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Nachhaltige Beschaffung von Agrarrohstoffen

Rohstoffe preiswert zu beschaffen, gleichzeitig aber die ökologischen und sozialen Auswirkungen zu minimieren, ist eine der Herausforderungen der Nahrungsmittelindustrie. Dabei kommt der Rückverfolgbarkeit eine besondere Bedeutung zu. Die Nachhaltigkeitsanalysten der Schweizer Bank J. Safra Sarasin haben wichtige Akteure der Branche unter diesem Gesichtspunkt analysiert.

Basel (csr-news) > Rohstoffe preiswert zu beschaffen, gleichzeitig aber die ökologischen und sozialen Auswirkungen zu minimieren, ist eine der Herausforderungen der Nahrungsmittelindustrie. Dabei kommt der Rückverfolgbarkeit eine besondere Bedeutung zu. Die Nachhaltigkeitsanalysten der Schweizer Bank J. Safra Sarasin haben wichtige Akteure der Branche unter diesem Gesichtspunkt analysiert.

Durchschnittlich 50 Prozent der Herstellungskosten von Nahrungsmitteln entfallen auf die Rohstoffe. Diese unterliegen starken Preisschwankungen und haben damit direkten Einfluss auf die Gewinnentwicklung der Produzenten. Das gilt zumindest für Rohstoffe, die an den Weltmärkten beschafft werden müssen, beispielsweise Kaffee oder Kakao. Auf der anderen Seite unterliegen die Preise von Rohstoffen oftmals staatlichen Regulierungen, etwa die von Milch oder Zucker. „Aufgrund der hohen gesellschaftlichen Bedeutung der Agrarrohstoffe steht die Nahrungsmittelindustrie im Fokus der Öffentlichkeit. Aus diesem Umstand ergeben sich sowohl Chancen als auch Risiken für die Reputation der Unternehmen“, schreiben die Experten in der Publikation „Nachhaltige Beschaffung von Agrarrohstoffen –ein lohnendes Ziel für alle“. Doch es sind nicht nur die Preise, die eine Herausforderung darstellen. Um die eigene Reputation nicht zu gefährden, kommen weitere ökologische und soziale Aspekte dazu. Inzwischen hat die Industrie eine Vielzahl an Anforderungen zu erfüllen, damit ihre Beschaffung als nachhaltig angesehen werden kann. Einige hat der WWF in seiner Machbarkeitsstudie „Ein Standard für die Standards“ aufgelistet. Dazu gehören etwa der Schutz der Biodiversität, der Schutz von Boden, Wasser und Luft, die Minimierung von Wasserrisiken, der kontrollierte Umgang mit Chemikalien, die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten, die Berücksichtigung von Landnutzungsrechten und noch weitere.

Einhaltung ökologischer und sozialer Standards

Für die Nachhaltigkeitsanalyse haben die Experten jene Produzenten ermittelt, deren Umwelt- und Sozialperformance im Verhältnis zu ihren Mitbewerbern am stärksten ist. Kriterien der Beschaffung von Agrargütern wurden dabei mit über einem Drittel gewichtet und sind somit von signifikanter Bedeutung für die Gesamtbewertung der Unternehmen. Dazu gehören beispielsweise entsprechende Beschaffungsrichtlinien, der Anteil zertifizierter Rohstoffe, die Achtung von Fair Trade Prinzipien sowie die Einhaltung von Menschenrechten in der gesamten Lieferkette. Hinzu kommen weitere Kriterien wie Arbeitssicherheit, Klimaschutz oder Verpackungsrichtlinien, die aber nicht explizit nur für die Beschaffung gelten. „Das Wachstum des Nahrungsmittelsektors ist langfristig nur anhand nachhaltiger Beschaffungsmethoden möglich und letztlich auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene auf einen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit angewiesen“, heißt es in der Analyse. Stürme aufgrund von Klimaveränderungen, die ganze Ernten vernichten können, Trockenheit oder Überflutungen sind Risiken denen die Branche ausgesetzt ist mit unmittelbaren Auswirkungen auf die finanzielle Situation der Produzenten. Hinzu kommen die schon angesprochenen Reputationsrisiken, denen die Unternehmen durch ein sich veränderndes Konsumentenverhalten immer stärker ausgesetzt sind. Nachhaltig operierende Hersteller profitieren allerdings auch von Effizienzgewinnen, etwa durch reduzierten Strom- oder Wasserverbrauch. Bislang wird die Wichtigkeit dieser Maßnahmen in vielen Unternehmen noch unterschätzt, so ein Fazit der Analyse. Sie sind fokussiert auf den Preis, Art und Weise der Beschaffung spielt dabei nur eine Nebenrolle. Dabei sind die ökologischen und sozialen Implikationen der Branche enorm. Allein in der Milchwirtschaft gibt es weltweit rund 145. Millionen Betriebe, in denen der Lebensunterhalt für fast eine Milliarde Menschen erwirtschaftet wird.

