CSR-Wissen Familienfreundlichkeit

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Autor des Beitrags: Dr. Olaf MußmannDr. Mußmann & Partner Personal- und Organisationsentwicklung


Menschen unterliegen häufig divergierenden Anforderungen. Sowohl das Berufs- als auch das Familienleben beanspruchen Zeit und erfordern Präsenz. Häufig führt dies in einen Ressourcenkonflikt, der Belastungen auslösen kann und spezifische Lösungen erfordert. Auf diesen Themenkreis bezieht die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Der Begriff des Berufs bezieht sich auf Erwerbstätigkeit in all seinen Formen ein schließlich Voll- und Teilzeitbeschäftigungen oder projektförmigen Beschäftigungsverhältnissen. Unter Familie wurde lange lediglich die klassische Elternfamilie verstanden. Grundlage des Familienverständnisses war biologische Verwandtschaft und das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt. In Zeiten gewandelter und vielfältig gewordener Formen des Zusammenlebens mit Eineltern-, Mehrgenerationen- und Patchworkfamilien greift dieser klassische Familienbegriff nicht mehr. In einem offeneren Verständnis ergibt sich Familie aus der Übernahme langfristiger Verantwortung für andere. Dabei kann es sich um eigene und angenommene Kinder handeln, um Lebenspartnerinnen und Lebenspartner, Eltern, Verwandte und selbst um Personen ohne Verwandtschaftbezug, denen gegenüber Sorge und Verpflichtungen übernommen werden.

Für Beschäftigte erweist sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als besonders problematisch, wenn sich zeitliche Ansprüche des Berufslebens mit denen des Familienlebens überschneiden. Dies kann schon bei regulären Betreuungszeiten, besonders aber in Notfällen auftreten, so etwa in Krankheitsfällen oder bei Schließzeiten von Kindergärten. Das Arbeitsleben bringt Vereinbarkeitskollisionen besonders bei Zusatzterminen, bei Überstunden oder bei Schichtarbeit mit sich. Zu Problemen können auch überlange Fahrzeiten zum Arbeitsort, wechselnde Einsatzorte, Fernbeziehungen oder weit entfernt lebende Kinder führen. Das Auffinden von Lösungen für Vereinbarkeitsprobleme erfordert in der Regel die Solidarität und Unterstützung der Teams und der Führungskräfte. Hinzu kommt, dass Personen mit Vereinbarkeitsthemen auf besondere Formen des Informationsflusses angewiesen sind, etwa weil sie in Teilzeit arbeiten oder sich im Mutterschutz bzw. in anderen Familienzeiten befinden. Im Fokus steht jedoch nicht alleine die Betreuung von Kindern, sondern auch die Übernahme von Pflegeaufgaben für erkrankte Ehe- oder Beziehungspartnern/innen, für pflegebedürftige Eltern oder für andere Familienangehörige.

Neben den terminlichen Organisationsproblemen ergeben sich aus der Übernahme von Familienaufgaben häufig emotional belastenden Situationen, die in das Berufsleben mit hineinspielen. In der Regel sind mit der Übernahme von Betreuungs-, Erziehungs- und Pflegeaufgaben auch finanzielle Belastungen verbunden. Wie gut die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Berufstätige umsetzbar ist, ergibt sich aus dem Zusammenspiel einerseits dieser Belastungen und andererseits den zur Verfügung stehenden Entlastungssystemen. Diese werden entweder durch den Staat, die Länder oder Kommungen organisiert, oder sie werden durch die jeweiligen Arbeitgeber bereitgestellt. In vielen Fällen wird die Entlastung auch privat organisiert. Hierzu hat sich inzwischen ein eigener Wirtschaftszweig mit bezahlten Angeboten etabliert. Berufstätige greifen daneben aber oft auch auf kostengünstigere selbstorganisierte Entlastungssysteme zurück, wenn beispielsweise Verwandte Aufgaben der Kinderbetreuung oder der Pflege übernehmen oder wenn im privaten Umfeld Nachbarschaftshilfe aufgebaut wird.

