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„Killquestion“: Wo wird unabhängiger zu abhängigem Journalismus?

Contentpartnerschaften, knappe Redaktionsbudgets und die Zusammenarbeit von Redaktion und Marketing: Das CSR MAGAZIN sprach für die Juni-Ausgabe „Tu‘ Gutes und schreibe darüber“ mit zwei Experten der Berliner Dekra Hochschule: Prof. Michael Beuthner, dem Leiter des Studiengangs Journalismus, und Prof. Udo Bomnüter, dem Leiter des Studiengangs Medienmanagement.

Berlin (csr-news) – Contentpartnerschaften, knappe Redaktionsbudgets und die Zusammenarbeit von Redaktion und Marketing: Das CSR MAGAZIN sprach für die Juni-Ausgabe „Tu‘ Gutes und schreibe darüber“ mit zwei Experten der Berliner Dekra Hochschule: Prof. Michael Beuthner, dem Leiter des Studiengangs Journalismus, und Prof. Udo Bomnüter, dem Leiter des Studiengangs Medienmanagement. Das Interview führte Tong-Jin Smith.

CSR MAGAZIN: Mich interessieren die Grauzonen im Journalismus, die aktuell in den Medienmagazinen Journalist, MediumMagazin und Wirtschaftsjournalist diskutiert werden. Wie bewerten Sie diese Entwicklung hin zu einer vermehrten Kommerzialisierung der Medien? Ist der unabhängige Journalismus am Ende?

Michael Beuthner: Die Frage nach der Grauzone, wo also unabhängiger Journalismus aufhört und abhängiger Journalismus anfängt, nenne ich eine „Killquestion“. Was will ich damit sagen? Ich glaube, dass man keine roten, gelben oder blauen Linien ziehen kann, wo etwas aufhört oder wo etwas beginnt. Für mich ist eher entscheidend, wo die Grauzone entweder weiß oder schwarz ist. Schwarz im negativen Sinne: Wo ist ein Einfluss offensichtlich und direkt? Und an diesem Punkt gibt es für mich keinen Diskussionsbedarf. Das, was eher in die weißliche Richtung geht, sind etwa Nebenjobs, wobei wir nicht naiv sein sollten. Denn ich glaube, dass ganze Magazine ohne eine gewisse Nähe zu den üblichen Verdächtigen, ohne Material, das sie auf diesem Wege bekommen, nicht existieren können.

Viele freie Journalisten haben ein zweites Standbein in der PR. Solange sie markieren, wann sie welchen Hut auf haben, ist das für mich völlig ok. Sobald aber ein direkter Einfluss auf die redaktionelle Arbeit sichtbar wird und sich Werbung mit redaktionellem Inhalt mischt, gibt es für mich nichts mehr zu diskutieren. Dann haben wir einen Fall von abhängigem Journalismus. Und da gibt es auch keine Ausreden, etwa dass sich die Abteilung Layout nicht mit der Redaktion besprochen hat und im Ergebnis eine Anzeige neben einem Text steht, in dem der Anzeigenkunde erwähnt ist.

Udo Bomnüter: Aus der Medienmanagementperspektive sehe ich eher den Nutzen. Natürlich ist es sehr verlockend zu sagen: Je mehr wir Online Content Marketing und Native Advertising den redaktionellen Inhalten angleichen können, desto besser. Aber ich finde, dass es einer Kennzeichnungspflicht bedarf. Der Leser oder Zuschauer sollte die Möglichkeit erkennen können, dass es sich um Werbung handelt. Dass die meisten es trotzdem nicht erkennen werden, liegt ein bisschen in der Natur der Sache, aber es sollte nicht schon vom Medium so angelegt sein.

So wie es jetzt ist, ist es mittel- bis langfristig nicht förderlich. Denn Medien ruinieren ihren Ruf. Die etwas aufmerksameren Rezipienten merken, wenn da etwas vermischt wird. Und ich kenne genügend Leute, die dann sagen: Das ist doch sowieso alle gekauft. Und ein Medium, das keinen guten Ruf hat, nicht glaubhaft ist, ist für Anzeigenkunden kein geeignetes Werbeumfeld. Das geht nach hinten los.

CSR MAGAZIN: Wenn Medien, vor allem Print- und Onlinemedien, zu weiten Teilen durch Anzeigen finanziert werden, stellt sich die Fragen: Wie frei können Journalisten berichten? Können sie einen großen Anzeigenkunden kritisch unter die Lupe nimmt?


