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Unternehmenskooperationen: Täglich um Vertrauen werben

Die Kooperation zwischen C&A und terre des hommes besteht inzwischen seit 14 Jahren. Gemeinsam gegen Kinderarbeit in der indischen Textilindustrie aktiv zu werden war das Ziel der Zusammenarbeit, inzwischen sind viele weitere Projekte realisiert worden. Wie funktioniert eine solche Partnerschaft? Thorsten Rolfes, Leiter Unternehmenskommunikation bei C&A und Barbara Küppers, Leiterin des Referats Kinderrechte bei terre des hommes gewähren CSR-NEWS einen Einblick.

Düsseldorf/Osnabrück (csr-news) – Die Kooperation zwischen C&A und terre des hommes besteht inzwischen seit 14 Jahren. Gemeinsam gegen Kinderarbeit in der indischen Textilindustrie aktiv zu werden war das Ziel der Zusammenarbeit, inzwischen sind viele weitere Projekte realisiert worden. Wie funktioniert eine solche Partnerschaft? Thorsten Rolfes, Leiter Unternehmenskommunikation bei C&A, und Barbara Küppers, Leiterin des Referats Kinderrechte bei terre des hommes, gewähren CSR NEWS einen Einblick.

Im Juni 1999 traten C&A und terre des hommes gemeinsam vor die Presse, um ihre Zusammenarbeit gegen Kinderarbeit in den Textilfabriken Tirupurs zu verkünden. Zwei Jahre intensiver Vorarbeit waren nötig, um ein gemeinsames Projekt zu formulieren und alle Bedenken zu zerstreuen. Inzwischen sind 14 Jahre vergangen und die Zusammenarbeit wurde auf weitere Projekte, unter anderem gegen das Sumangali-System (Brautgeld für Frauen) und die daraus resultierenden sklavenähnlichen Bedingungen in den Spinnereien Süd-Indiens, ausgeweitet. Dabei ist die erfolgreiche Zusammenarbeit zweier völlig unterschiedlicher Organisationen nicht selbstverständlich und muss ständig weiterentwickelt werden.

Wie ist es zur Zusammenarbeit gekommen?

Küppers: Nach dem ersten Kennenlernen haben wir damals beide, entgegen unseren Erwartungen, festgestellt, dass wir eigentlich gut zusammenarbeiten könnten. Von dieser ersten Erkenntnis bis zum konkreten Handeln hat es aber noch zwei Jahre gedauert. Sowohl terre des hommes als auch C&A waren zu dieser Zeit, und sind es noch heute, im südindischen Tirupur tätig. Der gegenseitige Nutzen einer Kooperation war auch schnell deutlich, aber beide Parteien waren naturgemäß zunächst skeptisch. Wir mussten in unseren Organisationen erst intensiv um Vertrauen werben.

Rolfes: Es galt zunächst festzustellen, ob wir gemeinsame Ziele haben und ob diese ehrlich und authentisch sind. Unternehmen wird ja schnell Greenwashing vorgeworfen oder der Verdacht, sie wollen sich mit einer NGO vor Vorwürfen schützen. Wir konnten terre des hommes aber doch schnell davon überzeugen, dass der Schutz von Kindern in unserer Unternehmenspolitik fest verankert ist und auch für die Eigentümerfamilie von C&A ein wichtiges Anliegen darstellt. Das gemeinsame Ziel deckte sich aber auch mit unseren unternehmerischen Herausforderungen, schließlich lassen wir als Textilhersteller unsere Produkte in Ländern wie Indien und Bangladesh produzieren, sind also mit den Problemen konfrontiert. Es reichte uns allerdings nicht, Kinderarbeit aus den Fabriken zu verbannen, sondern wir wollten und mussten diesen Kindern auch eine Alternative bieten. An dieser Stelle hatten wir als Unternehmen aber nicht das notwendige Know how. Man kann also durchaus von zwei verschiedenen Kompetenzen sprechen. Wir konnten mit unseren geschäftlichen Möglichkeiten Druck auf die Fabrikanten ausüben, etwa durch einen Code of Conduct und unangemeldete Überprüfungen. Mit terre des hommes gab es aber nun jemanden, der wusste, was anschließend mit den Kindern passieren soll, wie man sie auffängt und ihnen eine Perspektive bietet.

Welche Faktoren waren für die Zusammenarbeit besonders wichtig?

