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Akzeptanz von Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee

Grundsätzlich genießt die Windkraft eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung, das haben Studien immer wieder gezeigt. Allerdings gilt dies vor allem, wenn die Windräder nicht vor der eigenen Tür stehen. Dabei müssen immer mehr Standorte genutzt werden, um die Energiewende zu ermöglichen. Eine Möglichkeit sind die großen Windparks in Nord- und Ostsee. Wie es um deren Akzeptanz bestellt ist, wurde an der Universität Halle-Wittenberg über einige Jahre verfolgt.

Halle (csr-news) > Grundsätzlich genießt die Windkraft eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung, das haben Studien immer wieder gezeigt. Allerdings gilt dies vor allem, wenn die Windräder nicht vor der eigenen Tür stehen. Dabei müssen immer mehr Standorte genutzt werden, um die Energiewende zu ermöglichen. Eine Möglichkeit sind die großen Windparks in Nord- und Ostsee. Wie es um deren Akzeptanz bestellt ist, wurde an der Universität Halle-Wittenberg über einige Jahre verfolgt.

Die Anwohner der Küsten von Nord- und Ostsee zeigen überwiegend positive Einstellungen gegenüber großen Windparks, die vor die Küsten ins Meer gebaut werden, aber auch unter Touristen, die Deutschlands Küstenregionen bereisen, sind sie akzeptiert. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die von 2009 bis 2013 durch die Arbeitsgruppe Gesundheits- und Umweltpsychologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) durchgeführt und nun abschließend ausgewertet wurde. Sie beschreibt erstmalig für Deutschland die Entwicklung der Akzeptanz von Offshore-Windparks über einen längeren Zeitraum und ist auch international eine der ersten Untersuchungen dieser Art. Meist verliert die Windkraft an Akzeptanz, wenn sie in der Nachbarschaft angesiedelt wird. Gerade auf dem Festland müssen Windkraftbetreiber mit teilweise erheblichen Widerständen rechnen. Aber auch die Windparks weit draußen in Nord- und Ostsee sind nicht frei von Vorbehalten. Wird der Horizont verbaut, havarieren Schiffe an den riesigen Stahltürmen oder kommt es in der Folge sogar zu ölverschmierten Stränden? Fragen, mit denen die Betreiber konfrontiert werden und deren offenen Beantwortung einen wichtigen Beitrag zur Akzeptanz leistet. Die MLU-Untersuchung macht die grundsätzlich hohe Akzeptanz der Bevölkerung deutlich. Sie zeigt aber auch eine deutlich höhere Akzeptanz, wenn die Anlagen fern der Küste errichtet werden, die Sicherheit der Seeschifffahrt an erster Stelle steht und Bürger angemessen bereits im Planungsprozess informiert und einbezogen werden. Der Bericht „Akzeptanz der Offshore-Windenergienutzung“ beschreibt auch, dass vor allem Touristen küstennahe Anlagen positiver bewerteten als die Anwohner, sich aber gleichwohl stärker um die Auswirkungen auf die Meeresumwelt sorgten. „Die Erfahrungen aus den untersuchten Projekten und die Meinungen der Anwohner und Touristen bieten wertvolle Hinweise für eine Strategie, um langfristig die Akzeptanz von Offshore-Windenergie zu sichern“, sagt die Psychologin Prof. Gundula Hübner, die den Bericht zusammen mit Johannes Pohl verfasst hat. Ihre Empfehlungen lauten daher, die Bevölkerung frühzeitig einzubeziehen sowie die Grenzen und Möglichkeiten der öffentlichen Beteiligung offenzulegen. Das vermeide Misstrauen oder Vertrauensverlust seitens der Bürger. Dabei sollten sich die Betreiber vergegenwärtigen, dass die Anwohner keine Fachleute für Planungs- und Genehmigungsverfahren seien, so die Autoren. Wichtig sei es zudem, die lokalen Medien einzubeziehen und lokale Meinungsführer als Multiplikatoren zu erreichen. Dabei sei eine Kommunikationsstrategie für den Gesamtprozess hilfreich. Nicht zu unterschätzen sei zudem das Expertenwissen der Anwohner, die unter anderem wichtige Hinweise zum Standort der Anlagen geben könnten. „Eine Garantie für einen problemlosen Verlauf gibt es nicht, aber mit Partizipation dürften sich die großen öffentlichen Konflikte eher begrenzen lassen als ohne“, so Gundula Hübner. Für die Studie wurden nicht nur Anwohner, sondern auch Touristen befragt, und zwar insgesamt dreimal, in den Jahren 2009, 2011 und 2012. Die Befragungen fanden meist vor oder während des Baus von Windparks statt. Die Erhebungen wurden in vier Regionen an der deutschen Nord- und Ostseeküste durchgeführt, sowie in zwei Vergleichsregionen, vor deren Küste auch langfristig keine Offshore-Windparks geplant sind. An der Nordsee wurden die ostfriesischen Inseln Borkum und Norderney ausgewählt, wo zwei dieser Windparks zu finden sind: „Riffgat“, nah an der Küste von Borkum, und „Alpha Ventus“, der weiter im Meer liegt, und somit beide Inseln betrifft. Als Vergleichsregion diente die nordfriesische Insel Föhr. In der Ostsee wurde die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst ausgewählt, vor deren Küste „Baltic 1“ gebaut wurde und „Baltic 2“ in Planung war. Die Halbinsel Usedom diente als Vergleichsregion.

