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Vom Schokoladenproduzenten zum Kakaobauern

Das Familienunternehmen Ritter Sport produziert täglich rund 2,5 Millionen Tafeln Schokolade. Die sollen nicht nur den Konsumenten schmecken, sondern auch mit Rohstoffen aus nachhaltigem Anbau hergestellt werden. Jetzt steigt Ritter Sport selber in den Anbau von Kakao ein. Warum dass Sinn macht und wie es dazu kam, erläutert Thomas Seeger, Sprecher von Ritter Sport, im Gespräch mit CSR-NEWS.

Waldenbuch (csr-news) > Das Familienunternehmen Ritter Sport produziert täglich rund 2,5 Millionen Tafeln Schokolade. Die sollen nicht nur den Konsumenten schmecken, sondern auch mit Rohstoffen aus nachhaltigem Anbau hergestellt werden. Jetzt steigt Ritter Sport selber in den Anbau von Kakao ein. Warum dass Sinn macht und wie es dazu kam, erläutert Thomas Seeger, Sprecher von Ritter Sport, im Gespräch mit CSR NEWS.

Das Anbaugebiet heißt „El Cacao“ und liegt in der Region El Rama im mittelamerikanischen Nicaragua. Rund 2000 Hektar Land hat der Familienbetrieb Ritter Sport dort erworben und steigt nun selbst in den nachhaltigen Anbau von Kakao ein.

Als Schokoladenproduzent in den Kakaoanbau einsteigen ist für einen Mittelständler ein ungewöhnlicher Weg. Wie kam es dazu?

Zunächst, weil Ritter Sport schon immer andere Wege gegangen ist. Wir haben schon vor Jahrzehnten angefangen, Schokolade anderes zu verpacken und anders zu vermarkten. Heute ist das bunte Quadrat etabliert, als wir es entwickelten, war es ein völlig neuer Ansatz. Bezogen auf unsere Aktivitäten in Nicaragua, hat auch dies eine lange Geschichte. Wir sind seit 1990 im Land aktiv und haben seitdem verschiedene Ansätze des fairen und nachhaltigen Handels ausprobiert. Am Anfang stand das Prinzip des direkten Förderns mit allen damit verbundenen Schwierigkeiten wie beispielsweise Korruption oder manipulierten Zahlen. Im weiteren, so um die Jahrtausendwende, haben wir dann Public Private Partnership-Projekte zusammen mit der heutigen GIZ betrieben. Zunächst mit großem Erfolg, die Anzahl der zertifizierten Kleinbauern konnte deutlich gesteigert werden und es kamen weitere Genossenschaften dazu. Dieser Erfolg ist nach dem Ende des Projekts wieder etwas zurückgegangen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir aber schon 18 Jahre intensive Arbeit investiert, die daraus bezogene Menge an zertifiziertem Kakao war aber noch immer verschwindend gering. Wir haben uns dann für einen anderen Weg entschieden und anstelle der direkten Unterstützung, den Bauern einen deutlichen Aufschlag von bis zu 40 Prozent auf den Weltmarktpreis gezahlt. Außerdem konnten die Kooperativen unsere Beratungsangebote annehmen und die von uns errichteten Anlagen nutzen. Diesen Ansatz haben wir mittels Radiowerbung im ganzen Land bekannt gemacht – mit großem Erfolg. Durch die Vielzahl neuer Kooperativen konnten wir unsere Beschaffungsmengen um das Zehnfache steigern. Es zeigte sich allerdings, dass die Bauern vor Ort zwar ihre Anbauflächen besser und nachhaltiger bewirtschaften konnten, für die Erschließung weiterer brachliegender Flächen fehlte es ihnen aber an Know-how, Geld und Maschinen. Daraus entstand die Idee, selber in den Anbau einzusteigen und unbewirtschaftetes Gelände nutzbar zu machen. Wir sind auch bewusst im Land geblieben, weil wir uns da inzwischen auskennen und auch gut vernetzt sind.

Was bedeutet das Engagement für die bisherigen Handelspartner in der Region?