Abzugrenzen ist der Begriff von dem der Work-Life-Balance, der über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hinaus auch Hobbys, Freizeit, soziale Aktivitäten oder private Weiterbildungsinteressen mit einschließt. Häufig wird darunter auch ein Instrument zur individuellen Selbstverwirklichung und Sinngebung verstanden.

1. Entstehungsgeschichte

Die Herausforderung einer Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ebenso alt wie die Erwerbstätigkeit von Menschen. Inwieweit dies zur Belastung für berufstätige Menschen wird, hängt von der Art ihrer Arbeit sowie von der Form ihrer Einbindung in ihre Familie ab. Individuell kann dies sehr unterschiedlich sein. Die Rahmenbedingungen von Arbeit und Familie unterliegen aber auch dem historischen Wandel und sind abhängig von regionalen Strukturen und anderen sozialökonomischen Kontexten.

In der vorindustriellen Ökonomie war die Familie Wohn- und Arbeitsstätte zugleich. Seit der Antike waren diese „Erweiterten Haushalte“ Mehrgenerationenfamilien, die gegebenenfalls auch Verwandte und Hilfspersonal umfassten. In dieser in der Regel agrarisch geprägten Lebens- und Arbeitsform wurde die Vereinbarkeit von Beruf und Familie intern organisiert. Mit der zunehmenden Verstädterung seit der frühen Neuzeit und der anschließenden Industrialisierung veränderte sich Familie. Die private und die ökonomische Sphäre trennten sich, und die bürgerliche Familie bildete sich als Kernfamilie heraus. Sie zog sich auf die Eltern-Kind-Beziehung zurück und entwickelte eine größere Distanz zu anderen Personen und zu den Dienstboten. In der bürgerlichen Kernfamilie ging der Mann einem Beruf nach, während die Frau häusliche Familienaufgaben leistete. Auch in dieser Familienform stellte sich die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie kaum.

Das Thema gewann an Relevanz, als in der industrialisierten Gesellschaft des frühen 20. Jahrhunderts der Arbeitskräftebedarf stieg und Frauen in größerem Umfang berufstätig wurden. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelten sich die Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Ost- und in Westdeutschland angesichts unterschiedlicher staatlicher Rahmenbedingungen unterschiedlich.

2. Staatliche Rahmenbedingungen

Staaten gestalten die Möglichkeiten einer Vereinbarkeit von Beruf und Familie insbesondere durch ihre Frauen-, Familien-, Erziehungs-, Bildungs-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Dies erfolgt insbesondere durch die Gestaltung rechtlicher Regelungen sowie durch das Schaffen finanzieller und steuerlicher Anreize. Damit prägt der Staat auch die Art und Weise, wie Kommunen und Unternehmen ihre Vereinbarkeitsangebote ausrichten.
Die verschiedenen Staaten haben sehr unterschiedlich Möglichkeiten einer Vereinbarkeit von Beruf und Familie geschaffen. So beteiligten sich einer Eurostat-Erhebung von 2001 zufolge in Griechenland 34 % sowie in Luxemburg und Italien jeweils 31 % der Frauen im Alter zwischen 25 – 54 aufgrund familiärer Verpflichtungen nicht am Arbeits- und Erwerbsprozess. In Finnland lag dieser Anteil bei 7 %, in Dänemark bei 3 % und in Schweden bei weniger als 2 %. In der Bundesrepublik Deutschland lag der Anteil bei knapp 14 %. Inzwischen ist die Frauenerwerbsquote, also der Anteil der Frauen, die in teil- oder Vollzeit arbeiten, in vielen Mitgliedsstaaten gestiegen, nachdem sich die EU mit der Lissabon-Strategie im Jahr 2000 eine Steigerung zum Ziel gesetzt hatte. So stieg die Frauenerwerbstätigenquote in Deutschland von 60,6 % im Jahr 2005 auf 68 % im Jahr 2012. Gleichwohl ist zu konstatieren, dass sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den verschiedenen Mitgliedsländern der EU nach wie vor sehr unterschiedlich darstellt. Ursächlich hierfür sind insbesondere drei Aspekte:

a. Vorherrschendes Familienbild:

