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Nachhaltigkeit in Reisebüros – Hilfeschrei nach Aufklärung

„Sechs-Sterne-Hotels von heute werden sich schon morgen gegen Zwei-Sterne-Hotels mit Nachhaltigkeitskennzeichnung behaupten müssen“. Das sagt Ines Carstensen, Professorin für Nachhaltigkeits- und Innovationsmanagement an der BEST-Sabel-Hochschule in Berlin. Es gibt eine Nachfrage nach Urlaubsangeboten, die soziale und ökologische Aspekte des Reisens berücksichtigen. Doch nachhaltige Reisen müssen verkauft werden und erfordern Beratung. Die Mitarbeiter in den Reisebüros vermissen Unterstützung.

Zürich/Berlin (csr-news) > „Sechs-Sterne-Hotels von heute werden sich schon morgen gegen Zwei-Sterne-Hotels mit Nachhaltigkeitskennzeichnung behaupten müssen“. Das sagt Ines Carstensen, Professorin für Nachhaltigkeits- und Innovationsmanagement an der BEST-Sabel-Hochschule in Berlin. Es gibt eine Nachfrage nach Urlaubsangeboten, die soziale und ökologische Aspekte des Reisens berücksichtigen. Doch nachhaltige Reisen müssen verkauft werden und erfordern Beratung. Die Mitarbeiter in den Reisebüros vermissen Unterstützung.

Klimaschutz, Biodiversität, Menschenrechte und Arbeitsbedingungen sind nur einige Themen, die im Zusammenhang mit nachhaltigen Tourismusangeboten eine Rolle spielen. In einer länderübergreifenden Studie hat Ines Carstensen untersucht, wie die Reisebüros im Bereich Nachhaltigkeit aufgestellt sind. Im Auftrag der Reiseverbände DRV (Deutschland), ÖRV (Österreich) und SRV (Schweiz) sollte das Nachhaltigkeitswissen der Mitarbeiter in den Reisebüros unter die Lupe genommen werden. Schließlich sind sie es, die den Urlauber Rede und Antwort stehen müssen. Im Tourismus sei von einem Veränderungsprozess noch vergleichsweise wenig zu spüren, heißt es in der Studie. Das liegt allerdings nicht an mangelnder Bereitschaft und fehlendem Interesse. Vielmehr wissen weder Anbieter noch Konsumenten, an welcher Stelle sie anfangen sollen, sich diesem Thema zu nähern. Dabei ist die Nachfrage nach entsprechenden Angeboten in den drei untersuchten Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz sehr unterschiedlich. Am stärksten ist die Nachfrage in der Schweiz. Schweizer Kunden setzen verantwortliches Handeln und Engagement bei den Reisebüros deutlich stärker voraus als dies in Deutschland und Österreich der Fall ist, ist eine der Erkenntnisse aus der Untersuchung. Entsprechend ist das Engagement der Schweizer Reisebüros auch deutlich ausgeprägter. Und es gibt einen weiteren interessanten Unterschied. Während Schweizer Reisebüros ihren Fokus auf Kundenberatung und Sensibilisierung legen, betrachtet man in Deutschland nachhaltiges Handeln eher als eigenes Engagement. Hierzulande werden die Reisebüros selber aktiv, in dem sie beispielsweise eigene Aktionen initiieren oder bestehende Projekte unterstützen.

Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit im Reisebüro

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Quelle: Studie „Macht Nachhaltigkeit am Counter Sinn?“ 