Prof. Michael Beuthner

Michael Beuthner: Anzeigenverkäufe heißen für die Redaktion nicht, dass darauf Lobhudelei oder vermehrte Berichterstattungen stattfinden müssen. Wenn ich das vertraglich so deale, dann ist es etwas anderes. Und leider gibt es das auf ganz anderen Ebenen, wo sich der Journalismus selber verkauft. Verlage bieten sich ja in Bezug auf Exklusivität als Medienpartner für Events an. Was ist das denn? Was ist, wenn ein sich Verlag eine Buchedition kauft und diese anbietet? Das sind mehr als einfach nur Grauzonen. Natürlich wollen Verlage Geld verdienen, logisch. Aber ich finde, das ist etwas anderes, als wenn ich um meine Kunden werbe. Wenn also von Geo oder Geo Saison eine Flussfahrt angeboten wird, finde ich das weniger bedenklich – solange man weiß, dass es sich dabei um Kundenwerbung handelt.

Udo Bomnüter: Ganz ehrlich: Das ist ja nichts Neues, dass eine Berichterstattung erfolgt und dafür eben auch eine Werbung geschaltet wird. Ich finde es ok, solange der kritische Journalismus gewahrt ist. Ein Lifestyle-Magazin ist darauf angewiesen, dass Kunden Material zur Verfügung stellen und die Redakteure darüber berichten kann. Wenn man das so koppelt, ist das ok. Aber in dem Moment, wenn ein Medium mit Qualitätsjournalismus wirbt – wie etwa die Süddeutsche oder andere Leitmedien -, finde ich es wesentlich kritischer. Da darf das nicht passieren. Ich bezahle schließlich Geld für ein journalistisches Produkt, das eben nicht durch Werbung verfärbt ist.


Prof. Udo Bomnüter

Michael Beuthner: Aber ich würde keine Graduierung vornehmen, also dass man etwa bei der Frau im Spiegel ein Auge zudrücken sollte und bei der SZ eher nicht. Nein, wenn es darum geht, welchen Hut man gerade aufhat oder wenn es um Einflussnahme geht, gilt die Markierungspflicht durchgängig.

Udo Bomnüter: Da widerspreche ich, denn für mich kommt es ein bisschen auf die Sektion an. Wenn ich z.B. etwas über Mode schreibe und eine zum Thema passende Marke positiv darstelle, von der ich aber Werbung bekommen habe, habe ich damit weniger Probleme, als wenn es sich um eine Berichterstattung zu einem gesellschaftliche hoch relevanten Thema handelt.

CSR MAGAZIN: Man kann ja gar nicht über ein neues Gadget, Auto oder Kleid berichten, wenn man nicht von der Firma als A-Journalist identifiziert wird und entsprechend Zugang zu dem Produkt erhält.

Udo Bomnüter: Wenn man aber zu kritisch schreibt, um sich von der Masse abzusetzen, kann es eben auch sein, dass man von der Liste gestrichen wird. Dann hat man keinen Zugang mehr zu den Autos einer bestimmten Marke. Und dann fragen die Leser, warum sie in diesem Magazin keine Berichterstattung mehr zu der Marke finden können.

Michael Beuthner: Genau aus diesem Grund darf die Ethikkeule nicht zum naiven Imperativ werden. Denn viele Ressorts und ganze Magazine würden nicht existieren, wenn sie nicht das Material von den üblichen Verdächtigen benutzen könnten. Trotzdem muss man sich fragen – und hier geht es um die schwimmenden Grenzen – wann etwas Werbung und wann ist es noch eine Produktbeschreibung ist. Machen wir uns doch nichts vor: Wenn etwa die Bild-Zeitung vom roten Teppich berichtet und da steht dann der Name einer Schauspielerin und dahinter in Klammern Chanel oder Dior, dann ist das Werbung.

CSR MAGAZIN: Genau dafür hat der Designer der Schauspielerin das Kleid zur Verfügung gestellt, genau deshalb trägt sie es auch. Es ist ein Deal. Die Medien sind dann Helfershelfer.

Udo Bomnüter: Das ist ja in der Klatschberichterstattung gerade das Interessante. Gala-Leser interessieren sich wahrscheinlich genau dafür, welche Schauspielerin welches Kleid von welchem Designer getragen hat. Das kann man das den Lesern nicht vorenthalten mit der Begründung, es könnte missverstanden werden.

CSR MAGAZIN: Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang solche Veranstaltungen, bei denen Journalisten mit Entscheidungsträgern in vertrauter Runde zum Dinner zusammentreffen? Ist das nicht etwas zu kuschelig?

