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Nicht mal eine Handvoll Stroh – Tierschutzbund steigt aus Initiative Tierwohl aus

Seit seiner Gründung steht die Initiative Tierwohl unter keinem guten Stern – ständig knirscht es im Getriebe. Dem Deutschen Tierschutzbund reicht es nun, er steigt aus dem Beratergremium aus und übt scharfe Kritik. Damit ist der Initiative ihr wichtigster Imageträger abhandengekommen, denn vor allem die Tierschützer konnten Zweifler besänftigen. Jetzt bleibt die Frage, ob die Initiative Tierwohl eine Zukunft hat.

Bonn (csr-news) > Seit seiner Gründung steht die Initiative Tierwohl unter keinem guten Stern – ständig knirscht es im Getriebe. Dem Deutschen Tierschutzbund reicht es nun, er steigt aus dem Beratergremium aus und übt scharfe Kritik. Damit ist der Initiative ihr wichtigster Imageträger abhandengekommen, denn vor allem die Tierschützer konnten Zweifler besänftigen. Jetzt bleibt die Frage, ob die Initiative Tierwohl eine Zukunft hat.

„Deutschland muss Vorreiter in Sachen Tierwohl werden“, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt in der vergangenen Woche und kündigte für das kommende Jahr ein staatliches Tierwohlsiegel an (Bericht auf CSR-NEWS). Wenige Tage später steigt der Deutsche Tierschutzbund aus der privatwirtschaftlichen Initiative Tierwohl (ITW) aus und kritisiert vor allem die fehlende Perspektive des Bündnisses. Einen Zusammenhang zu erkennen wäre Spekulation, Fakt ist allerdings, die Haltungs- und Lebensbedingungen für Nutztiere in Deutschland zu verbessern scheint ein kompliziertes Anliegen. So kritisiert der Tierschutzbund, dass selbst einfachste Maßnahmen, wie eine Handvoll Stroh in den Schweineställen oder die Einhaltung des gesetzlichen Standards von drei Prozent Licht in den Ställen, innerhalb der Tierwohl-Initiative unüberwindbare Hindernisse sein. „Die Diskussion über die Umsetzung selbst kleiner Kriterien innerhalb der ITW zeigt erneut, dass es in Deutschland ein strukturelles Problem in der landwirtschaftlichen Tierhaltung gibt“, heißt es in der Begründung des Tierschutzverbands.

Angebot für eine Vielzahl von Betrieben

Wir haben die Vorstellungen des Deutschen Tierschutzbundes sehr ernst genommen und sie für die weitere Ausgestaltung berücksichtigt, hält die Initiative Tierwohl dagegen. „Mit dem aktuellen Entwurf wird es uns gelingen, ein realistisches Angebot für eine Vielzahl der Tierhalter zu machen und zusätzlich die Möglichkeit zu schaffen, innovative Kriterienkombinationen umzusetzen“, so Alexander Hinrichs, Geschäftsführer der Intiative Tierwohl. Hinrichs bedauert das Ausscheiden des Tierschutzbunds, will den eingeschlagenen Weg aber weitergehen. „Die Initiative Tierwohl möchte von ihrer Grundkonzeption her ein Angebot für eine Vielzahl von Betrieben bieten. Dies war auch dem Deutschen Tierschutzbund seit Beginn seiner Mitarbeit im Beraterausschuss bekannt“, so Hinrichs. „Wir haben bewusst einen anderen Ansatz gewählt als viele Labelprogramme, die aber über die Schaffung von Schnittstellen zukünftig eingebunden werden können.“ Erst in der vergangenen Woche hat die Initiative ihren Entwurf für die weitere Fortführung konkretisiert. Dabei wurden auch die Empfehlungen von Mitgliedern des Beraterausschusses berücksichtigt. Doch aus Sicht der Tierschützer setzt die ITW weiterhin auf Quantität statt Qualität. Zudem bliebe auf nicht absehbare Zeit die Transparenz für den Verbraucher auf der Strecke. „Wir haben unsere Vorschläge bereits früh eingebracht. Die nun getroffenen Beschlüsse sind viel zu vage und für uns kein Fundament, auf dem ein Anspruch hin zu mehr Tierschutz basieren kann. Unsere Hoffnung durch die Mitarbeit etwas zu verändern, hat sich nicht erfüllt. Es bleibt nur der konsequente Schritt, die Mitarbeit im Beraterausschuss zu beenden“, so Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.