Die bisherige Zusammenarbeit mit den Kooperativen werden wir vollumfänglich weiter fortführen bzw. auch weiter ausbauen. Unser Projekt stellt insofern keine Konkurrenz für die Bauern dar. Wir fangen quasi bei null an und pflanzen im Moment andere Gewächse, die als Schattenspender dienen. Schrittweise werden dann auch die Kakaosetzlinge in die Erde gebracht. Ein langwieriges Unterfangen, schließlich kann man die Setzlinge nicht einfach kaufen. Wir benötigen rund eine Million Stück, die wir größtenteils selber ziehen müssen.

Baumschule El Cacao

Wie ist das Projekt innerhalb des Unternehmens verortet – mehr Hilfsprojekt oder integraler Bestandteil der Lieferkette?

Ganz klar, unsere eigene Plantage ist elementarer Bestandteil unserer Lieferkette, den Charakter eines Hilfsprojekts haben wir heute eigentlich bereits hinter uns gelassen. Inzwischen handeln wir nach dem Motto: zu 100% gutes Geld für die Bauern, d. h. die Marge des Zwischenhandels, auf den wir ja verzichten, kommt den Bauern zugute, im Gegenzug erwarten wir hervorragende Qualität. Mit unserer Plantage wollen wir ein gutes Drittel unseres Kakaomassenbezugs abdecken, zuzüglich der Lieferungen der Kooperativen. Klar prognostizieren lässt sich das im Moment zwar noch nicht, schließlich bedeutet der Einstieg in den landwirtschaftlichen Anbau auch den Einstieg in die landwirtschaftlichen Risiken, aber das Ziel ist klar definiert: 30 Prozent aus eigenem Anbau und mindestens zehn Prozent von den Kooperativen. Allerdings sind diese Ziele nur mittelfristig zu erreichen. Erste Ernten aus dem eigenen Anbau sind frühestens in drei bis vier Jahren zu erwarten. Zudem liegt der Anteil von den Kooperativen derzeit noch im einstelligen Prozentbereich. Bis wir unser Ziel vollständig erreicht haben, werden vermutlich rund zehn Jahre vergehen.

Welche anerkannten Zertifizierungen sind geplant?

Solange unsere Pflanzen noch keine Früchte tragen, können wir uns noch nicht zertifizieren lassen. Danach soll allerdings eine Zertifizierung nach UTZ oder nach Rainforest Alliance erfolgen. Darüber hinaus werden wir dieses Projekt möglichst transparent gestalten. Vor Ort werden wir Unterkünfte einrichten und laden interessierte Medien oder NGOs ein, sich selber ein Bild von der Anlage und dem gesamten Projekt zu machen. Außerdem sind die Löhne bekannt, unsere Gehälter selbst für einfachste Arbeiten liegen rund dreißig Prozent über dem gesetzlichen Mindestlohn. Wir gewähren mehr Urlaubstage als gesetzlich vorgeschrieben und fördern den Aufstieg zum Facharbeiter. Spätestens nach zwölf Monaten als ungelernte Kraft sollen die Mitarbeiter aufsteigen und dann auch in den Genuss höherer Löhne kommen. Darüber hinaus werden alle Beschäftigten kranken- und rentenversichert.

Sie sprechen die soziale Verantwortung an. Gerade im Kakaoanbau ist illegale Kinderarbeit, zwar vor allem im Westen Afrikas, sehr verbreitet. Wie gehen Sie damit um?

Zunächst wird auf unseren Plantagen niemand wohnen, um genau dieser Gefahr vorzubeugen, dass womöglich Kinder, anstatt in die Schule zu gehen in den Plantagen arbeiten. Kinderarbeit ist für uns absolut tabu. Auf der eigenen Plantagen lässt sich dies auch am besten sicherstellen. Deshalb bezahlen wir auch Löhne, mit denen die Menschen vor Ort ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

  Brachland zur Aufforstung

Das Projekt ist ja nun mit hohen Kosten und auch Risiken verbunden. Wie wirken die sich auf das Endprodukt aus? Wird das Schokoladenquadrat teurer?

