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Schweiz: Initiative will Konzerne in die Pflicht nehmen

Ein Bündnis aus 66 Schweizer Nichtregierungsorganisationen will die Konzerne der Alpen-Republik zu mehr Unternehmensverantwortung verpflichten. Der Schutz der Menschenrechte und der Umwelt soll verbindlich in dir Geschäftspraktiken integriert werden. Mit diesem Ziel haben die Organisationen die Konzernverantwortungsinitiative lanciert, die nun bis Oktober 2016 mindestens 100.000 Unterschriften einsammeln muss.

Bern (csr-news) > Ein Bündnis aus 66 Schweizer Nichtregierungsorganisationen will die Konzerne der Alpen-Republik zu mehr Unternehmensverantwortung verpflichten. Der Schutz der Menschenrechte und der Umwelt soll verbindlich in dir Geschäftspraktiken integriert werden. Mit diesem Ziel haben die Organisationen die Konzernverantwortungsinitiative lanciert, die nun bis Oktober 2016 mindestens 100.000 Unterschriften einsammeln muss.

Weltweit wird täglich durch wirtschaftliche Aktivitäten die Umwelt gefährdet und Menschenrechte missachtet, auch durch Aktivitäten von Schweizer Unternehmen im Ausland. Und das passiert öfter als gedacht. Obwohl die Schweiz nur auf einem unverdächtigen 20. Platz der globalen Wirtschaftsmächte steht, liegt sie auf Platz 9 der Länder, die am häufigsten mit Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen konfrontiert werden. Dies hat eine Studie der Maastricht University ergeben, die weltweit über 1800 Fälle von Menschenrechtsverletzungen durch Firmen ausgewertet hat. Die Konzernverantwortungsinitiative sieht unter anderem deshalb die Schweizer Konzerne in der Pflicht. Sie sollen zu einer Sorgfaltsprüfung im Bereich Menschenrechte und Umwelt verpflichtet werden, denn obwohl Missstände in den vergangenen Jahren immer wieder bekannt wurden, sind konkrete Gegenmaßnahmen bislang ausgeblieben. Vielmehr setzen Bundesrat und Parlament weiterhin auf freiwillige Maßnahmen, wie eine Parlamentsabstimmung im März erneut gezeigt hat (Bericht auf CSR-NEWS). „Doch die Selbstregulierung von Unternehmen hat sich immer wieder als sehr begrenzt erwiesen“, so Manon Schick, Geschäftsleiterin der Schweizer Sektion von Amnesty International, Mitinitiator der Konzernverantwortungsinitiative. „Bei freiwilligen Initiativen, deren Anwendung gewöhnlich vom guten Willen der Unternehmen abhängt, gibt es keine externen, unabhängigen Kontrollmechanismen, und nur selten Sanktionen gegen jene, welche die Regeln verletzen“. Es sei eine Utopie zu glauben, dass die Staaten, in denen die Unternehmen oder ihre Lieferanten tätig sind, alleine die Verantwortung zur Regulierung übernehmen würden. Umso mehr, wenn diese Staaten korruptionsanfällig sind und nur über schwache, wenig durchsetzungsstarke Regierungen verfügen. „Die Schweiz als Sitz zahlreicher multinationaler Konzerne hat die Mittel, eine Vorreiterinnenrolle einzunehmen, indem sie eine Sorgfaltsprüfungspflicht gesetzlich verankert. Das wäre eine erste Etappe, die nicht nur nötig, sondern unverzichtbar ist“, so Schick.