 Schadensbegrenzung statt echtes Tierwohl

Kritik gibt es auch von PROVIEH, der zweiten NGO im Beraterkreis der Initiative. Erst im Juli äußerte sich deren Vorstandmitglied Udo Hansen verbittert: „Einfluss auf die Abläufe in der Initiative Tierwohl haben letztendlich nur die Gesellschafter, die konstruktiven Ratschläge von PROVIEH finden leider keine Berücksichtigung mehr.“ Man habe es eher mit halbherziger Schadensbegrenzung statt echtem Tierwohl zu tun. Dennoch bleiben die Tierschützer von PROVIEH dem Gremium zunächst erhalten. „Wenn wir jetzt ebenfalls aussteigen, bleibt das Tierwohl am Ende auf der Strecke“, so eine Sprecherin. Zudem würde dies die Initiative in eine echte Imagekrise stürzen. Schon der Ausstieg des Tierschutzbunds kratzt am Image. Denn, der Tierschutzbund hat die Glaubwürdigkeit der Initiative deutlich erhöht, räumt man auch bei der Initiative Tierwohl ein. Ohne die Mitarbeit zivilgesellschaftlicher Akteure wäre die Akzeptanz beim Verbraucher vermutlich deutlich geringer. Doch schon heute ist das Engagement der Initiative im Einzelhandel wenig sichtbar. Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik bei Bündnis 90/ Die Grünen hält die Initiative nach dem Ausscheiden des Tierschutzbunds für einen PR-Gag, ein Feigenblatt. „Wir brauchen eine verbindliche Haltungskennzeichnung, die sich am System der Eierkennzeichnung orientiert. Dann besteht Klarheit und Verlässlichkeit für die Akteure und die Verbraucher“, so seine Forderung.

Fortbestand nach 2020 sicherstellen

Wenig begeistert zeigte sich der Deutsche Bauernverband. „Für den erneuten Versuch des Tierschutzbundes, die Initiative Tierwohl auszubremsen, habe ich überhaupt kein Verständnis, so Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Entscheidend sei, dass das Tierwohl in der Fläche und damit für möglichst viele Tiere verbessert wird. „Fakt sei“, so Rukwied, „dass die Initiative Tierwohl der gegenwärtig einzige Ansatz sei, der dieses Ziel umsetze und zugleich eine wirtschaftliche Perspektive für die Tierhalter biete.“ Rukwied appellierte: „Statt auf durchsichtige Showeffekte zu setzen, sollte sich der Tierschutzbund im Interesse des Tierwohls gemeinsam mit den weiteren Partnern der Initiative Tierwohl gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel und den Verbrauchern positionieren.“

An der freiwilligen Initiative Tierwohl sind neben der Fleischindustrie die größten Einzelhändler und der Deutsche Bauernverband beteiligt. Die Händler haben sich verpflichtet, für jedes verkaufte Kilo Fleisch vier Cent in einen Fonds einzuzahlen. Mit dem Geld sollen Landwirte gefördert werden, die ihre Ställe umwelt- und tierfreundlicher ausbauen als gesetzlich vorgeschrieben. Teilnehmen können derzeit Geflügel- und Schweinehalter. Die nächste Förderperiode startet 2018. Zukünftig will man den Austausch zwischen Beraterausschuss und den Gremien der Initiative weiter intensivieren. Grundsätzlich hält man an der Initiative fest und will auch den Fortbestand nach 2020 sicherstellen. Bereits heute würden rund 12,8 Millionen Schweine und mehr als 240 Millionen Hühner von den Maßnahmen profitieren.

 


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