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Gesellschaftliche Unternehmensverantwortung: Das plant die Bundesregierung

Am Montag haben die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD den Koalitionsvertrag bindend unterzeichnet. „Für uns ist die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung grundlegendes Ziel und Maßstab des Regierungshandelns“, heißt es in der Vereinbarung. Abgesehen von der geschrumpften Bedeutung des Klimaschutzes finden sich darin weitreichende Ziele für eine unternehmerische Nachhaltigkeit.

Berlin (csr-news) – Am Montag haben die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD den Koalitionsvertrag bindend unterzeichnet. „Für uns ist die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung grundlegendes Ziel und Maßstab des Regierungshandelns“, heißt es in der Vereinbarung. Abgesehen von der geschrumpften Bedeutung des Klimaschutzes finden sich darin weitreichende Ziele für eine unternehmerische Nachhaltigkeit.

Am Ende wird es auf die Umsetzung ankommen: In Industriepolitik und Bildung, in der internationalen politischen Rahmensetzung und der öffentlichen Beschaffung soll nachhaltiges Wirtschaften zählen. Manche Vereinbarung knüpft geht dabei über bisherige Ziele oder Programme kaum hinaus.

Nachhaltige Industrie 4.0

Die neue Regierung will die Digitalisierung der klassischen Industrie – Stichwort Industrie 4.0 – vorantreiben und um intelligente Dienstleistungen („Smart Services“) erweitern sowie Green IT stärken. Schwerpunkte sollen in den Bereichen intelligente Mobilität, Smart Grid, E-Health und Sicherheit gesetzt werden. Das soll durch Spitzencluster und Verbundprojekte und unter Berücksichtigung ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeitsfaktoren geschehen.

Ressourceneffizienz bildet einen wiederkehrenden Begriff im Koalitionsvertrag. Um eine Verdopplung der Rohstoffproduktivität bis 2020 gegenüber 1994 zu erreichen, sollen das bereits 2012 beschlossene Deutsche Ressourceneffizienzprogramm weiterentwickelt und eine Plattform für Ressourceneffizienz etabliert werden. Zudem sollen Forschungserkenntnissen aus zu Ressourceneffizienz und Recycling verstärkt kleinen und mittleren Unternehmen zugutekommen.

Kreislaufwirtschaft stärken

„Wir entwickeln die Kreislaufwirtschaft zu einem effizienten Instrument einer nachhaltigen Stoffstromwirtschaft“, heißt es in dem Vertrag. Dazu sollen rechtliche Grundlagen zur Einführung einer gemeinsamen haushaltsnahen Wertstofferfassung geschaffen werden, beispielsweise für Verpackungen. Eckpunkte einer modernen Kreislaufwirtschaft seien anspruchsvolle Recyclingquoten, Wettbewerb und Produktverantwortung. Die Regierungsparteien kündigen an: „Die Europäische Elektroaltgeräterichtlinie wird zügig in nationales Recht umgesetzt, Sammelmengen von Elektro- und Elektronikschrott erhöht, Rücknahmesysteme für wieder verwendbare Produkte ausgebaut und die Rückgabe von Gebrauchtgeräten erleichtert.“ Und damit Deutschland seinen Elektroschrott nicht im Ausland entsorgt, wird bei der Ausfuhr die Beweislast umgekehrt: Alt-Elektronik-Exporteure sollen künftig nachweisen müssen, dass sie keine Abfälle entsorgen.

Weltweit Arbeitsbedingungen verbessern

Die Ankündigung „Wir wollen die Arbeitsbedingungen in den Entwicklungsländern verbessern“ darf wohl als eine Antwort auf die Tragödien in der Textilindustrie von Bangladesch verstanden werden. Die Bundesregierung will sich für international anerkannte menschenrechtliche, ökologische und soziale Mindeststandards (wie die ILO-Kernarbeitsnormen) und deren Aufnahme in allen Handelsabkommen der EU einsetzen.

Zudem will sich die neue Regierung für „die Weiterentwicklung der Millenniumsziele zu universellen Entwicklungs- und Nachhaltigkeitszielen“ – also für die Zusammenführung von Millennium Development Goals (MDGs) und Sustainable Development Goals (SDGs) stark machen.