Dennoch fühlen sich die meisten Mitarbeiter in den Reisebüros wenig auf Kundenberatungen zu nachhaltigen Reisen vorbereitet. Nur in der deutschsprachigen Schweiz sieht man sich entsprechend gerüstet. Insgesamt wünschen sich die Mitarbeiter allerdings mehr Unterstützung und Aufklärung. Das Thema Nachhaltigkeit im Tourismus ist zu komplex, praxistaugliche Vereinfachungen wurden bislang nicht entwickelt. Das beginnt schon bei den Zertifikaten, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Dabei besteht nach wie vor ein strittiger Diskurs, was genau unter einer nachhaltigen Reise zu verstehen ist. Ist eine Fernreise beispielsweise per se problematisch oder reicht es die verursachte CO2-Belastung zu kompensieren? Fragen mit denen sich Urlauber, die sich als „Tourist mit Verantwortung“ verstehen, auseinandersetzen. Doch in den Reisebüros werden sie dazu selten Antworten bekommen. „Zurück bleibt eine Art Frustration, weil das ganze System nicht bedient werden kann“, heißt es dazu in der Studie. Bislang werden die Mitarbeiter in den Reisbüros noch selten mit solchen Fragen konfrontiert, doch immerhin für ein Viertel der Reisenden spielen soziale und ökologische Aspekte schon jetzt eine Rolle bei der Auswahl der Urlaubsreise.

Unterschiede ergeben sich auch bei der Betrachtung der Reiseveranstalter, die mit nachhaltigen Reiseangeboten in Verbindung gebracht werden. Am häufigsten wurde dabei der Schweizer Tourismuskonzern Kuoni genannt. Schon mit deutlichem Abstand werden Hotelplan und TUI erwähnt. Ein deutliches Bild hat sich dennoch nicht ergeben, es scheint kein klar platzierte und als solche wahrgenommenen Angebote zu geben. Die Aussagen der Reisebüros reichten von „Es gibt keine Veranstalter, die nachhaltige Reisen anbieten“, über „irgendwo im Angebot wird auch Nachhaltigkeit erwähnt“ bis hin zu „Nachhaltigkeit ist ein abgedroschenes Wort“ und entsprechende Angebote wären nicht wichtig. Zudem werden einzelne Veranstalter in den Ländern unterschiedlich wahrgenommen. So gilt der Tourismuskonzern TUI in Deutschland und Österreich als Vorreiter für nachhaltiges Reisen, in der Schweiz wird er dagegen nicht als solcher wahrgenommen. In einigen Reisebüros werden dagegen ganze Zielgebiete als nachhaltig bzw. nicht nachhaltig qualifiziert: „Wir bieten Reisen in den Norden an, deshalb ist Nachhaltigkeit bei uns kein Thema, da diese bereits viel in diese Richtung getan haben“.

Welche Art von nachhaltigen Angeboten wird nachgefragt?

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Quelle: Studie „Macht Nachhaltigkeit am Counter Sinn?“ 

Nachhaltigkeit ist also noch nicht wirklich in den Reisebüros angekommen, es fehlen praxisnahe nachhaltige Angebote. So können sich die Mitarbeiter nicht auf Reiseprodukte verlassen, sondern müssen selber vage Hilfskonstruktionen zusammenbauen, um nachhaltige Reisen anbieten zu können. Die Reisebüros vermissen verbindliche Standards, um eine nachhaltige Reise buchen zu können. Das Beispiel CO2-Kompensation zeigt, wie Standards die Verbreitung beflügeln. Vor allem Geschäftsreisen fragen klimaneutrale Reisen nach. „Hier wird deutlich, dass der Reisevertrieb handlungsfähig ist, denn hinter diesen Angeboten ist eine konkrete Standardisierung hinterlegt, die eine verlässliche Buchbarkeit des Angebotes im Reisebüro gewährleistet. Die Verankerung von CO2-Kompensation in Vorgaben der Reiserichtlinien der Konzerne entfaltet hier seine Wirkung“, heißt es dazu in der Studie. Aber den Mitarbeitern in den Reisebüros fehlen auch Argumentations- und Verkaufshilfen, um eine nachhaltige Reise glaubwürdig verkaufen zu können. Es ist ein Hilfeschrei nach Aufklärung, so das Fazit der Untersuchung, der die gesamte Branche zum Handeln herausfordert.

 

Die vollständige Untersuchung „Macht Nachhaltigkeit am Counter Sinn?“ zum Download.


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