Herrscht auf staatlich-gesellschaftlicher Ebene ein konservatives Familienbild vor, welches Männern die Ernährerrolle und Frauen den Reproduktionsbereich zuweist, so steht dies der Förderung von Vereinbarkeitsmaßnahmen durch den Staat eher entgegen. Sind aus dieser Perspektive heraus die Hausfrauen für Kinder und für Pflegeaufgaben zuständig, so entfällt die entsprechende Zuständigkeit des Staates. Umgekehrt ergibt sich aus einem egalitären geschlechter- und Familienbild in der Gesellschaft eher die Notwendigkeit, Männern und Frauen gleichermaßen die Berufstätigkeit zu ermöglichen und daher die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit staatlichen Maßnahmen zu fördern.

b. Bedarf an Frauen als Arbeitskräfte:

Staaten, deren Volkswirtschaft einen hohen Arbeitskräftebedarf aufweisen, sehen häufig in der Mobilisierung von Frauen eine Möglichkeit, ihren Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Um den Frauen die Möglichkeit zur Berufstätigkeit zu geben werden dann Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie geschaffen. Besteht dagegen eine geringe Nachfrage nach Arbeitskräften, etwa bei hoher Arbeitslosigkeit, so ergibt sich aus dieser politischen Perspektive keine Notwendigkeit zur Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt.

c. Anspruch auf Erziehungsverantwortung:

Herrscht auf gesellschaftlicher Ebene die Auffassung vor, Familie und Kindererziehung seien Privatsache und der Staat habe sich aus Erziehungsfragen eher herauszuhalten, so liegt es nahe, auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als privates Problem zu betrachten. Beansprucht der Staat dagegen ein Recht auf Einflussnahme in Erziehungsfragen, so wird er dafür auch die Voraussetzungen schaffen. Dazu muss er entsprechende Erziehungseinrichtungen wie Krippen, Kindergärten, Horte und Schulen bereitstellen. Um den Einfluss auf die Kinder umfänglich umsetzen zu können sind Kinder aus dieser politischen Perspektive heraus bereits im Kleinkindalter einzubeziehen und möglichst ganztägig zu betreuen. Als Nebeneffekt ergeben sich gute Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

In der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft setzte sich ein konservatives Familienbild durch. Während des Krieges hatten Frauen die an der Front Dienst leistenden Männer in den Fabriken ersetzt. Nach der Rückkehr der Soldaten mussten sie ihre Arbeitsplätze wieder verlassen. Als weibliches Ideal etablierte die westdeutsche Gesellschaft nun das der Hausfrau als Mutter möglichst mehrerer Kinder. Im Boom des „Wirtschaftswunders“ reichte der männliche Alleinverdiener meist aus, um die Familie zu ernähren. Es bildete sich eine männlich dominierte Arbeitswelt heraus, in der sich die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie kaum stellte.

Die westdeutsche Politik griff dies auf. Mit Geldprämien wie dem Kindergeld oder Kinderfreibeträgen und einer familienfördernden Steuerpolitik und dem Ehegatten- und Familiensplitting setzte der Staat auf das konservative Familienmodell. Eine späte Fortsetzung findet dies mit dem jüngst verabschiedeten Betreuungsgeld. Als der Arbeitsmarkt in der Vollbeschäftigung der 1960er Jahren auch nach der Einbeziehung weiblicher Arbeitskräfte verlangte, entstanden mit Kindergärten verstärkt Angebote zur Vereinbarkeit. Es blieben allerdings in der Regel Halbtagseinrichtungen, die zwar Teilzeitkräften, nicht aber ganztägig arbeitenden Müttern eine Tätigkeit ermöglichten. Angesichts des damals vorherrschenden Frauen- und Familienbildes blieben Vereinbarkeitsthemen aber weitgehend Privatsache. Die Frauenerwerbsquote stiegt dann seit den 1970er Jahren weiter an. Grund hierfür waren die Emanzipationsbewegung, der Wertewandel mit seinen veränderten Ansprüche von Männern und Frauen an ihre berufliche und private Selbstverwirklichung und nicht zuletzt der Ausbau des Bildungssektors, der nun viele gut qualifizierte Frauen an den Arbeitsmarkt brachte. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familien wurde für eine steigende Zahl berufstätige Frauen zum Thema, auf das der westdeutsche Staat aber angesichts einer hohen Arbeitslosenquote kaum reagierte.