Klimaschutz droht Prioritätsverlust

„National wollen wir die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand 1990 reduzieren“, vereinbaren die Koalitionspartner und setzen damit die bisherige Linie fort. Das zuvor ebenfalls ausgegebene Reduktionsziel von 55 Prozent bis 2030 findet sich in der Vereinbarung allerdings nicht. Auch sonst hat die öffentliche Diskussion erregt, was die Koalitionäre nicht planen – zum Beispiel kein Klimaschutzgesetz. Dessen Notwendigkeit war unter den zukünftigen Regierungsparteien lange strittig, letztlich haben sie sich dagegen entschieden.

Hoffnungen auf eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende machen sich an der Anbindung des Themas im Wirtschaftsministerium und an einer Personalie fest: An der Berufung des Grünen-Politikers und Leiters der Berliner Denkfabrik Agora Energiewende, Rainer Baake, zum dafür zuständigen Staatssekretär.

„Die Senkung des Energieverbrauchs durch mehr Energieeffizienz muss als zentraler Bestandteil der Energiewende mehr Gewicht erhalten“, heißt es weiter. Ziele und Instrumente dazu will die Koalition in einem Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz zusammenfassen. Nur: Es gibt bereits zwei solcher Aktionspläne, denkbar wäre also lediglich eine weitere Neuauflage.

Energetisches Bauen und bezahlbarer Wohnraum

Von der Eingliederung der Bereiche Bau und Stadtentwicklung in das Umweltministerium dürfen neue Impulse erwartet werden. „Dem weiter wachsenden Wohnungsbedarf in den Ballungszentren und vielen Groß- und Hochschulstädten, dem notwendigen energetischen Umbau sowie den demografischen und sozialen Herausforderungen muss entsprochen werden“, sind die Regierungspartner überzeugt. Dazu wollen sie auf den „wohnungspolitischen Dreiklang aus einer Stärkung der Investitionstätigkeit, einer Wiederbelebung des Sozialen Wohnungsbaus und einer ausgewogenen mietrechtlichen und sozialpolitischen Flankierung“ setzen. Dazu soll es ein Aktionsprogramm zur Belebung des Wohnungsbaus und der energetischen Gebäudesanierung geben, das Ländern, Kommunen und alle relevanten gesellschaftlichen Akteuren beteiligt. Im Umweltministerium ist der Landesvorsitzende der Bayern-SPD, Florian Pronold, als Parlamentarischer Staatssekretär für die Bereiche Bau und Stadtentwicklung verantwortlich. „Ich freue mich sehr darauf, die Verhandlungsergebnisse des Koalitionsvertrages zum guten und bezahlbaren Wohnen sowie zur Stadt- und Regionalentwicklung in die Tat umzusetzen“, schreibt Pronold auf seiner Website.

Tier- und Naturschutz weiterentwickeln

Die neue Bundesregierung will das Nationale Naturerbe durch ehemalige militärische Übungsplätze um mindestens 30.000 ha erweitern. Das knüpft an die Vorgeschichte der schwarz-roten Koalition an: Bereits 2005 vereinbarten CDU/CSU und SPD, Naturschutzflächen des Bundes in einer Größenordnung von bis zu 125.000 Hektar unentgeltlich an die Länder, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) oder Naturschutzorganisationen zu übertragen. Für eine Tranche von 98.000 ha ist das bisher Wirklichkeit geworden, das neue Ziel von plus 30.000 ha geht kaum über die fehlenden Flächen aus der früheren Vereinbarung hinaus. Eine Umsetzung dieser zweiten Vereinbarung wäre allerdings ein Erfolg.

Fortgeführt werden soll das Bundesförderprogramm Biologische Vielfalt. Manchen Zirkus dürfte interessieren, dass die private Haltung von exotischen und Wildtieren bundeseinheitlich geregelt werden soll – Tierschutzorganisationen kämpfen bisher vergeblich für deren Verbot. Nach dem Willen der deutschen Politiker sollen Importe von Wildfängen in die EU grundsätzlich untersagt werden.