Die Studie basiert auf den neusten Erkenntnissen der Akzeptanzforschung. Dabei wird die Akzeptanz von Windenergieanlagen im Rahmen eines Drei-Komponenten-Modells untersucht. Zunächst steht die Einstellung im Mittelpunkt, die Kognitionen und Gefühle umfasst, die zu einer positiven oder negativen Einstellung führen. Dies hat Auswirkungen auf die Intention, also ob der Bau einer Anlage unterstützt oder verhindert werden soll, die dann im Verhalten mündet. Die Einstellung resultiert aus erwarteten Vor- oder Nachteilen. Das kann ein positiver Beitrag zum Klimaschutz sein, aber auch die Sorge um eine Beeinträchtigung des Landschaftsbilds. Als Akzeptanz werden positive und neutrale Einstellungen mit entsprechendem Verhalten, gewertet. Von Duldung gehen die Wissenschaftler aus, wenn zwar die Einstellung negativ ist, diese aber nicht in ablehnendem Verhalten mündet, sondern eher passiv bleibt. Mit Widerstand ist zu rechnen, wenn eine negative Einstellung zu aktivem ablehnenden Verhalten führt. Während in anderen Ländern, beispielsweise in Dänemark, die ökologische Begleitforschung zur Offshore-Windenergienutzung auch den Menschen einbezieht, war diese in Deutschland bislang weitestgehend ausgeklammert. Die langjährige Untersuchung der Universität Halle-Wittenberg soll dies ändern. Betrachtet man die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen, dann werden vier Befunde deutlich. Erstens werden fiktive oder bereits gebaute Anlagen meist positiver bewertet, als Anlagen die gerade im Bau sind. Außerdem werden die Anlagen positiver bewertet, wenn sie küstenferner sind, also mindestens 40 Kilometer von der Küste entfernt. Küstennah bedeutet in diesem Zusammenhang, den Bau einer Anlage innerhalb der 12-Seemeilen-Zone. Zweitens werden kaum Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte der angrenzenden Regionen erwartet. Als negativ wird meist die Beeinträchtigung des Ausblicks bewertet. Keine klare Tendenz zeigt sich bei möglichen Auswirkungen auf Vögel oder das Image der Küstenregionen. Auswirkungen auf die Fischbestände oder den Tourismus werden ebenfalls nicht erwartet. Drittens zeigt sich im zeitlichen Ablauf eine deutliche Veränderung der Einstellung, die aber nach einiger Zeit wieder bei ihrem eher positiven Ausgangswert landet. Allerdings wurden bislang erst drei weitere Studien über einen längeren Zeitraum durchgeführt. Ergebnisse wie sie auch durch die aktuelle Untersuchung der Universität Halle-Wittenberg bestätigt werden. Insgesamt zeigt diese nämlich eine positive Akzeptanz der Windparks in Nord- und Ostsee. Negative oder neutrale Bewertungen haben im Laufe der Zeit an Bedeutung verloren und kehrten sich oftmals ins Gegenteil um. Hervorzuheben bleibt die Besonderheit, dass Touristen die küstennahen Windparks positiver bewerten als die Anwohner. Mit zwei Ausnahmen, die Auswirkungen auf die Meeresumwelt und die Schifffahrt, werden die Windparks von Touristen insgesamt positiver bewertet.

Die ausführliche Untersuchung „Akzeptanz der Offshore-Windenergienutzung“ zum Download.

Zur weitern Information noch eine aktuelle Untersuchung „Tourismus, Erneuerbare Energien und Landschaftsbild“ des Instituts für Tourismusforschung an der Universität Kiel. Hier geht es zum Download.


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