In Ostdeutschland verlief die Entwicklung anders. Die DDR erklärte die Kindererziehung aus ideologischen Gründen zur staatlichen Aufgabe, die den Kindergärten und anderen Erziehungseinrichtungen übertragen wurde. Aus diesem Grund, aber auch, weil die DDR Frauen als Arbeitskräfte brauchte, gab es ein gut ausgebautes Kinderbetreuungsangebot. Das Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Familie fand im Rahmen der sogenannte „Gleichstellungspolitik“ der DDR eine staatliche Lösung.

Im wiedervereinigten Deutschland rückte das Thema dann stärker in den öffentlichen Diskus, als seit der Wende zum 21. Jahrhundert im Fach- und Führungskräftemangel nach neuen Arbeitskräftereserven gesucht wurde. Der Gruppe der gut qualifizierter Frauen, die gar nicht oder nur in Teilzeit arbeiteten, sollten bessere Vereinbarkeitsbedingungen geboten werden. Im Fokus stand damit Frauenpolitik, und zwar in erster Linie als Angebot für Mütter. Dass auch die Pflege von Eltern eine Herausforderung für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist, rückte erst in die öffentliche Diskussion, als intensiver über Arbeitsmarkteffekte des Demografischen Wandels debattiert wurde. Das auch Männer als eine Gruppe wahrgenommen werden, die Vereinbarkeitsprobleme zu bewältigen haben, ist eine vergleichsweise neue Entwicklung: Nach wie vor leisten überproportional häufiger Frauen die Familienaufgaben, doch übernehmen angesichts gewandelter Rollenbilder inzwischen auch immer mehr Männer familiäre Pflege- und Betreuungsaufgaben. Als problematisch erweist sich für diese Männer dann allerdings häufig, dass ihre Vereinbarkeitsansprüche in extrem leistungsorientierten betrieblichen Arbeitskulturen oft noch weniger Akzeptanz finden als die der weiblichen Arbeitskräfte.

3. Umsetzung durch Länder und Kommunen

Den vom Staat gesetzten Rahmen nutzen die deutschen Bundesländer und vor allem die Kommunen für die Gestaltung ihrer eigenen Vereinbarkeitsangeboten. Betreuungsplätze für Kinder wie Krippen, Kindertagesstätten und Horte stellen die Kommunen bereit. Berufstätige Eltern brauchen diese in ausreichender Anzahl in erreichbarer Nähe und zu günstigen Konditionen. Arbeiten Sie in Vollzeit, so benötigen sie außerdem Betreuungsangebote, welche eine Berufstätigkeit auch am Nachmittag sowie während der Schulferien und in Notfallsituationen erlauben. In erreichbarer Nähe vorhandene Schulen und schulergänzende Angebote entlasten berufstätige Eltern ebenso, wie die Bereitstellung von Orten und Angeboten zur Nutzung durch Jugendliche. Ein gut ausgebauter ÖPNV ergänzt dies. Leistungen für Ältere sowie zur Pflege von Angehörigen werden in Deutschland in erster Linie von der Privatwirtschaft bereit gestellt, doch liegen Verantwortlichkeiten hierzu auch bei den Ländern und Kommunen. Berufstätige Pflegende brauchen wohnortnah angebotene Betreuungsmöglichkeiten und Dienstleistungen. Um Informationen über derartige Angebote und über Fördermöglichkeiten zu bekommen brauchen Pflegende einen guten Zugang zu den kommunal organisierten Kontakt- und Beratungsstellen. Unterstützung bei der Vereinbarkeit leisten Länder und Kommunen auch durch die Bereitstellung finanzieller Hilfen, etwa mit Betreuungsbeihilfen, mit Zuschüssen für familienfreundliches Wohnen oder mit Familienermäßigungen für die Nutzung öffentlicher Einrichtungen. In der Ortsentwicklung geht es um den Ausbau eines familienfreundlichen Wohnumfeldes mit Spielmöglichkeiten für Kinder, Orten der Begegnung für die verschiedenen Generationen und mit Kultur-, Freizeit- und Bildungsangeboten. Ebenso wichtig ist die Absicherung der Nahversorgung für den täglichen Bedarf. Auch die Verwaltungen selbst können ihre Familienfreundlichkeit beispielsweise durch die Anpassung Ihrer Öffnungszeiten bis in den Nachmittag oder Abend, durch die Bereitstellung zentraler Anlaufstellen für Familien oder auch durch die Breitstellung von Kurzzeit-Parkplätzen für Personen mit Familienaufgaben direkt vor den Behörden sowie vor Schulen und vor Kitas verbessern.

