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Pfeiffer berät Flüchtlinge und Arbeitgeber: Es fehlen „festgelegte Trampelpfade“

Welche Schritte müssen Arbeitgeber gehen, die Flüchtlinge einstellen wollen? Welche Unterstützung bieten Bund und Land? Das sind tägliche Fragen an die Sozialwissenschaftlerin Susanne Pfeiffer, die beim Caritasverband für den Oberbergischen Kreis Flüchtlinge zur Arbeitsintegration berät. Mit ihr sprach Achim Halfmann.

Hückeswagen (csr-magazin) – Welche Schritte müssen Arbeitgeber gehen, die Flüchtlinge einstellen wollen? Welche Unterstützung bieten Bund und Land? Das sind tägliche Fragen an die Sozialwissenschaftlerin Susanne Pfeiffer, die beim Caritasverband für den Oberbergischen Kreis Flüchtlinge zur Arbeitsintegration berät. Mit ihr sprach Achim Halfmann.

CSR NEWS: Frau Pfeiffer, welche Berufsausbildungen und Qualifikationen bringen die Flüchtlinge in Ihrer Region mit und wo könnten sie in Arbeit integriert werden?

Susanne Pfeiffer: Bei den derzeit eintreffenden Flüchtlingen wird nicht sogleich eine Kompetenzanalyse durchgeführt. Andere – humanitäre – Herausforderungen stehen zunächst im Vordergrund. Wenn ich mit den Integrationsbeauftragen in den Kommunen spreche, dann sind sie angesichts der Vielzahl von Flüchtlingen häufig schon mit deren Unterbringung und Versorgung mehr als gefordert. Das Thema Berufsintegration kann an dieser Stelle nicht im Fokus steht.

Arbeitsintegration braucht Vorbereitung: Ausreichende sprachliche Kenntnisse werden die zentrale Voraussetzung für den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt bilden.

Und da war es bisher so: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanzierte den Sprachkurs nur für solche Flüchtlinge, die eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben. Diese Menschen leben teilweise über Jahre mit einer Duldung oder Gestattung in Deutschland und brauchen in dieser Zeit schon Sprachkurse. Denn grundsätzlich können sie sich ebenfalls um eine Arbeit bemühen.

Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen und öffentlichen Absichtserklärungen von Arbeitgeberverbänden, Flüchtlinge in Arbeit zu integrieren, sollte der Bund auf diesem Gebiet doch mehr leisten.

Es kommt tatsächlich derzeit einiges in Bewegung. So gibt es neuerdings auch Töpfe, aus denen Sprachkurse für gestattete und geduldete Flüchtlinge finanziert werden. Allerdings ist es nicht so leicht, das Angebot an Sprachkursen schnell zu erweitern. Denn dafür werden qualifizierte Lehrer gebraucht, und somit müssen Lehrerqualifizierungsmaßnahmen eruiert werden.

Um die Begriffe richtig zu verstehen: Die besten Chancen auf einen Arbeitsplatz haben Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis?

Genau, diese Gruppe kann langfristig in Deutschland leben und sich ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde und ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit um Arbeitsplätze bemühen. Auch Flüchtlinge mit einer „Gestattung“ oder „Duldung“ sind nach drei Monaten Aufenthalt arbeitsberechtigt und können sich somit um einen Arbeitsplatz bemühen. Aber dann prüft die Arbeitsverwaltung in jedem Einzelfall, ob der ihnen von einem Arbeitgeber angebotene Arbeitsplatz nicht auch mit einem deutschen Arbeitssuchenden, einem EU-Bürger oder einem Flüchtling mit Aufenthaltserlaubnis besetzt werden könnte. Ein Arbeitgeber kann einen anerkannten oder geduldeten Flüchtling also nicht ad hoc einstellen, sondern er lässt sich auf die nötige Vorrangprüfung ein, in deren Verlauf sich andere Bewerber vorstellen und begründet abgelehnt werden müssten. Erst nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland können alle Flüchtlinge ohne diese „Vorrangprüfung“ beschäftigt werden.

Das Verfahren macht es den potentiellen Arbeitgebern nicht leicht, Flüchtlinge einzustellen.

Ja, und hinzu kommt ein zweiter Prüfungsschritt, der diesmal dem Schutz der Flüchtlinge selbst gilt. Geprüft wird die Vergleichbarkeit der Arbeitsbedingungen. Flüchtlinge sollen nicht zu Billiglöhnen beschäftigt oder mit überlangen Arbeitszeiten konfrontiert werden. Diese Prüfung nimmt etwa zwei bis drei Wochen in Anspruch. Ich treffe hier im Oberbergischen Kreis viele Arbeitgeber mit einer hohen Bereitschaft, Flüchtlinge zu beschäftigen. Aber es gibt da noch keine „festgelegten Trampelpfade“ und die Verfahren sind für manchen Unternehmer nicht transparent. Das sind Hindernisse.

An dieser Stelle setzt Ihre Tätigkeit in der Beratungsstelle an.

Wir können einerseits über das Verfahren informieren. Andererseits kennen wir aber auch den Flüchtling und können etwa seine sprachlichen Fähigkeiten einschätzen. Das vermittelt dem Arbeitgeber wiederum Sicherheit in seiner Entscheidung für den Flüchtling.

Sie bringen also arbeitsuchende Flüchtlinge und Arbeitgeber mit einem Stellenangebot passgenau zusammen und helfen bei der Bewältigung der administrativen Hürden.

