabdruck der Veranstaltung dürfte das brachiale Konsumverhalten der Besucher spiegeln; vorausgesetzt er würde berechnet. Denn auch wenn die Stadt die Müllentsorgung professionell und vorbildlich gestaltet, sind ein hoher CO2-Ausstoß sowie ein extremer Energie- und Wasserverbrauch der Preis für hemmungslosen Spaß.

Wie ließe sich der Fußabdruck berechnen? „Die Stadt München sollte den gesamten Ressourcenverbrauch in Zahlen packen. Das macht ihn händelbar“ sagt Christian Köbrich, Dozent für Betriebliche Umweltinformationssysteme und Ökobilanzierung am Centre for Sustainability Management der Leuphana Universität Lüneburg und Nachhaltigkeitsconsultant bei einem internationalen Engineering- und Beratungsunternehmen. Strom, Papier, Müll und Fleisch müssten beziffert werden – in Kilowatt, Kilogramm oder Dezibel. „Eine Kennzahl aber, die vor allem das ganze Thema Ernährung sehr gut erfasst, ist Biomasse, und das in Tonnen“, so Köbrich. Nebst weiteren klassischen Kennzahlen wie CO2-Emissionen in Tonnen oder Wasserverbrauch in Kubikmeter ließe sich so auch ehrenamtliche Tätigkeit erfassen, wenn man die geleisteten Arbeitsstunden zusammenzählt.

1,7 Milliarden Gesamtumsatz – aber keine nachhaltige

Der Fußabdruck ist der erste Schritt. Der zweite wäre die Wertschöpfung Richtung Nachhaltigkeit umzustellen, vom Einkauf bis zur Entsorgung. „Es wird wohl kaum etwas aus dem Milliardenumsatz in eine künftig nachhaltigere Infrastruktur reinvestiert“, sagt Maximilian Hilber, selbständiger Kommunikationsberater in München mit dem Schwerpunkt Issue Management. Wie viel bleibt denn tatsächlich bei der Stadt, wie viel in der Region? Und was davon fließt davon in die lokale Umwelt und Gemeinschaft zurück? Fragen bei denen sich die Stadt bedeckt hält, auch wenn sie bereits 1995 ein „Umweltkonzept für Großveranstaltungen“ erarbeitete. Demzufolge haben altbewährte wie neue Wiesnwirte, Schausteller und Händler die ökologische Verträglichkeit ihrer Angebote vorab mittels eines Öko-Punktesystems nachzuweisen.

Die Wiesn als globaler Botschafter

Die weltweite Strahlkraft der Wiesn wirft eine weitere Überlegung auf. Welche Werte vermittelt die Wiesn heutzutage, fördert sie eine verantwortungsbewusste Gesellschaft? Eignet sie sich vielleicht sogar als Vehikel, um das Thema Nachhaltigkeit bekannter zu machen? Kann sie helfen, Besucher für ökologische und gesellschaftliche Aus- und Nebenwirkungen von Massenveranstaltungen wie Konsum insgesamt zu sensibilisieren? Tradition, Egalität, Lebensfreude und weitgehend friedliches Miteinander auf der einen Seite; „Im Trachtenlook zwei Wochen die Sau rauslassen“, so das Fazit eines Stammgastes, auf der anderen Seite. Verantwortung und Verzicht haben da einen schwierigen Stand. Immerhin die Sichtbarkeit, die die Wiesn bietet, wäre für Gutes zu nutzen. „Symbolmaßnahmen können realen Folgenutzen haben“, meint Hilber. Windradflügel am Riesenrad, Photovoltaic-Panelen auf Festzeltdächer und Musikanten, die darauf hinweisen: „Unsere Soundanlage speist sich aus Sonnenenergie“.

Schluss mit lustig dürfte aber spätestens bei dem Appell sein „Esst weniger Fleisch“. Dienst ist Dienst und Bier ist Bier, heißt da die Losung. Damit erhält sich die Wiesn den Status, den sie schon immer hatte: Eine Ausnahmeerscheinung, bei der zwei Wochen gefeiert wird, was das Zeug hält. Müll, Energie, Ressourcen – wir leben heute, nicht morgen.

Im Internet: Der vorläufige Oktoberfest-Schlussbericht

Foto: Aus Riesenrad mach Windrad?!

Zur Autorin:

Dr. Iris Pufé, MBA, ist Politologin und Ökonomin, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaftlerin gleichermaßen. Sie wirkte an der Konzeption von Nachhaltigkeitsstudiengängen ebenso mit wie in der praktischen Lehre und kennt durch ihre Arbeit für Nichtregierungsorganisationen wie Unternehmen die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von Nachhaltigkeit. Ihr Forschungsschwerpunkt sind Themen rund um die Bereiche Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility.


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