Michael Beuthner: Wenn ich als Journalist Möglichkeiten habe, in interne Zirkel zu kommen, oder wenn Politiker mich zum Vieraugengespräch einladen, dann wollen sie Einfluss auf mich ausüben. Und die Situation ist bei so einem gesponserten Event genauso, weil vielleicht gezielt eingeladen wurde. Am Anfang ist das für Journalisten eine Chance, mit diesen Leuten überhaupt zu sprechen. Sie müssen nur wissen, dass ihr Gegenüber sehr eindimensional mit ihnen kommunizieren wird. Das gilt aber bei jedem PR-Gespräch und eventuell auch bei jedem Politikergespräch. Die Frage ist nur, ob ich meine Berichterstattung dadurch lenken lasse. Denn ich kann immer noch kritisch schreiben – auf die Gefahr hin, dass ich denjenigen nie wieder treffe.

Udo Bomnüter: Auch der Journalist ist ja ein Mensch. Und wenn er sagt: „Ist das nicht toll, dass ich mit dem dagesessen habe und berichten durfte?“ Und wenn er dann weggeht und kritisch berichtet, dann darf halt beim nächsten Mal der Kollege das Gespräch führen, der weniger kritisch ist. Das ist eben der Konflikt.

CSR MAGAZIN: Leser sind – gerade Online – konstant mit Native Advertising, Advertorials, Content Marketing konfrontiert und merkt oft nicht, wer der Absender einer Botschaft ist. Wäre es nicht ehrlicher, wenn Unternehmen – statt journalistische Formate zu infiltrieren – Corporate Publishing als Kommunikationsmittel einsetzen? E-Plus macht das ja z.B. mit dem Webportal Curved.

Michael Beuthner: Das ist doch eine gute Markierung dessen, was da passiert. Corporate Publishing heißt dann aber: „wir berichten nur im Sinne der Deutschen Bahn“ oder irgendeines anderen Kunden. Darauf darf sich eine Tageszeitung nicht beschränken, als Konzept ist das undenkbar. Das kann nur ein Sonderprodukt sein, so wie es eben Verlage wie Gruner + Jahr als Geldquelle nutzen.

Udo Bomnüter: Als Marketer würde ich sagen, dass Corporate Publishing sehr zielgruppenabhängig ist. Wenn ich eine unkritische Zielgruppe habe, dann ist das eine gute Lösung. Aber wenn ich eine Zielgruppe erreichen will, die kritischer ist, dann würde ich meine PR-Anstrengungen auf Qualitätsmedien konzentrieren, damit dort in meinem Sinne berichtet wird. Denn kritische Zielgruppen erreiche ich mit Corporate Publishing nicht.

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Immer mehr etablierte Verlage drängen ins Corporate Publishing – ob nun Axel Springer, der FAZ-Verlag, der SZ-Verlag oder der Zeit-Verlag. Allein in der DACH-Region werden von Unternehmen jährlich fast sechs Milliarden Euro investiert, wobei der Großteil auf digitale Formen der Unternehmenskommunikation entfällt.

Udo Bomnüter: Gerade jüngere Zielgruppen legen weniger Wert darauf, wo sie online Inhalte finden, und hier verlieren klassische Massenmedien an Marktanteilen. Mit Corporate Publishing kann ich meine Zielgruppe viel spitzer und mit besserem Content erreichen. Einen Extremsportfan zieht es vielleicht zu Red Bull und den Inhalten, die zum Markenkern des Unternehmens passen.

Es passiert aber ebenso, dass sich die Werbeagentur Blumberry den ehemaligen stellvertretenden Chefredakteur vom Focus holt. Gerald Selch schreibt nun für Blumberry, aber nun mal journalistisch und ganz klar gekennzeichnet. Und er sagt, das funktioniert, weil die Leute diese spezifischen Inhalte suchen und ihnen vertrauen, wenn man es richtig macht.

CSR MAGAZIN: Also könnte man sagen, dass Content Marketing ein Zukunftsmodell für die Vermittlung von relevanten Inhalten ist?

Michael Beuthner: Mit einer klaren Trennung zwischen Unternehmens- und redaktionellen Inhalten, ja. Denn in der Tat besteht für jeden Verlag zurzeit das Problem – so sie sich mehr und mehr in die virtuelle Welt verlagern – wie diese Umsonstmentalität des Internets aufgehoben werden kann. Wie mache ich guten Journalismus bezahlbar? Da macht es Sinn, wenn Verlage beschließen, eine Corporate-Abteilung aufzumachen, um vielleicht Publikumsmedien quer zu subventionieren.