Rolfes: Wichtig ist gegenseitiges Vertrauen. Das hört sich leicht an, aber Vertrauen aufbauen braucht Zeit. Dazu gehört auch Verlässlichkeit, also die Möglichkeit, die andere Seite jederzeit erreichen zu können, genauso wie der kontinuierliche Dialog über die gemeinsamen Themen. Diese Aspekte sind in unserer Zusammenarbeit gegeben und deshalb besteht die Kooperation auch schon seit 14 Jahren.

Küppers: Für uns war auch tatsächlich das gemeinsame Ziel ausschlaggebend für die Zusammenarbeit. Es entstanden Synergien, die uns vor Ort geholfen haben. Wir waren ja schon vorher in Tirupur tätig, hatten aber nie Zugang zu den Fabriken. Durch C&A war der Druck auf die Fabrikanten gegeben und wir konnten parallel die notwendige gesellschaftliche Aufklärung bei den Familien, in den Schulen und Behörden vorantreiben. Durch dieses Zusammenwirken wurden auch schnell Erfolge sichtbar, die Kinderarbeit in Tirupur ging deutlich zurück. Trotzdem haben wir bei diesem Thema auch eine klare Forderung: Die beteiligten Unternehmen müssen Verantwortung für die Beseitigung von Kinderarbeit oder anderer Missstände übernehmen. Deshalb liegt es nahe, dass sich Unternehmen finanziell an den Alternativprogrammen für die Betroffenen beteiligen. Insofern nehmen wir nicht nur dankbar einen Scheck entgegen, sondern wir halten diese Forderungen aufrecht und nehmen die Partner in die Pflicht, sie sollen in die Zukunft ehemaliger Kinderarbeiter investieren. Das Ziel ist allerdings nicht nur die Durchführung von Projekten, sondern die Beseitigung von Missständen. Das heißt, wir fordern zwar, kooperieren aber auch um dieses Ziel zu erreichen.

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Gab es Momente, in denen die Kooperation zu scheitern drohte?

Küppers: Für uns war mit dem Großbrand in der Textilfabrik Tazreen in Bangladesh im vergangenen Jahr ein kritischer  Punkt erreicht. Ich erinnere mich noch gut an diesen Tag. Mein erster Gedanke war: Das kann doch nicht wahr sein. Wir haben natürlich sofort einen besorgten Brief an C&A geschrieben und darin auch Forderungen gestellt. Auf diesen Brief haben wir eine sehr überzeugende Antwort erhalten. Für uns wurde dadurch deutlich, C&A verhält sich verantwortlich, unabhängig von Schuldfragen, die ja bis heute noch nicht geklärt sind. Diese Haltung hat uns dazu bewogen, an der Kooperation festzuhalten. Trotzdem sind wir auf solche Schwierigkeiten vorbereitet. Zum einen prüfen wir mögliche Partner sehr genau und zum anderen wollen wir unsere Unabhängigkeit erhalten. Deshalb bilden wir für Projekte, die durch Unternehmenskooperationen finanziert sind, regelmäßig Rückstellungen. So sind wir im Falle einer Trennung gerüstet und können die Projekte trotzdem weiterführen. Grundsätzlich kann eine solche Situation natürlich auch auf Seiten von C&A entstehen, schließlich sind auch Spendenorganisationen nicht vor Skandalen geschützt. Deshalb ist dieses gegenseitige Vertrauen enorm wichtig, genauso wie die von uns und C&A gepflegte offene und transparente Kommunikation.