Tatsächlich macht der Rohstoffeinkauf bei uns den Löwenanteil aus, vor allem auch, weil wir auf Qualität setzen. Dies gilt für alle unsere Zutaten und das lassen wir uns auch etwas kosten. Im Markt gehören wir zur etwas teureren Mittelklasse, die Verbraucher sind bislang bereit für das Plus an Qualität zu bezahlen. Dennoch haben wir für den Einkauf nachhaltig angebauten Kakaos rund 5 Millionen Euro zusätzliche Kosten pro Jahr, etwa zehn Prozent am finanziellen Gesamtvolumen des Kakaobezugs. Wir wollen diese Kosten jedoch nicht zusätzlich auf das Endprodukt aufschlagen, langfristig garantieren können wir dies natürlich nicht. Durch unser Anbauprojekt machen wir uns aber ein Stück weit unabhängig vom Welthandel und hoffen dadurch auf Dauer auch Kosten einzusparen.

Immer mehr große Konzerne aus der Lebensmittelindustrie verpflichten sich zum Ankauf von nachhaltig angebautem Kakao. Der Markt gibt diese Mengen aber noch gar nicht her. Wie verhält man sich als Mittelständler in diesem Umfeld?

Im Moment sind diese angestrebten Mengen zertifizierten Kakaos in der Tat nicht ansatzweise vorhanden. Darüber hinaus zeichnet sich eine Verknappung von Kakao insgesamt ab, unter anderem, weil die Plantagen an der Elfenbeinküste inzwischen sehr veraltet und wenig gepflegt sind. Auf der anderen Seite wächst weltweit der Schokoladenkonsum. Unser Projekt ist ein Weg, um mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. Wir sichern uns so einen Teil unseres Bedarfs und machen den Rohstoffeinkauf etwas kalkulierbarer vor allem unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit.

Nachhaltigkeit spielt in der Produktkommunikation von Ritter Sport kaum eine Rolle. Warum?

Das Thema ist schlicht zu komplex um es glaubwürdig auf eine prägnante Formel zu bringen. Zudem haben wir es jahrzehntelang eher schwäbisch gehandhabt und uns auf Maßnahmen konzentriert, aber nicht darüber geredet. Hinzu kommt, das öffentliche Interesse am Thema Nachhaltigkeit hat erst in den vergangenen 5-6 Jahren an Bedeutung gewonnen. Wir hatten aber zunächst noch andere Themen auf unserer Kommunikationsagenda. Beispielsweise mussten wir unsere Unabhängigkeit in den Fokus rücken. In der Breite war bis vor wenigen Jahren kaum bekannt, dass wir ein Familienunternehmen sind und nicht zu einem großen Konzern gehören oder das wir ausschließlich in Deutschland produzieren. Viele, auch Medienvertreter, haben uns für eine Konzernmarke gehalten.

  tragender Kakaobaum

Ritter Sport hatte in der Vergangenheit auch immer wieder mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Wie ist das Thema Nachhaltigkeit in einem solchen Umfeld verankert. Drückt man im Angesicht klammer Kassen auch mal ein Auge zu?

Nachhaltigkeit ist für uns eine extrem feste Größe. Über uns schwebt seit Jahren das Damoklesschwert einer Kartellamtsstrafe. Die könnte unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit deutlich beeinträchtigen. Vor diesem Hintergrund hätten wir dieses Projekt nicht starten dürfen, wenn Nachhaltigkeit für uns nur ein Lippenbekenntnis wäre. Außerdem gibt es von unserem Inhaber und Geschäftsführer Alfred Theodor Ritter ein klares Bekenntnis zur Nachhaltigkeit. Nach seiner Überzeugung hat die Menschheit überhaupt keine andere Möglichkeit als zeitnah auf nachhaltiges Handeln umzusteigen. Außerdem haben wir schon in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass sich Nachhaltigkeit rechnet. Ein Beispiel ist die Inbetriebnahme unseres Blockheizkraftwerks zur Jahrtausendwende. Damals noch belächelt, war es nur wenige Jahre später schon ein Vorzeigeprojekt und macht uns inzwischen unabhängiger von der Strompreisentwicklung. Ein ganz wichtiger Punkt ist aber unser familiärer Hintergrund. Wir haben nicht den Druck der Börse immer bessere Zahlen zu liefern. Unsere Eigentümer verzichten auch mal auf die Rendite für die langfristige Ausrichtung des Unternehmens.

Herr Seeger, vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Thomas Feldhaus.

Die Nachhaltigkeitsbroschüre von Ritter Sport zum Download.


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