CSR MAGAZIN: Es darf aber keine Kooperationen zwischen Redaktion und Corporate Publishing geben. Das wäre sonst der Moment, in dem die Publikumsmedien ihre Glaubwürdigkeit einbüßen. Freie Journalisten, die zwischen den Redaktionen hin- und herwechseln, müssen immer wissen, wann sie welchen Hut aufhaben, und sich am Ende entscheiden, wie er sich positioniert, oder?

Michael Beuthner: Ja, aber manchmal gibt es auch Fälle, in denen es zu Verantwortungsverortungen kommt. Ein Fall betrifft das Onlineangebot der Stuttgarter Zeitung. Da gab es ein Themenspecial, das zum Großteil aus PR-Material bestand und von Stuttgart Internet Regional (SIR), einem Tochterunternehmen der Zeitung, produziert worden war. In der Navigation versteckte sich der Hinweis „Anzeige“, und dennoch behauptete der zuständige SIR-Chefredakteur, dass es sich bei diesem Special um Journalismus handelte. Und der Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung hat das alles gar nicht kommentiert.

Viele Dinge sind ja heute outgesourced, kommen aber unter das Label einer vertrauenswürdigen Zeitung. Dann muss jemand, der das Sagen Verantwortung für die Qualität der Inhalte übernehmen. Man kann diese Verantwortung nicht auf den Zulieferer verschieben.

Udo Bomnüter: Kompetenz im Journalismus wird wohl kein Unternehmen haben, die muss man bei den Qualitätsmedien suchen. Aber wenn es um andere Bereiche geht – etwa um Lifestyle oder Autos -, kann es sein, dass Corporate Publishing oder Content Marketing einen guten Teil davon übernehmen. Da ist die journalistische Unabhängigkeit nicht so wichtig ist wie in Bereichen, wo es mehr um Vertrauensgüter geht.

Michael Beuthner: Wenn man eine Gesamtschau bezüglich abhängigem oder unabhängigem Journalismus wagt, dann sieht man einerseits das Werbliche oder die Vermischung. Aber ich sehe fast ein größeres Gefahrenpotenzial, dass politisch und über Lobbyismus auf Journalismus Einfluss genommen wird. Oder Medien verkaufen sich der Exklusivität wegen. Sandra Maischberger lädt Carsten Maschmayer in ihre Sendung ein, weil er seit vielen Jahren nicht im Fernsehen war – vielleicht aus guten Gründen – und lässt sich darauf ein, dass er sich da die Hände reinwaschen kann. Das ist eine Prostitution an die Exklusivität, da verkauft sich Journalismus dann selber.

Oder da führt Marietta Slomka mal ein hartes Interview mit Sigmar Gabriel. Und was passiert hinter den Kulissen? Horst Seehofer ruft den ZDF-Intendanten Thomas Bellut an. Das ist starker Tobak. Ebenso lohnt es darüber nachzudenken, welche Macht Parteibücher immer noch in den Fernsehräten haben. Da ist Journalismus noch unglaublich abhängig.

Was heißt es denn, dass im Vertrag der Axel Springer-Redakteure stehen soll, dass sie das Existenzrecht Israels nicht anzweifeln dürfen? Da wird ein Günther Grass, der ein Gedicht schreibt „Was gesagt werden muss“, im Feuilleton gar nicht besprochen – mit der Begründung, das sei ein politisches Pamphlet. Oder ein Jakob Augstein, der sich Israel zu kritisieren traut, landet auf einer Liste der zehn schlimmsten Antisemiten in Deutschland.

CSR MAGAZIN: Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die Compliance-Erklärung führender Unternehmen zum Thema Einflussnahme auf Medien?

Michael Beuthner: Böse ausgedrückt ist das für mich Greenwashing. Wer glaubt denn im Ernst, dass Unternehmen wirklich ihren Einfluss auf Journalisten aufgeben wollen? Dann können sie ihre PR-Abteilungen schließen. Ich will nicht sagen, dass alles, was aus PR-Abteilungen kommt, persuasiv ist. Vieles ist auf Austausch und Information ausgelegt. PR und Journalismus sind ja voneinander abhängig.

Udo Bomnüter: Das ist wie mit der Compliance sonst auch. Man entwickelt eine Menge Regeln und macht sie dann so kompliziert, dass es am Ende keiner mehr versteht. Wenn ich einen großen Stapel Papier vor mir habe, steige ich doch nicht mehr durch, auch als Journalist.