Rolfes: Wir wurden ebenfalls von diesem Vorfall überrascht und waren geschockt, mussten aber schnell reagieren, weil sofort auch der Name C&A in diesem Zusammenhang genannt wurde. Tatsächlich wurden Produkte aus unserem Haus dort produziert, dies haben wir auch schon nach wenigen Stunden gegenüber der Presse bestätigt, haben dabei auch konkrete Produktionsmengen genannt. Wir standen also sofort unter medialem und öffentlichem Druck. Deshalb war für uns klar, dass wir offen und transparent informieren müssen, und zwar nicht nur gegenüber der Presse, sondern auch gegenüber terre des hommes. Aber wir haben nicht nur informiert, sondern es war klar, dass wir auch Verantwortung übernehmen wollen. Ein für uns wertvoller Rat kam dann von terre des hommes. Wir sollten nicht nur eine Einmalzahlung als Entschädigung leisten, sondern langfristiger denken, insbesondere im Hinblick auf die Kinder in den betroffenen Familien. Wir haben dann zusammen mit der C&A Foundation ein Entschädigungskonzept umgesetzt, dass auf drei Säulen fußt. Neben einer Einmalzahlung von 1.200 US-Dollar für alle hinterbliebenen Familien zahlen wir für jedes betroffene Kind monatlich 50 US-Dollar, die teilweise sofort ausgezahlt werden und teilweise auf ein Konto fließen, über das die Kinder ab dem 18. Lebensjahr frei verfügen können. Dies wurde in der Öffentlichkeit allerdings nicht immer goutiert. Uns war aber dieses langfristige Engagement sehr wichtig. Darüber hinaus kümmern wir uns auch um die zahlreichen Verletzten. Bis heute haben wir alle medizinischen Kosten übernommen – und machen dies auch weiterhin – sowie den Verdienstausfall erstattet.

Küppers: Dazu muss man sagen, dass wir selber in Bangladesch nicht aktiv sind. Wir haben C&A dennoch Vorschläge und Forderungen unterbreitet, die aus unserer Sicht entwicklungspolitisch sinnvoll sind. Unser Fokus liegt dabei auf den Kindern und darauf, ihre Ausbildung sicherzustellen.

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Wie konnten Sie Vorbehalte in den eigenen Reihen ausräumen?

Küppers: Auch an dieser Stelle ist erstmal die gemeinsame Zielsetzung entscheidend. Dennoch werden Unternehmenskooperationen von manchen unserer Mitgliedern sehr kritisch betrachtet. Überzeugen können wir vor allem durch Transparenz und die Erfolge, also beispielsweise die sichtbare Reduzierung von Kinderarbeit. Die Unternehmenskooperationen sind allerdings ein ständiges Diskussionsthema, unsere Mitglieder müssen über die neuesten Entwicklungen stets informiert werden. Dieser Prozess ist allerdings sehr wichtig, damit wir unsere Wachsamkeit behalten.

Rolfes: Aus unserer Sicht spielt die Zeitachse eine wichtige Rolle. Als wir mit unserer Kooperation gestartet sind, wurde in weiten Teilen der Wirtschaft noch völlig anders gedacht als heute. Die Zusammenarbeit mit einer NGO wurde sehr kritisch betrachtet. In der internen Diskussion wurden vor allem die Risiken einer solchen Kooperation betont, die Angst davor, von einer NGO getrieben zu werden. Im Verlauf der Zeit fand allerdings ein Umdenken statt. Immer öfter wurden die Chancen gesehen und die Möglichkeiten, voneinander zu lernen. Glücklicherweise hat sich diese Betrachtungsweise langfristig durchgesetzt. Heute sehen wir immer öfter die Zusammenarbeit von NGOs mit der Wirtschaft, aber auch von konkurrierenden Unternehmen, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Es ist die Überzeugung gewachsen, dass sich viele Probleme nur gemeinsam lösen lassen.

Welche Faktoren machen den Erfolg einer guten Zusammenarbeit aus?

Küppers: Die Aufgabe von NGOs ist es natürlich, Unternehmenspolitik kritisch zu hinterfragen. Allerdings müssen sich NGOs, die Unternehmenskooperationen eingehen, klar entscheiden. Auf der einen Seite Kampagnen gegen Unternehmen starten und auf der anderen Seite mit den gleichen Unternehmen kooperieren, geht nicht. Natürlich gibt es einen kritischen Dialog, wir stellen auch klare Forderungen und wir erwarten entsprechende Reaktionen. Würden diese ausbleiben, dann würden wir auch die „Gangart“ wechseln. Diesbezüglich funktioniert unsere Kooperation mit C&A sehr gut, unter anderem weil es auch ein persönliches Vertrauensverhältnis der beteiligten Personen gibt. Wir können offen miteinander reden und Probleme klar ansprechen. Diese Klarheit ist wichtig, um auf Kritik reagieren zu können, die es natürlich auch gibt.

Rolfes: Für uns war auch immer wichtig, dass die Kooperation sehr lösungsorientiert arbeitet, und zwar lösungsorientiert im Sinne der betroffenen Menschen. Also langfristige Erfolge erreichen, auch wenn diese manchmal klein sind. Mir persönlich ist auch immer die glaubwürdige Unterstützung durch die Eigentümerfamilie wichtig gewesen. Ein klares Bekenntnis zur Veränderung trotz aller unternehmerischen Zwänge.

