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Natur als Grundlage der Wirtschaft

Bis zu 440 Milliarden US-Dollar müssten jährlich aufgewendet werden um die Lebensräume bestehender Arten und Pflanzen zu erhalten, wurde auf der Konferenz der Biodiversitätskonvention (CBD) im Oktober 2012 veranschlagt. Tatsächlich lässt sich die Weltgemeinschaft die Biodiversität nur rund 52 Milliarden US-Dollar pro Jahr kosten. Zu wenig um dem Verlust entgegenzuwirken. Eine Lösung sind sogenannte Naturkapitalmärkte.

Berlin/Bonn (csr-news) > Bis zu 440 Milliarden US-Dollar müssten jährlich aufgewendet werden um die Lebensräume bestehender Arten und Pflanzen zu erhalten, wurde auf der Konferenz der Biodiversitätskonvention (CBD) im Oktober 2012 veranschlagt. Tatsächlich lässt sich die Weltgemeinschaft die Biodiversität nur rund 52 Milliarden US-Dollar pro Jahr kosten. Zu wenig um dem Verlust entgegenzuwirken. Eine Lösung sind sogenannte Naturkapitalmärkte.

Wie sich Natur besser schützen und nachhaltig nutzen lässt, indem sie auch als ökonomischer Faktor, als „Kapital” betrachtet wird, zeigt eine Broschüre des Global Nature Fund (GNF) und der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Sogenannte „Naturkapitalmärkte” bergen großes Potenzial, die Finanzierungslücke zwischen dem Notwendigen und dem Tatsächlichen durch die Einbindung des Privatsektors zu schließen. Naturkapitalmärkte sind marktbasierte Instrumente, bei den entweder die Verursacher des Verlustes der Artenvielfalt zur Kasse gebeten werden, oder in den für die Nutzung der Ökosystemdienstleistungen bezahlt werden muss. Zwei „Naturkapitalmärkte” haben GNF und DUH gemeinsam untersucht: Ausgleichsmaßnahmen (sogenannte Biodiversitäts-Offsets) und die Honorierung von Ökosystemleistungen (Payments for Ecosystem Services (PES)). Bei Biodiversitäts-Offsets handelt es sich um gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen zum Ausgleich oder Ersatz von Eingriffen in Natur und Landschaft. Sie sind in Deutschland durch die Eingriffs-Ausgleichsregelung im Naturschutzgesetz festgelegt. Auch in anderen Ländern gibt es ähnliche Vorgaben. So ist es beispielsweise im australischen Bundesstaat Queensland Pflicht, dass für jeden gefällten, im Lebensraum der Koalas typischerweise vorkommenden Baum fünf neue entsprechende Bäume gepflanzt werden müssen. Im Gegensatz dazu basiert die Honorierung von Ökosystemleistungen auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Die grundsätzliche Idee dabei ist, dass die Nutzer von Leistungen eines Ökosystems vertragsgemäße Zahlungen an diejenigen tätigen, die das Ökosystem durch angepasste Maßnahmen in intaktem Zustand halten.