Cornelio Sommaruga, ehemaliger IKRK-Präsident und Mitglied im Initiativkomitee, sieht die Initiative als wichtigen Schritt für den Wirtschaftsstandort: „Die Schweiz hat sowohl als Sitzstaat humanitärer Organisationen wie auch als Heimat vieler transnationaler Konzerne eine hohe Verantwortung. Im Interesse der Reputation unseres Landes müssen wir auch unsere Unternehmen in die Pflicht nehmen“. Auch Sommaruga hält ausschließlich freiwilliges Engagement für nicht ausreichend. Trotz zahlreicher Petitionen und parlamentarischen Interventionen würde sich nichts ändern. „Aus der Wirtschaft sind viele Ansagen zu hören“, so Sommaruga, „doch die Lage vor Ort wird nicht besser“. Für ihn bedarf es eines Paukenschlags, so wie die Konzernverantwortungsinitiative einer ist, auch um nicht in eine Situation zu geraten, in der Druck aus dem Ausland, den nationalen Handlungsspielraum eingrenzt. Denn längst würden andere Nationen mit Sitz international tätiger Konzerne Regulierungen schaffen, beispielsweise Ende März in Frankreich ein Gesetzesvorschlag, der ähnliche Ziele verfolgt, wie die Konzernverantwortungsinitiative.

Die Konzernverantwortungsinitiative will, dass alle Unternehmen mit Sitz in der Schweiz zu einer Sorgfaltsprüfung im Bereich Menschenrechte und Umwelt verpflichtet werden. Diese Sorgfaltsprüfungspflicht ist quasi das Herzstück der Initiative und orientiert sich an den 2011 verabschiedeten UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Demnach muss ein Konzern vorab all seine Geschäftsabläufe und -beziehungen durchleuchten, um mögliche Risiken für Mensch und Umwelt zu identifizieren. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen die Geschäftsabläufe integriert werden, um durch entsprechende Maßnahmen zukünftig Menschenrechtsverletzungen oder Umweltbelastungen zu vermeiden, zu verhindern oder bestehende zu beenden. Über diesen ganzen Prozess und die Resultate sollen die Unternehmen einen Bericht veröffentlichen. Die Konzernverantwortungsinitiative hat dabei alle Unternehmen im Visier, denn nach ihrer Auffassung lässt die Größe eines Unternehmens noch keine Rückschlüsse auf das Risikoprofil zu. Allerdings sollen für KMU vereinfachte Verfahren gelten, weil sie auch in der Praxis seltener mit Menschenrechtsverletzungen konfrontiert sind. Das Prinzip der Sorgfaltsprüfungspflicht ist also präventiv angelegt, um Schäden zu vermeiden. Kommt es dennoch zu einem Vorfall, im eigenen Unternehmen oder ind er Lieferkette, dann müssen die Unternehmen auch haften, es sein denn, sie können nachweisen die geforderte Sorgfalt auch angewendet zu haben. Diese Umkehrung der Beweislast würde auch für die Wirtschaft mehr Rechtssicherheit bringen, denn wenn ein Unternehmen alle Vorkehrungen getroffen hat, hat es nichts zu befürchten.

Die Reaktionen, auf die bereits im Januar angekündigte Konzernverantwortungsinitiative, aus der Wirtschaft sind noch recht unterschiedlich. Eine seriöse Analyse sei im Moment noch nicht möglich, da noch zu viele Fragen offen seien, sagte ein Vertreter des Schweizer Wirtschaftsverbands Economiesuisse gegenüber der NZZ. Dagegen sieht Antoinette Hunziker-Ebneter, Ex-Vorsitzende der Schweizer Börse und heute CEO der Forma Futura Invest AG, ehre die Vorteile und Notwendigkeit der Initiative. „Es werden Corporate Responsibility Berichte veröffentlicht und Kommunikationsfachpersonen auf Nachhaltigkeit geschult“, so Hunziker-Ebneter. „Dies ist zu begrüßen. Jedoch bleibt oft ein schaler Nachgeschmack. Halten die Unternehmen, was sie blumig versprechen? Sind die Bemühungen tatsächlich mehr als PR?“. Zumal sich immer wieder auch zentrale Branchen und Unternehmen der Auseinandersetzung und freiwilligen Initiativen um Menschenrechts- oder Umweltthemen entziehen würden. Hunziker-Ebneter: „Und genau deswegen reichen freiwillige Maßnahmen nicht aus“.

Die Konzernverantwortungsinitiative im Internet.


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