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Unternehmen in Mitteldeutschland: Fachkräfteschwund wird zum Treiber

Der Verein „Institut für nachhaltige Unternehmensführung und Ressourcenplanung (INUR)“ fördert das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen in Mitteldeutschland. Nach den Treibern und Rahmenbedingungen dieses Engagements fragte CSR NEWS den Vereinsvorstand Jens-Uwe Richter.

Dresden (csr-news) – Der Verein „Institut für nachhaltige Unternehmensführung und Ressourcenplanung (INUR)“ fördert das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen in Mitteldeutschland. Nach den Treibern und Rahmenbedingungen dieses Engagements fragte CSR NEWS den Vereinsvorstand Jens-Uwe Richter. CSR NEWS stellt in einer Interviewserie CSR People vor – die im CSR-DIRECTORY.NET verzeichneten Nachhaltigkeitsexperten.

Herr Richter, was sind die wichtigsten „Treiber“ für Nachhaltigkeit in mitteldeutschen Unternehmen?

Jens-Uwe Richter: Bei dieser Frage muss man zunächst kurz auf die Besonderheiten der Wirtschaft im mitteldeutschen Raum eingehen. Es existieren eine Reihe von Großunternehmen und Konzernen insbesondere im Automobilbau, der Logistik und der Chipindustrie, deren Unternehmens- und Konzernzentralen sich ausschließlich in den alten Bundesländern befinden. Daneben gibt es eine Vielzahl klein- und mittelständische Unternehmen, die mit ihrer Betriebsgröße allerdings deutlich unter den Mitarbeiterzahlen vergleichbarer Betriebe in den alten Ländern liegen.

Vor dem Hintergrund dieser kleinteiligen Wirtschaft spielen die Begriffe Nachhaltigkeit und erst recht CSR in den meisten Unternehmen keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Es existieren nur ganz wenige Betriebe, die sich strategisch und ganzheitlich mit einer nachhaltigen Unternehmensführung auseinandersetzen.

Auf der anderen Seite ist festzustellen, dass viele Unternehmer einzelne, für sie wichtige nachhaltige Themen und Handlungsweisen in ihren unternehmerischen Alltag integriert haben, ohne sich bewusst zu sein, dass dies etwas mit Nachhaltigkeit zu tun hat. Folgende Schwerpunkte spielen dabei gemäß den Ergebnissen einer eigenen Studie eine wesentliche Rolle:

  • Mitarbeiterbindung, Arbeitskräftegewinnung
  • Kosteneinsparungen bei Rohstoffen sowie Energie und Wasser
  • Umsatzsteigerung durch neue oder veränderte Leistungsangebote oder Geschäftsfelder
  • Erfüllung von Anforderungen der Auftraggebern (Audits in der Lieferkette)

Es ist davon auszugehen, dass die Bedeutung dieser und weiterer Themen für die Unternehmen Mitteldeutschlands in Zukunft noch deutlich zunehmen und somit zum „Treiber“ für Nachhaltigkeit werden wird. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass nur Unternehmer, die sich Nachhaltigkeit als strategischen Managementansatz auf ihre Fahnen schreiben, mittel- bis langfristige Zukunftschancen haben werden. Unser Verein INUR möchte auf diesem Weg Anregung, Hilfestellung und Begleitung bieten.

Wie gestalten Unternehmen das Leben in der Region mit?

Auch bei dieser Frage muss man die wirtschaftliche Struktur und die historische Entwicklung in Mitteldeutschland berücksichtigen. Die “Filialen” großer Konzerne leisten vielmals eine sehr umfangreiche und breit gefächerte gesellschaftliche Arbeit, die insbesondere im sozialen, kulturellen, sportlichen und universitären Bereich spürbar wird. Die zur Verfügung stehenden Mittel sind aber nicht mit denen vergleichbar, die an den Standorten der Konzernzentralen in den alten Ländern zur Verfügung stehen.

Das gesellschaftliche Engagement der vielen kleinen und Kleinstunternehmen beschränkt sich insbesondere aufgrund der geringen Budgets weitestgehend auf ihren unmittelbaren Standort und das persönliche Interesse des Unternehmers oder Geschäftsführers, so beispielsweise die Unterstützung der Freiwilligen Feuerwehr oder des örtlichen Fußballvereins.

Ebenso wie bei Frage Nummer 1 fehlen auch beim gesellschaftlichen Engagement in vielen Unternehmen klare Ziele, Strategien und Synergien zum Kerngeschäft.

Welche Bedeutung besitzt CSR, um Mitarbeiter für die Region zu gewinnen und dort zu halten?

Die Folgen des demographischen Wandels sind für viele mitteldeutsche Unternehmen schon sehr deutlich zu spüren. Insbesondere in den Bereichen Handwerk, Gastronomie und Hotellerie, Logistik, Pflege und Einzelhandel fehlen in vielen Unternehmen schon heute Fachkräfte. Hinzu kommt, dass wegen der immer stärker abnehmenden Schulabgängerzahlen die Suche nach Lehrlingen oft zum Lotteriespiel wird. Manche Handwerksbetriebe in strukturschwachen Regionen haben trotz großer Anstrengungen schon seit Jahren keinen Lehrling mehr einstellen können.

Die dramatische Fachkräftesituation wird sich in den kommenden Jahren durch altersbedingtes Ausscheiden von Arbeitskräften (sehr häufig starke Überalterung der Belegschaften) und einen hohen Abwerbedruck von Großbetrieben und Konzernen (bedingt durch das stark differenzierte Lohnniveau) noch deutlich verschärfen. Dabei ist noch zusätzlich zu berücksichtigen, dass sich der demografische Wandel speziell in Mitteldeutschland noch deutlich stärker als in anderen Landesteilen durch die Abnahme des berufsfähigen Bevölkerungsanteils bemerkbar machen wird.

Vor diesem Hintergrund wächst in vielen Unternehmen die Erkenntnis, dass es nicht mehr genügen wird, eine Stellenannonce zu schalten oder den Vermittler in der Agentur für Arbeit zu anzurufen. Hier ist eine strategische Personalplanung notwendig, die eine Reihe von Aspekten von CSR und nachhaltiger Unternehmensführung beinhaltet.

Unternehmer sind gezwungen, sich zukünftig mit solchen Themen wie Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung, interner Kommunikation, Gesundheit und Arbeitsschutz, altersgerechte Führung, Ressourceneffizienz und gesellschaftlichem Engagement deutlich stärker zu beschäftigen. Dies alles mündet in der Herausforderung, für das eigene Unternehmen eine Arbeitgebermarke zu schaffen, um anziehend sowohl für die eigenen wie auch potenziell neue Mitarbeiter zu sein. Nur auf dieser Grundlage werden Unternehmen den “Kampf um die Köpfe” gewinnen und damit ihre eigene Zukunft sichern können.

Vielen Dank!


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