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Kibera Slums: Micro Business schafft Bildungschancen

Bildung und Gesundheit heißen die großen Themen für Menschen in Kenia. Über Bildung wird überall diskutiert: In den Akademiker-Familien ebenso wie in den Slums. Nur mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Den wirtschaftlich Armen eröffnet das Kleinunternehmertum eine Chance, ihre Kinder zur Schule zu schicken.

Nairobi (csr-news) – Bildung und Gesundheit heißen die großen Themen für Menschen in Kenia. Über Bildung wird überall diskutiert: In den Akademiker-Familien ebenso wie in den Slums. Nur mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Den wirtschaftlich Armen eröffnet das Kleinunternehmertum eine Chance, ihre Kinder zur Schule zu schicken.

Karen und Kibera – diese beiden Stadtteile der kenianischen Hauptstadt Nairobi stehen als Synonym für Menschen unterschiedlicher Einkommensgruppen. Karen bietet Baugrundstücke für 250.000 Euro, geräumige Villen und breit ausgebaute Straßen. In Kibera, das mit rund einer Million Menschen als größter Slum Ostafrikas gilt, reiht sich Lehmhütte an Lehmhütte. Entlang der engen und unbefestigten Gehwege fließen Fäkalien ins Tal.

Stipendium in den USA

Charles wohnt mit seiner Frau und drei Töchtern in Karen. Sein Geld verdient er mit Beratungen im Rohstoffsektor. Ein Gärtner, ein Fahrer und eine Köchin unterstützen die Familie im Alltag. Die älteste Tochter hat soeben mit ausgezeichneten Noten die High School beendet. Nun geht es um ihr Studium: Alternativen sind eine naturwissenschaftliche Universität in Kenia oder – darauf hofft sie – ein Stipendium für das Studium in den USA.

Lilian lebt mit ihren drei Kindern in einer Einraumhütte in Kibera. Zudem hat sie eine Schwester und Sylvia, die Tochter einer verstorbenen Schwester, bei sich aufgenommen. Sylvia besucht die 8. Klasse der Volksschule, die Kinder Purity und Schelanbone sind in der 4. Klasse. Zwar ist der Schulbesuch frei, aber Schuluniformen und Bücher müssen finanziert werden. Lilian selbst hat die Volksschule bis zur 4. Klasse besucht. „Bildung ist das Wichtigste“, sagt sie. Ihren Kindern möchte sie einen guten Schulabschluss ermöglichen.

Die Waschfrau

Ihr Einkommen verdient Lilian damit, dass sie Wäsche für Nachbarn säubert. Etwa 200 Kenia Schillinge (KSH) verdient sie damit an Tagen, an denen sie Arbeit findet – das sind knapp unter zwei Euro. 3.000 KSH kostet die Monatsmiete, 500 KSH der Strom. Hinzu kommen die Kosten fürs Wasserholen und die Benutzung der Toilette bei den Nachbarn. Da bleibt nicht viel übrig. „Das Leben hier ist schwierig“, sagt Lilian. Die beiden älteren Mädchen Sylvia und Purity wollen Ärztinnen werden. Doch kostet der Besuch einer weiterführenden Schule ab Klasse 9 Geld – und das ist in Lilians Haushalt mehr als knapp. Sylvias Chance besteht darin, dass sie an einem Bildungsprogramm der kenianischen NGO Real Stars teilnimmt. Damit könnte sie den Weg bis zum Abitur schaffen.

Die Kioskbesitzerin

Ein wenig mehr Wohlstand besitzen Amina, ihr Mann und ihre drei Kinder. Ihre Unterkunft in Kibera besteht aus zwei Räumen. Der Vater bringt monatlich 5.000 KSH von der Arbeit nach Hause. Amina selbst betreibt einen kleinen Kiosk an einer Straßenecke in ihrem Viertel, auf einer Grundfläche von weniger als zwei Quadratmetern. Dort bietet sie Früchte an, die sie von einem entfernten Großmarkt holt und mit geringer Gewinnmmarge weiterverkauft. Aber auch für ihre Familie ist es nicht einfach, den Schulbesuch der Söhne zu finanzieren. „Wir geben alles für die Kinder“, sagt Amina.

