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Projekt nordwest2050 – Klimawandel bedeutet Risiken und Chancen

Wie verwundbar kann eine Region durch den Klimawandel sein und was ist dagegen zu tun? In den vergangenen fünf Jahren haben Akteure aus Wissenschaft und Praxis nach Antworten und Lösungen gesucht. Die Ergebnisse des mit zehn Millionen Euro geförderten Projekts nordwest2050 wurden Ende Februar auf einer Abschlusskonferenz präsentiert. Dabei wurde deutlich, der Klimawandel bedeutet nicht nur Risiken, sondern auch Chancen.

Bremen/Oldenburg (csr-news) > Wie verwundbar kann eine Region durch den Klimawandel sein und was ist dagegen zu tun? In den vergangenen fünf Jahren haben Akteure aus Wissenschaft und Praxis nach Antworten und Lösungen gesucht. Die Ergebnisse des mit zehn Millionen Euro geförderten Projekts nordwest2050 wurden Ende Februar auf einer Abschlusskonferenz präsentiert. Dabei wurde deutlich, der Klimawandel bedeutet nicht nur Risiken, sondern auch Chancen.

Der Klimawandel wird das Leben und Arbeiten besonders in küstennahen Regionen verändern. Es wird zu Einschränkungen im Verkehr kommen, Liefer- und Produktionsketten werden unterbrochen, Überschwemmungen zerstören Häuser und Industrieanlagen und es wird zu Missernten kommen. Die Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten Deutschlands wird davon durch weiter zunehmende Extremwetterereignisse unmittelbar betroffen sein. Es besteht also ein begründetes Interesse mögliche Auswirkungen zu kennen, um mit geeigneten Maßnahmen rechtzeitig reagieren zu können. Ziel des Projekts nordwest2050 war es deshalb, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und entstehende Chancen für innovative Produkte, Verfahren und Dienstleistungen im Rahmen von Klimaanpassungsmaßnahmen zu nutzen.

„Die Anpassung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft an den Klimawandel kann nur erfolgreich sein, wenn auf einer breiten Beteiligungsbasis gemeinsame Strategien entwickelt und diese mit vereinten Kräften umgesetzt werden“, erklärt Prof. Arnim von Gleich, Dekan des Fachbereiches Produktionstechnik an der Universität Bremen und wissenschaftlicher Leiter von nordwest2050. Dabei bildete das Leitkonzept der Resilienz die wissenschaftliche Klammer. „Es geht um die Entwicklung von Lösungen, die sowohl mit den bekannten Störungen fertig werden, als auch in der Lage sind, auf Überraschungen adäquat reagieren zu können“, stellt von Gleich die Besonderheit des Forschungsverbundes heraus, mit unsicheren Entwicklungen der Zukunft umzugehen. Wie verwundbar eine Region durch den Klimawandel ist, hängt zum einen davon ab, wie stark die möglichen Auswirkungen durch den Klimawandel sind. Hierfür wurden regionale Klimaszenarien für die beiden Referenzperioden 2036–2065 und 2071–2100 erstellt. „Auf Basis der ‚nordwest2050‘-Klimaszenarien wird deutlich, dass die Sommer trockener und wärmer und die Winter feuchter und wärmer werden. Starkregenereignisse, Hitzeextreme und Sturmtage treten häufiger auf und der mittlere Meeresspiegel sowie das Tidehochwasser steigen an und führen zu höheren Sturmflutwasserständen“, erörtert Bastian Schuchardt von BioConsult, der gemeinsam mit seinem Team die Klimaszenarien erstellt hat.

Zum anderen ist von Bedeutung, ob die Gesellschaft in der Lage ist, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Beides ist im Rahmen der Verwundbarkeitsanalyse für die Bereiche Energie-, Ernährungs- und Landwirtschaft, Hafenwirtschaft/Logistik sowie für weitere Handlungsfelder wie Küsten-, Hochwasser- oder Naturschutz, aber auch im Bereich Politik/Verwaltung untersucht worden. Die Ergebnisse zeigen, welche Handlungsfelder gefährdet sind und wo es Anpassungsbedarfe gibt. „Generell sind die Klimawirkungen in der Metropolregion voraussichtlich mittelfristig, also circa bis 2050, beherrschbar, wenn die Notwendigkeit zur Klimaanpassung rechtzeitig ernst genommen wird“, berichtet Prof. Bernd Siebenhüner, Vizepräsident der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und ebenfalls wissenschaftlicher Leiter von nordwest2050. Dabei werde jedoch der Druck auf die begrenzte Fläche zusätzlich durch die notwendige Anpassung an den Klimawandel zunehmen, sodass Flächennutzungskonflikte zukünftig vermehrt auftreten würden. Besonders verwundbar seien zudem der Küsten- sowie Naturschutz, und in der Hafenwirtschaft wiesen vor allem die kritischen Verkehrsinfrastrukturen, wie Straßen, Eisenbahnen und Wasserstraßen, eine mittlere bis hohe Verwundbarkeit auf. In der Energiewirtschaft sei die Biomasseerzeugung für die energetische Nutzung bei steigendem Anteil der Erneuerbaren Energien kritisch. Die Wertschöpfungsketten in der Ernährungswirtschaft seien hingegen gering bis mittel verwundbar und im Bereich Politik/Verwaltung ist vor allem die Abstimmung unterschiedlicher Institutionen und Sektoren untereinander verbesserungswürdig. Zudem müssten die Kommunen und die Bevölkerung direkter einbezogen werden.