Sarasin Sustainability-Matrix

Sarasin

 Nur jene Unternehmen, welche im grau schattierten Bereich liegen, gelten als investierbar, bzw. sind für nachhaltige Anlageprodukte zugelassen.

Als besondere Herausforderung sehen die Analysten die Rückverfolgbarkeit von Rohstoffen. Diese ist allerdings zwingend, wenn von nachhaltiger Beschaffung die Rede ist. Doch eine transparente Rückverfolgbarkeit sicherzustellen ist sehr komplex, wie die Autoren einräumen. Bei Kakao beispielsweise haben Schokoladeproduzenten wie Hershey, Mars oder Mondelez Möglichkeiten, die Kakaobohnen direkt bei Kakaobauern oder Bauernkooperationen, über Rohstoffmärkte, indirekt über spezialisierte Handelsunternehmen oder in Form von Halbfertigprodukten über Rohstoffverarbeitungsunternehmen zu beziehen. Die Hersteller sind also auf die zuverlässige Zusammenarbeit mit ihren Lieferanten angewiesen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Zwischenhändler wie Olam oder Wilmar. Diese Unternehmen verfügen eine große Marktmacht, entsprechend wichtig ist ihr Handeln für die nachhaltige Beschaffung. Beispielsweise arbeitet das in Singapur ansässige Unternehmen Olam mit fast 4 Millionen Bauern zusammen, die hauptsächlich Kakao, Kaffe, Nüsse, Reis und Baumwolle liefern. Die Lieferanten von Olam sind vertraglich verpflichtet, die sechs Punkte umfassenden «Olam Supplier Code»-Richtlinien einzuhalten. Dazu gehören etwa eine detaillierte Auflistung bezüglich der Einhaltung der Arbeitsgesetzgebung und Menschenrechte sowie Vorgaben hinsichtlich der Bewahrung des natürlichen Lebensraums. Die ebenfalls in Singapur ansässige Wilmar, hat ihren Schwerpunkt dagegen beim Palmölanbau, der Ölsamenvermahlung, der Speiseöl-Raffinierung, Zuckermahlung & -Raffinierung, der Biodiesel- & Düngemittelherstellung sowie der Getreideverarbeitung. Wilmar deckt die ganze Wertschöpfungskette ab vom Anbau über die Verarbeitung bis hin zur Vermarktung und Distribution. Das Unternehmen hat bisher keinen Verhaltenskodex für seine Zulieferer aufgestellt und verfügt auch nicht über öffentlich zugängliche Revisionssysteme und -prozesse. Zumindest im Bereich der Palmöl-Beschaffung hat Wilmar jedoch seine Aktivitäten durch die Brancheninitiative RSPO (Roundtable on Sustainable Palm Oil) zertifizieren lassen.

Höchste Transparenz beim Direkteinkauf

Die höchstmögliche Transparenz erreichen die Produzenten, nach Ansicht der Sarasin-Experten, durch den direkten Einkauf bei Bauern oder Bauernkooperationen. Doch dieses Vorgehen ist komplex und sehr ressourcenintensiv. Doch auch auf Zwischenhändler können die großen Nahrungsmittelproduzenten durch ihre Marktmacht einwirken. Sie sind über ihre Einkaufspolitik in der Lage, auch die wichtigen Handelsunternehmen dazu zu bewegen, ökologische und soziale Prinzipien in der Beschaffung zu berücksichtigen, wie es beispielsweise Unilever mit dem „Unilever Sustainable Living Plan“ praktiziert. Diesem, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Geschäftsmodell billigen die Analysten eine Vorreiterrolle zu. Der Plan umfasst die drei Hauptziele Steigerung von Gesundheit und Wohlbefinden, Reduzierung der Umweltbelastungen und Verbesserung der Lebensbedingungen. Diesen drei Hauptzielen sind neun Verpflichtungen unterstellt. Eine dieser Verpflichtungen ist es, bis 2020 100 Prozent der landwirtschaftlichen Rohstoffe nachhaltig zu beschaffen. 2013 betrug die Quote 48 Prozent. Ambitiös ist dieses Ziel vor allem für jene Agrargüter, bei welchen der Einfluss von Unilever gering ist, weil ihr Beschaffungsvolumen limitiert ist. Die wichtigsten zehn Agrarrohstoffe machen 70 Prozent des Einkaufsvolumens aus, die nächsten 30 wichtigen Rohstoffe weitere 20 Prozent. Einen großen Teil davon bezieht Unilever über Zwischenhändler.


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