Viel gemeinsame Freizeit bleibt der Familie nicht: Morgens um sechs Uhr geht es für den 10-jährigen Jalgalo und den 15-jährigen Guwufara auf in Richtung Schule. Wenn sie um sechs Uhr abends zurückkommen, spielen sie mit Freunden auf der Straße Rugby und Fußball. Sportplätze gibt es in der Nähe nicht, aber immerhin besitzen ihre Teams je einen Ball. Bis Amina von ihrer Arbeit nach Hause kommt, ist es neun Uhr. Dann wird noch miteinander gegessen – und das war dann der Tag.

Consulting für Kleinunternehmer

Das Leben in Kibera ist von Kleinunternehmern und Dienstleistern wie Lilian und Amina geprägt. Ihnen bietet Sven Ziegler von „Real Stars Education and Consulting“ seit Februar Schulungen an. „Sie wissen schon vieles, ohne es theoretisch gelernt zu haben“, hat Ziegler erfahren. „Was vielen fehlt ist die Zeit, sich hinzusetzen und über ihr Geschäft Gedanken zu machen.“

Vor Beginn der Schulungsarbeit hat Ziegler die Kleinunternehmer in Kibera befragt und herausgefunden: Wer über Bildung verfügt, erzielt höhere Profite. Gleiches gilt für diejenigen, die einen Grundstock an Kapital mitbringen und es in Handelsgüter investieren können. Jedoch verfügen weniger als ein Drittel dieser Unternehmer über ein Bankkonto, finanzielle Zahlungen werden häufigen über den Microbezahldienst M-PESA per Handy abgewickelt.

In den Schulungen sitzen bis zu 15 Teilnehmer einen Monat lang an je einem Vormittag pro Woche zusammen und diskutieren ihre Geschäftsmodelle. „Viele Lösungen liegen in der Gruppe selbst“, sagt Ziegler. So brachten andere Teilnehmer die Inhaberin eines Haarsalons auf die Idee, den Kunden zusätzliche Knoten in die Haare einzuflechten und während der Haarpflege ein Glas Saft anzubieten – mit anderen Worten: Produkt- und Servicequalität zu verbessern.

Die Teilnehmer organisieren für die Seminare selbst einen Raum, der Kurs ist derzeit kostenlos. „Viele wollen für ihre Seminarteilnahme bezahlt werden“, hat Ziegler erfahren. Dazu hätten manche NGOs beigetragen, indem sie den Teilnehmern eine sogenannte „sitting allowance“ ausgezahlt hätten und diese dann von Seminar zu Seminar gereist seien. In Zukunft sollen die Real Stars-Seminare 200 KSH kosten. Nach Abschluss der Kurse können sich die Teilnehmer bei Ziegler weiter Rat fürs Geschäft holen – und auch der Kontakt in der Gruppe soll möglichst fortbestehen.

An Entwicklungschancen für Kleinunternehmen sieht Ziegler einiges: Ein großes Thema ist „added value“, die Weiterverarbeitung von Produkten, etwa die Herstellung von Saft aus Früchten. Durch den Bezug der Waren „upcountry“, direkt vom Land, könnten größere Gewinnmarken erzielt werden. Bisher sehen sich die Händler überwiegend als Konkurrenten, dagegen könnten sie in Einkaufsgenossenschaften bessere Preise erzielen. Ziegler: „Da steckt Potential drin.“

NGOs sponsern Bildung

Um jungen Menschen eine berufliche Zukunft zu eröffnen, bieten unterschiedliche NGOs ein Bildungssponsoring, auch Real Stars. „Unser Ziel sind die Ärmsten der Armen“, sagt Real Stars-Leiterin Rose Muiu. Die christliche Organisation fördert Schulbildung vom Kindergarten bis zur Universität. „Es müssen nicht alle akademisch begabt sein“, sagt Muiu. Unterstützt werden auch potentielle Friseusen und Maurer. Neben der finanziellen Förderung unterstützt ein Sozialarbeiter die Familien der Kinder. Aus dieser Arbeit entstand die Idee, Mütter und Väter in ihrem Kleinunternehmertum zu stärken und so die wirtschaftliche Basis der Familien zu verbessern. „Wenn wir zwei Kinder einer Familie unterstützen, bleibt doch die Frage: Was wird aus den anderen sechs?“, sagt Muiu.

Real Stars im Internet:
www.realstarskenya.com

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