Der Trinkwasserhersteller Vittel beispielsweise befürchtete, dass sich die Qualität der Wasserquellen verschlechtert. Um seine wirtschaftliche Grundlage zu sichern, honoriert Vittel deshalb die Landwirte, die im Einzugsgebiet der Quellen arbeiten, für eine ökologische Umstellung ihrer Bewirtschaftungsmethoden. Schon in den 1980er Jahren zeigte sich, wie eine intensivere Landwirtschaft im Einzugsgebiet von Vittel die stabile Mineralienzusammensetzung des Wassers bedroht. Einfach die Zusammensetzung des Wassers verändern war keine Lösung, denn das erlaubte die Regierung nicht. Quälende Prozesse gegen die Bauern war auch keine brauchbare Lösung, denn die Grenzwerte für Verunreinigung wurden nicht überschritten. Auch ein Kauf der betroffenen Flächen war aus verschiedenen Gründen keine Option. Die Landwirte mussten also überzeugt werden, ihre landwirtschaftlichen Praktiken freiwillig zu ändern. Nach vier Jahren Forschung durch das staatliche Agrarforschungsinstitut INRA sowie weiteren zehn Jahren Verhandlungen zwischen den Landwirten und Vittel wurde schließlich ein PES-Programm eingeführt. Das Programm sah vor, dass Landwirte zusätzlich zur monetären Kompensation für die Umstellung ihrer Landwirtschaft Schulungen erhielten. Die Kompensationszahlungen basierten auf den anfallenden Umstellungskosten der Landwirte, da der genaue Beitrag der einzelnen Landwirte zur Verschmutzung der Quelle nicht bestimmt werden konnte. Die Einhaltung der Verträge wurde durch ein Monitoring der Wasserqualität sowie der Managementmaßnahmen überwacht. Das PES-Programm deckte eine Fläche von ungefähr 3.500 ha ab und hat Vittel bisher mindestens 16 Millionen Euro gekostet, sicherte dem Unternehmen jedoch die Weiterführung der Markenbezeichnung „Vittel“. Dieses Beispiel zeigt die Wirksamkeit von PES-Programmen. Tobias Hartmann, Projektmanager beim GNF: „Innovative Mechanismen wie die Honorierung von Ökosystemleistungen stellen eine sinnvolle Ergänzung zu den Gesetzen und Regulierungen dar, um die nötigen Gelder für den Biodiversitätsschutz aufzubringen. Zusätzlich zur Ordnungspolitik können sie je nach politischer und regionaler Situation kombiniert und angepasst werden und so zum Biodiversitätsschutz beitragen.”

Durch die Broschüre „Märkte für Naturkapital“ möchten GNF und DUH darauf aufmerksam machen, wie sich Biodiversitäts-Offsets und die Honorierung für Ökosystemleistungen in der Praxis ausgestalten lassen. Gleichzeitig weist die Untersuchung auf die Grenzen beider Ansätze hin und liefert Empfehlungen für Beteiligungsmöglichkeiten. Mit Blick auf die Biodiversitäts-Offsets betonen die beiden Organisationen, dass es nicht ausreicht, den verlorenen Lebensraum für Pflanzen und Tiere wiederherzustellen. „Ziel muss vielmehr sein, den Lebensraum zu vergrößern. Nur zusätzliche, über die gesetzlich vorgeschriebenen Kompensationen hinausgehende Investitionen und Maßnahmen führen tatsächlich zu einem Zugewinn für die Biodiversität. Hierfür sind dringend weitere Mittel notwendig, die auch durch freiwillige Ausgleichszahlungen zustande kommen können” sagt Ulrich Stöcker, Leiter Naturschutz der DUH. Bei der Honorierung von Ökosystemleistungen sehen GNF und DUH noch großes Potenzial. Denn Projekte, bei denen Nutznießer für die Bereitstellung von Leistungen aus der Natur zahlen, gibt es bislang nur wenige. Eine der wenigen Ausnahmen ist die Honorierung der Versorgung mit sauberem Wasser. Diese Projekte wurden jedoch bislang vor allem von Behörden eingeführt. Dennoch signalisiert die Wirtschaft immer wieder Interesse, sich an Naturkapitalmärkten zu beteiligen. Hintergrund ist oft der Wunsch, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und Engagement für die Region zu zeigen aber auch, Risikomanagement zu betreiben und langfristig den Zugang zu nötigen Ressourcen zu sichern.

Die Broschüre „Märkte für Naturkapital – Status Quo und Ausblick” sowie Toolkits für NGOs, Privatwirtschaft und Finanzindustrie stehen unter www.naturalcapitalmarkets.org zum Download bereit. Darüber hinaus untersuchen GNF und DUH derzeit, welche Zielgruppen über entsprechende Beteiligungsmöglichkeiten an Naturkapitalmärkten informiert sind und wie sie sich darüber erkundigen. Hier geht es zur Umfrage.

 


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