Für viele Flüchtlinge und ihre potentiellen Arbeitgeber stellt sich die Frage, wie ausländische Schul-, Studien oder Berufsabschlüsse in Deutschland anerkannt werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung bietet dazu das sehr hilfreiche Internetportal „Anerkennung in Deutschland“. Dort lässt sich ermitteln, wo für welche Berufsqualifikationen aus welchen Ländern ein Antrag auf Anerkennung oder Gleichwertigkeit gestellt werden kann. Ein Problem dabei ist, dass viele Flüchtlinge ihre Zeugnisse und Urkunden nicht mitbringen konnten. Manche jüngeren Leute machen sich u.a. deshalb auf die Suche nach einem Ausbildungsplatz, um sich eine neue berufliche Identität zu erarbeiten.

Sind die Hürden für eine Ausbildung ähnlich hoch wie für die Aufnahme einer Beschäftigung?

Nein, für Flüchtlinge mit Duldung oder Aufenthaltsgestattung entfällt bei der Aufnahme einer Ausbildung die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit. Ausbildungsbetriebe dürfen Flüchtlingen zudem ein sogenanntes Orientierungspraktikum anbieten – bis zu drei Monaten unbezahlt. Das ist vor einer regulären Arbeitsaufnahme nicht möglich, obwohl auch hier ein vorheriges Kennenlernen sinnvoll sein könnte. Zur Vorbereitung von Arbeitsaufnahmen außerhalb einer Ausbildung bietet sich die Möglichkeit einer Hospitation. Allerdings darf der Hospitant seinen Kollegen nur „über die Schulter schauen“ und nicht selbst Hand anlegen. Dieser kann dann eine mindestlohngebundene und zustimmungspflichtige Probebeschäftigung folgen, bevor es dann bestenfalls zum Unterschreiben eines Arbeitsvertrags kommt.

Welche Chancen besitzen Flüchtlinge auf ein Studium an einer deutschen Hochschule oder Universität?

Die ersten deutschen Hochschulen wenden sich gezielt den Flüchtlingen zu. So bietet beispielsweise die Universität Köln – gut erreichbar für die Flüchtlinge im Kreis Oberberg – auf ihrer Homepage dieser Zielgruppe eine Beratung zur Studienaufnahme an. Schulabschlüsse, die im Heimatland eine Hochschulzugangsberechtigung haben, sind in Deutschland im Grundsatz anerkannt, d.h. die Hochschulen entscheiden im eigenen Ermessen, ob mit vorliegenden Unterlagen ein Studium aufgenommen werden kann. Sie richten sich nach den Vorgaben des Internetportals des Bundesministeriums für Bildung und Forschung „Anerkennung in Deutschland“. Andererseits sind von den Flüchtlingen weitergehende Sprachkenntnisse gefordert als für eine Berufsaufnahme. Diese wiederum unterstützen die Hochschulen mit eigenen Sprachkursen und der DSH-Sprachprüfung. Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen haben Zugang zu BAföG – sofern die allgemeinen übrigen Voraussetzungen für BAföG vorliegen. Ab Januar wird der BAföG-Zugang für geduldete Flüchtlinge nach 15 Monaten ununterbrochenen Aufenthalts in Deutschland – statt vorher vier Jahren – gewährt. Gestattete Flüchtlinge – also die Asylbewerber – haben keinen Zugang zu BAföG. Und bei Flüchtlingen mit einer Duldung oder Gestattung gilt die Residenzpflicht: Sie müssen den Studienplatz von den ihnen zugewiesenen Wohnorten aus erreichen, sofern sie den Unterhalt nicht selbst bestreiten können.

Werden wir in Deutschland angesichts der steigenden Zahlen an Flüchtlingen in unserer Mitte besser bei deren Arbeitsintegration?

Es bewegt sich vieles. Ein Beispiel aus der Arbeitsverwaltung: Wer als Flüchtling drei Monate in Deutschland lebt, kann sich grundsätzlich bei den Arbeitsagenturen arbeitssuchend melden. Da Arbeitsagenturen bei anerkannten Flüchtlingen nicht zuständig sind, bei gestatteten und geduldeten aufgrund der Bezüge auf Basis des Asylbewerberleistungsgesetzes nun aber zuständig werden, sind diese nun mit einer neuen Personengruppe konfrontiert. An einigen Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit wurden daher „Integrationpoints“ erprobt, spezielle Anlaufpunkte für Flüchtlinge. Nach deren erfolgreicher Erprobung sollen die „Integrationpoints“ nun in viele Arbeitsagenturen integriert werden.

Mein Eindruck ist: Viele Betriebe sind bereit, Flüchtlinge aufzunehmen, stehen aber vor undurchsichtigen bürokratischen Hürden. Jetzt müssen zügigere Abläufe und insbesondere ein neues zustimmungs- und mindestlohnfreies „Erprobungs-Praktikums-Modell“ her, die eine Arbeitsaufnahme von Flüchtlingen attraktiv machen. Und das muss schnell genug gelingen, damit sich Betriebe nicht enttäuscht abwenden. Die Anfang 2016 startende BA-Maßnahme „Perspektive für Flüchtlinge“ (PerF) geht darauf ein. Ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Informationen zur Anerkennung von Bildungsabschlüssen finden Sie hier: http://www.anerkennung-in-deutschland.de


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