Welche Reaktionen bekommen Sie?

Küppers: Wir bekommen Feedback durch die regelmäßigen Diskussionen mit unseren Mitgliedern. Auch wenn diese kritisch verlaufen, so hat die Mehrheit immer für die Fortführung der Kooperation gestimmt. Kooperationen  sind immer ein Vabanquespiel. Schnell kommt der Vorwurf des Greenwashing auf, den wir auf jeden Fall vermeiden wollen. Auf der anderen Seite wollen wir Unternehmen natürlich auch keinen Freibrief ausstellen. In der Summe bekommen wir aber positive Reaktionen, sowohl von Mitgliedern und Spendern als auch von anderen Unternehmen. Insofern hat uns diese Kooperation auch so manche Tür geöffnet.

Rolfes: Direkte Rückmeldungen von Kunden bekommen wir eher selten. Von den Mitarbeitern wird die Zusammenarbeit aber sehr positiv bewertet. Das ist sehr erfreulich, weil es auch ein wichtiger Beitrag für die Unternehmenskultur ist. Auf der anderen Seite werden unsere Bestrebungen, Missstände zu beseitigen, durch die Kooperation auch sehr glaubwürdig. Nicht wir sagen, was richtig ist, sondern wir setzen hier ganz stark auf die Kompetenz von terre des hommes.

Küppers: Für mich wird der Erfolg der Kooperation auch durch das Engagement der C&A-Beschäftigten deutlich. Die Mitarbeiter interessieren sich, fragen nach und bringen auch persönliches Engagement ein. Wenn eine Zusammenarbeit so aufgenommen wird, dann funktioniert sie und dann trägt sie auch zur Mitarbeitermotivation bei.

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Wie sieht die gemeinsame Zukunft aus?

Küppers: Unser weiterhin wichtigstes Projekt ist Sumangali, da ist noch gar nichts gelöst. Meine Hoffnung ist aber, dass wir erstmal keine neuen Projekte beginnen müssen, weil Kinderarbeit zunehmend geächtet wird. Außerdem haben wir in Indien zwar viel erreicht, aber es bleibt noch sehr viel zu tun. Beispielsweise gibt es in Indien kein Berufsschulsystem, der Bedarf nach Berufsausbildung, gerade in der Textilindustrie, ist aber gigantisch. Veränderungen brauchen einfach viel Zeit, deshalb wird die Arbeit fortgeführt.

Rolfes: Für uns ist ebenfalls die Kontinuität der Arbeit ein weiterhin wichtiges Ziel. Das betrifft sowohl bislang nicht gelöste Probleme wie Sumangali, aber auch die Fortführung des Projekts gegen Kinderarbeit. Beständigkeit ist für uns also mindestens genauso wichtig, wie neue Projekte anzugehen, auch wenn uns neue Pläne mehr Aufmerksamkeit bescheren würden. Insofern gilt es die erfolgreiche Zusammenarbeit, den gegenseitigen Respekt, das Vertrauen und den offenen Dialog fortzuführen.

Die Gesprächspartner:

Thorsten Rolfes, Leiter Unternehmenskommunikation bei C&A

Thorsten Rolfes, Leiter Unternehmenskommunikation bei C&A

Barbara Küppers, Leiterin des Referats Kinderrechte bei terre des hommes

Barbara Küppers, Leiterin des Referats Kinderrechte bei terre des hommes

 

 

Ein paar Fakten zur Erfolgsbilanz in Tirupur:

  • pro Jahr verlassen rund 120 Jungen und Mädchen (jeweils zur Hälfte) das Schulprojekt in Tirupur mit einem Berufsabschluss in den Berufen: Schneidern, Computergestütztes Zuschneiden, Klempner, Elektriker
  • etwa 85 Prozent der Absolventen haben unmittelbar nach der Ausbildung einen besser bezahlten Arbeitsplatz oder machen sich selbstständig
  • etwa fünf Prozent besuchen mit Hilfe von Stipendien weiterführende Schulen
  • etwa 10 Prozent der Absolventen sind nicht direkt in Jobs (meistens Mädchen, die verheiratet werden) oder sie sind nicht mehr auffindbar weil sie mit ihren Familien wegwandern.

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