CSR-Wissen Unternehmensethik

Ehrbarer Kaufmann

Autor des Beitrags: Thomas HajdukWissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Wirtschaftsethik der Universität St.Gallen


Der Begriff des „ehrbaren Kaufmanns“ (auch als „Ehrbarer Kaufmann“ und „ehrbare Kaufleute“ bezeichnet) hat keine allgemein anerkannte Definition. Die Verwendung des Begriffs zeichnet sich jedoch in der Regel durch zwei Charakteristika aus: Erstens ist damit ein normatives Leitbild für Geschäftsleute gemeint, das sich, zweitens, in einer begrifflichen wie ethischen Tradition des Kaufmannsideals nordeuropäischer Hansestädte und italienischer Städte verortet.

Der Begriff des „ehrbaren Kaufmanns“ wird hauptsächlich von Industrie- und Handelskammern vertreten, da diese nach dem „Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern“ von 1956 dazu verpflichtet sind, „für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken“ (§ 1 Abs. 1 IHKG). Der Begriff des „ehrbaren Kaufmanns“ ist daher bei kleinen und mittleren Unternehmen bzw. im Mittelstand verbreitet, spielt jedoch keine Rolle bei (börsennotierten) Großunternehmen. Seit einigen Jahren wird der Begriff auch in der Betriebswirtschaftslehre sowie der Wirtschaftsethik rezipiert.

1. Der „ehrbare Kaufmann“ als individualethischer Ansatz

Der „ehrbare Kaufmann“ setzt bei Individuen und deren Verhalten im Wirtschaftsleben an, weswegen der Begriff als individual- bzw. tugendethischer Ansatz verstanden wird. In der Praxis bedeutet dies, dass persönliche Fähigkeiten, Fachwissen und Werte betont werden. Die dem Leitbild verpflichteten Verbände beschreiben den „ehrbaren Kaufmann“ u.a. als weltoffen, vertrauensvollen Geschäftspartner, der zu seinem Wort steht („sein Handschlag gilt“), nach dem Grundsatz von „Treu und Glauben“ handelt, ein gutes kaufmännisches Wissen besitzt, ein Vorbild für Mitarbeiter ist und Verantwortung für die Gesellschaft übernimmt. „Ehrbarer Kaufmann“ wird manchmal auch als Synonym für Unternehmer und Firmeninhaber verwendet, die ihr Unternehmen nach persönlichen Wertvorstellungen führen (etwa als christliche oder anthroposophische Unternehmer).

In der Wissenschaft ist der „ehrbare Kaufmann“ bisher hauptsächlich konzeptionell diskutiert worden. Dabei geht es um den ethischen Gehalt des Leitbilds, das Verhältnis zu Corporate Social Responsibility (CSR), die Rolle des „ehrbaren Kaufmanns“ in der Betriebswirtschaftslehre und die Bedeutung von Vertrauen. Empirische Arbeiten zu dem Selbstverständnis und der Praxis von Unternehmern, die sich heute als „ehrbare Kaufleute“ bezeichnen, stehen aus.

2. Kritik

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem „ehrbaren Kaufmann“ hat verschiedene Kritikpunkte hervorgebracht. So wird die retrospektive Natur des Leitbildes bemängelt, da sie eine vermeintlich historische Tradition konstruiere, die nicht kompatibel mit internationalen Geschäftspraktiken der Gegenwart sei und vor allem zur Abwehr von Konzepten wie CSR diene. Auch die individualethische Konzeption steht in der Kritik: Sie setze eine Homogenität von Werten und Lebensstilen der Angestellten voraus, die heute nicht mehr gegeben sei, überlaste das Individuum angesichts komplexer Verantwortungsketten und vereinfache Unternehmensverantwortung, indem es das Thema auf die individuelle Ebene reduziere. Als Folge dieser Kritik und in Ergänzung des individualethisch konzipierten „ehrbaren Kaufmanns“ wird ein institutionenethischer Ansatz gefordert, wie er sich beispielsweise in einem Wertemanagementsystem oder der Teilnahme an internationalen CSR-Standards ausdrücke.

3. Literatur

  • Beschorner, T./Hajduk, T. (2014): „Der ehrbare Kaufmann“ und „Creating Shared Value“. Eine Kritik im Lichte der aktuellen CSR-Diskussion, in: Schneider, A./Schmidpeter, R. (Hrsg.): Corporate Social Responsibility: Verantwortungsvolle Unternehmensführung in Theorie und Praxis, 2., erw. Auflage, Berlin: Springer (im Erscheinen).
  • Beschorner, T./Hajduk, T. (2012): Vom ehrbaren Kaufmann zur Unternehmensverantwortung, in: Forum Wirtschaftsethik Online, Nr. 2, 2–7.
  • Brink, A. (2013): Die Wiedergeburt des Ehrbaren Kaufmanns. In: Forum Wirtschaftsethik Online, Nr. 2., 2–7.
  • Graf, C./Stober, R. (Hrsg.) (2010): Der Ehrbare Kaufmann und Compliance: Zur Aktivierung eines klassischen Leitbilds für die Compliancediskussion, Hamburg: Verlag Dr. Kovač.
  • Günter F./Schwalbach, J. (Hrsg.) (2007): Der ehrbare Kaufmann: Modernes Leitbild für Unternehmer?, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Sonderausgabe Nr. 1.
  • Klink, D. (2008): Der Ehrbare Kaufmann – Das ursprüngliche Leitbild der Betriebswirtschaftslehre und individuelle Grundlage für die CSR-Forschung, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Jg. 78, Nr. 3, 57–79.
  • Raatzsch, R. (2014): Ehrbare Kaufleute. Eine philosophische Betrachtung. Wiesbaden: Springer.
  • Schank, C./Hajduk, T./Beschorner, T. (2014): Die institutionelle Verankerung organisationaler Verantwortung: Überlegungen zur ISO 26000, in: Kleinfeld, A./Martens, A. (Hrsg.): DIN ISO 26000– Gesellschaftliche Verantwortung erfolgreich umsetzen: Beispiele, Strategien, Lösungen, Berlin: Beuth (im Erscheinen).
  • Schwalbach, J./Klink, D. (2012): Der Ehrbare Kaufmann als individuelle Verantwortungskategorie der CSR-Forschung. In: Schneider, A./Schmidpeter, R. (Hrsg.): Corporate Social Responsibility. Verantwortungsvolle Unternehmensführung in Theorie und Praxis, Berlin: Springer, 219–240.
  • Stolz, R. (2008): Der ehrbare Kaufmann, in: Tabula Rasa. Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken, Nr. 34. Verfügbar unter: www.tabvlarasa.de/34/Stolz2.php (abgerufen am 12.3.2014).
  • Wegman, J./Zeibig, D./ Zielkens, H. (2009): Der ehrbare Kaufmann. Leistungsfaktor Vertrauen – Kostenfaktor Misstrauen, Köln: Bank-Verlag.

4. Links

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