Mehr Tierwohl in der Landwirtschaft

„Wir wollen die Agrarforschung besser verzahnen und in den Bereichen Tierwohl, nachhaltige Pflanzenschutzverfahren, Eiweißstrategie und klimaschonende Landwirtschaft stärken“, vereinbaren die Koalitionspartner. Dazu soll das Themenspektrum der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR) um den Bereich Nachhaltigkeit erweitert werden – was ausweislich der Website allerdings jetzt bereits zu den wesentlichen Tätigkeitsfeldern der FNR zählt. „Unser Ziel ist eine multifunktional ausgerichtete, bäuerlich unternehmerische Landwirtschaft, die ressourcen- und umweltschonend produziert, die Tierwohl, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit miteinander verbindet“, heißt es im Vertrag. Die Regierungsparteien reagieren auf die kritischen öffentlichen Diskussionen zur Massentierhaltung: Sie wollen eine nationale Tierwohl-Offensive entwickeln, gesetzliche Regeln zur Verringerung des Antibiotika-Einsatzes unbürokratisch und praxisnah umsetzen und ein bundeseinheitliches Prüf- und Zulassungsverfahren für Tierhaltungssysteme schaffen.

Transparenter Markt mit fairen Produkten

„Verbraucherpolitik hat auch das Ziel, das Vertrauen zwischen Wirtschaft und Verbrauchern zu stärken“, schreiben die Koalitionspartner. Ihr Ziel sei „ein verbraucherfreundlicher, transparenter Markt, auf dem sichere und gute Produkte unter fairen und nachhaltigen Bedingungen hergestellt und angeboten werden.“ Dazu müssten Ungleichgewichte im Markt durch Transparenz, Vergleichbarkeit und eine effektive Durchsetzung von Verbraucherrechten beseitigt werden. Die bestehenden Verbraucherorganisationen sollen mit einer speziellen Marktwächterfunktion „Finanzmarkt“ und „digitale Welt“ beauftragt und die Stiftung Datenschutz in die Stiftung Warentest integriert werden. Für Impulse in Sachen Verbraucherschutz dürfte auch die Berufung von Gerd Billen, dem Vorsitzenden der Verbraucherzentrale Bundesverband, als für dieses Thema zuständiger Staatssekretär im Justizministerium sorgen.

Nachhaltigkeitshebel Subventionen und Beschaffung

Angesichts eines jährlichen Subventionsvolumens von knapp 22 Milliarden Euro lässt folgende Absichtserklärung aufhorchen: „Im Subventionsbericht der Bundesregierung wird stärker überprüft, ob die Maßnahmen nachhaltig sind.“ Als Subventionsziel ist Nachhaltigkeit bereit in vielen Förderbereichen festgeschrieben – etwa in der Landwirtschaft und im Verkehr -, in der Kontrolle sehen die Koalitionspartner offensichtlich noch Optimierungspotential. Ein weiterer wichtiger Hebel ist die öffentliche Beschaffung. Hier soll bei der Beschaffung von Informationstechnologie Nachhaltigkeit als mitentscheidendes Kriterium bedacht werden – freilich wäre dieses Kriterium für alle Beschaffungsbereiche wichtig.

Stärkere Position im Parlament – bessere Koordination

„Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung wird erneut eingesetzt und in seiner Funktion gestärkt“, heißt es im Regierungsprogramm. Bereits im März hatte der bisherige Kanzleramtsminister Roland Pofalla (CDU) gefordert, diesen Beirat auf die Ebene eines Ausschusses zu heben, damit er etwa Anträge zur Tagesordnung stellen kann. Auch einer weiteren Absicht der Koalitionäre kann man nur Erfolg wünschen: „Die ressortübergreifende Koordinierung wird ausgebaut.“ In der vergangenen Legislaturperiode arbeiteten Arbeits-, Umwelt-, Finanz- und Familienministerium in Sachen gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung und CSR weitgehend unkoordiniert nebeneinander her.

Bild (von links): Die Parteichefs Sigmar Gabriel (SPD), Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) mit dem Koalitionsvertrag

Der Koalitionsvertrag >> als PDF zum Download


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