Um zu verdeutlichen, dass mit dem Klimawandel nicht nur Risiken, sondern auch Chancen einhergehen, wurden gemeinsam mit Praxispartnern wie u.a. bremenports, EWE/swb, GVZ, Biolandhof Freese, DEHOGA Weser-Ems oder dem Centers of Competence noch während der Projektlaufzeit insgesamt 15 konkrete Innovationsprojekte zum Umgang mit dem Klimawandel umgesetzt. Diese reichen von der geothermalen Kühlung eines Rechenzentrums, der Biogaserzeugung nach dem Vorbild eines Kuhmagens, über strategische Klimaanpassung in der Gastronomie, Fischindustrie und im Fleischhandwerk bis hin zur Entwicklung klimaangepasster Kühlungssysteme in der Putenzucht und Sauenhaltung. In den zehn Handlungsfeldern Tourismus und Nachhaltigkeit, Küstenschutz, Naturraum, Raumplanung, Gesundheit und Demografie, Energiewirtschaft, Ernährungswirtschaft, Hafenwirtschaft und Logistik, Governance sowie Geschlechtergerechtigkeit wurden zudem zusammen mit regionalen Akteuren aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft Strategien und Maßnahmen erarbeitet. In zehn sektoralen Roadmaps werden mögliche Wege aufgezeigt, wie eine klimaangepasste und resiliente Metropolregion Bremen-Oldenburg erreicht werden kann. Ergänzt wurde die regionale Sicht durch einen intensiven Austausch mit der Partnerregion Maryland und Durban sowie weiteren Gebieten in Südafrika.

Weiterhin wurde zum Thema Klimawandel eine Paneluntersuchung in den Jahren 2010 und 2012 aus insgesamt 4.000 Unternehmen im Nordwesten durchgeführt. Die Ergebnisse belegen, dass die wirtschaftliche Bedeutung des Klimawandels wächst. „Der Einschätzung, dass Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels notwendig sind, stimmten 2010 und 2012 fast 90 Prozent der befragten Unternehmen zu“, erläutert Prof. Klaus Fichter von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. So rechne rund ein Drittel der Unternehmen mit Ausfällen bei der Warenauslieferung aufgrund von Witterungsverhältnissen, Ausfällen der EDV oder mangelnder Zulieferung. „Markant ist zudem, dass in der letzten Befragung 67 Prozent angeben, dass sie keine Informationsquelle kennen, der sie in Sachen Klimawandel vertrauen“, berichtet Fichter weiter. „Dieses Ergebnis ist mit Kammern, Branchenverbänden und anderen unternehmensnahen Einrichtungen ebenso zu diskutieren, wie mit den für Klimaanpassungsstrategien zuständigen Behörden.“ Einen Beitrag zur Informationsversorgung wird das vom Bundesumweltministerium, dem Verein Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten und der Stadt Oldenburg geförderte “Netzwerk Innovation und Gründung im Klimawandel“ (NIK) leisten können. Bremens Umweltsenator Dr. Joachim Lohse, Mitglied im Projektbegleitkreis von nordwest2050, unterstreicht die ökonomischen Chancen, die das Forschungsprojekt erschlossen hat: „Die vom Projekt nordwest2050 bearbeiteten Themen werden für die Region und darüber hinaus noch wichtiger werden.“ Gleichzeitig macht er darauf aufmerksam, dass die Vermeidung von CO2-Emissionen Vorrang behält: „Wir müssen die Anstrengungen zum Klimaschutz deutlich verstärken, damit Klimaanpassung überhaupt machbar und bezahlbar wird.“

Um Unternehmen für eine Auseinandersetzung mit dem Thema Klimaanpassung zu motivieren, ist der mit insgesamt 30.000 Euro dotierte nordwest2050-Wettbewerb „Fit für den Klimawandel“ durchgeführt worden. Bereits zweimal ist in den beiden Kategorien ‚Projekt‘ und ‚Idee‘ nach den besten Lösungen gesucht worden, um die zukünftigen klimawandel- und energiewendebedingten Herausforderungen bewältigen zu können. Ausgezeichnet wurden die Projekte Solarstromerzeugung an vertikalen Gebäudewänden, Lagerkühlung durch selbst erzeugtes Eis und vegane Bio-Spezialitäten vom Metzger. „Es seien oft die kleinen Ideen und Innovationen, die die Bandbreite möglicher Anpassungsmaßnahmen aufzeigten“, so das Urteil der Jury. Solche Projekte würden dazu beitragen die Wettbewerbsfähigkeit der Region zu sichern.

Auch wenn das transdisziplinäre Forschungsprojekt ‚nordwest2050‘ am 31. März 2014 endet, bleibt das Thema Klimaanpassung in der Region eine Daueraufgabe. So wurde in dem neuen Handlungsrahmen der Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten für die Jahre 2014-2017 hierzu ein eigenes Kapitel formuliert. Mit der Einrichtung einer „Interkommunalen Koordinierungsstelle Klimaanpassung“ wurde in der Geschäftsstelle der Metropolregion eine Anlaufstelle eingerichtet, die kommunale Leuchtturmprojekte mit Pilotcharakter für die kommenden drei Jahre initiieren möchte. Darüber hinaus hat das Team von nordwest2050 zusammen mit weiteren Akteuren aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft einen Klimapakt verabschiedet, der in sechs Leitlinien die Notwendigkeit beschreibt, Klimaanpassung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe in die jeweiligen Gestaltungsspielräume der unterzeichnenden Institutionen zu integrieren.

 


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