CSR MAGAZIN: Auch wenn Compliance-Richtlinien kompliziert sein können: Für eine direkte Beeinflussung von Journalisten durch Unternehmen muss es Grenzen geben, oder?

Udo Bomnüter: Es kommt auf den Einzelfall an, was dahintersteckt und wie die Unternehmenskultur gestrickt ist. Und man muss sich an den eigenen Ansprüchen messen lassen und schauen, wie groß der Schaden ist, den man begrenzen oder verhindern kann. Ein Beispiel ist eine Hamburger Klinik, die Schlagzeilen bekam wie „Der Ebolakranke kommt nach Hamburg“ und wo eine Panikmache entstand. Die Pressesprecherin hat eine bekannte Journalisten davon überzeugt, nicht in 24 Stunden, sondern innerhalb von acht Stunden einen anderen Artikel zu lancieren, in dem der zuständige Tropenarzt voll zur Geltung kam und bestätigen konnte, dass keine Gefahr bestand und dass alle erforderlichen Maßnahmen getroffen waren. Durch ihre persönlichen Kontakte und ihren Einfluss hat die Pressefrau das hinbekommen und eine völlig unbegründete Panikmache abwenden können. Und das finde ich völlig ok.

Michael Beuthner: Es gibt auf beiden Seiten unterschiedliche Kommunikationsabsichten. Manchmal hat die PR einfach nur eine Informationsabsicht, wenn sie eine Pressekonferenz ankündigt. Da muss ich nicht viel gegenkompensieren oder gegenrecherchieren. Dann will die PR mal persuasiv sein oder ist auf Dialog aus. Das muss ein Journalist unterscheiden können. Je mehr es also Information ist, desto mehr versteht sich der Journalist als Chronist und gibt diese Information weiter. Angesichts von Persuasion haben Journalisten Instrumente, um gegenzusteuern: Gewichtsverlagerung, einen anderen Schwerpunkt setzen, gegenrecherchieren, gar nicht berichten, was auch immer.

CSR MAGAZIN: Aber wir spüren ja noch die Auswirkungen der Medienkrise und dem Schrumpfen von Redaktionen und Budgets. Welche Gefahren verbergen sich denn dahinter?

Michael Beuthner: Wenn wir über solche Aspekte wie Zeit- oder Konkurrenzdruck oder Ressourcenschrumpfung sprechen, dann erreichen wir viele andere Ebenen. Wenn Professionsstandards wie Richtigkeit vor Schnelligkeit über den Haufen geworfen werden, wird es kritisch. Print wird weiter schrumpfen und es muss noch viel mehr kompensieren wird. Printjournalisten müssen sich darüber klar werden, dass sie das Medium von gestern sind. Das bedeutet umgekehrt: Sie müssen mehr Hintergrund, mehr Tiefe, mehr Erläuterung, mehr Kommentierungen und mehr Kritik bringen müssen – was wiederum mehr Zeit braucht als die kurze Meldung, die sich auf Smartphones und Tablet verlagern. Darin liegt die Krux.

Udo Bomnüter: Journalisten müssen sich darauf konzentrieren, plattformunabhängig zu arbeiten und trotzdem Standards einzuhalten. Dazu braucht es eben neue Strukturen. Wenn ich nur zwei Stunden Zeit habe statt einem ganzen Tag, muss ich trotzdem gründlich recherchieren und nicht einfach etwas übernehmen, wie sie geliefert wird. Das betrifft auch Fotos, die ich nicht einfach ungeprüft veröffentlichen kann. Grundsätzlich kann es nicht sein, dass die Qualität schlechter wird, nur weil ich ein schnelleres Medium nutze.

CSR MAGAZIN: Das heißt für mich ebenso, dass ich dem Leser und Zuschauer einen Gegenwert liefern muss. Es kann nicht sein, dass 90 Prozent dessen, was veröffentlicht wird, auch anderswo zu finden ist. Exklusivität ist hier das Stichwort.

Michael Beuthner: Ich glaube übrigens, dass der Zeitmangel, der immer wieder als Begründung angeführt wird, in vielen Fällen hausgemacht ist. Heute geht extrem viel Zeit für Konferenz 1 bis 10 und für Feedbackschleifen drauf, aber auch für Kommunikation mit dem Leser via Soziale Medien. Mich würde eine Brutto-Netto-Rechnung interessieren, die zeigt, wieviel Zeit für Dinge aufgewandt wird, die mit der eigentlichen journalistischen Tätigkeit nichts zu tun haben.

CSR MAGAZIN: Herzlichen Dank!

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