Die Effekte einer familienfreundlichen Kommunalpolitik gehen inzwischen weit über die individuelle Entlastung der Betroffenen hinaus. Seit der Demografische Wandel zu Bevölkerungsrückgängen insbesondere in randständigen ländlichen Regionen führt, wird kommunale Familienfreundlichkeit zunehmend zu einem Faktor für die Einwohnerbindung und zu einem Attraktivitätsfaktor für Zuzugsinteressierte. Berufstätige mit Familie sind in der Regel gute Steuerzahlende, welche die kommunalen Kassen füllen. Werden Umzugsentscheidungen, etwa aus beruflichen Gründen getroffen, so beeinflusst die Familienfreundlichkeit einer Kommune gerade qualifizierte Beschäftigte durchaus in ihrer Wohnortwahl. Kommunale Familienfreundlichkeit ist damit zugleich zu einem weichen Standortfaktor geworden, der Unternehmen in ihrer Ansiedlungspolitik beeinflusst. Viele Kommunen bauen daher ihre Betreuungsplätze für Kinder aus, verlängern die Öffnungszeiten bis in den Nachmittag, senken die Kita-Gebühren oder schaffen diese ganz ab und bauen eine Vielzahl weitere Angebote auf. Dies verursacht zusätzliche Kosten, die weniger zahlungskräftigen Kommunen jedoch kaum finanzieren können. Ihnen droht dann aber der Fortzug von Familien und damit weitere steuerliche Einnahmenausfälle.

Kommunen organisieren die entsprechenden Entwicklungsprozesse selbst oder kaufen dazu Beratung ein. Besonders erfolgreich waren Kommunen dann, wenn sie diese Prozesse beteiligungsorientiert aufbauten und Betroffene zur Mitwirkung einluden. Mit regional sehr unterschiedlichem Erfolg arbeiten die „Lokalen Bündnissen für Familie“, ein von der Bundesregierung vorangetriebenes Programm, über das sich lokale Akteurinnen und Akteuren aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft auf freiwilliger Basis treffen. Gemeinsam arbeiten sie im lokalen Rahmen daran, die Lebens- und Arbeitsbedingungen für Familien in ihrer Kommune durch bedarfsorientierte Projekte zu verbessern.

4. Umsetzung durch Arbeitgeber

Im Fach- und Führungskräftemangel müssen immer mehr Betriebe um Arbeitskräfte werben. In vielen Branchen ist Personal nur mit attraktiven Arbeitsplatzangeboten zu bekommen. Eine Möglichkeit zur Steigerung der eigenen Arbeitgeberattraktivität bietet eine höhere Familienfreundlichkeit, denn: Dies interessiert Nachwuchskräfte, welche eine Familie gegründet haben oder dies vorhaben ebenso, wie ältere Beschäftigte, deren Eltern pflegebedürftig werden oder die diese Situation auf sich zukommen sehen. Betriebliche Vereinbarkeitsmaßnahmen stärken das Personalmarketing und die Beschäftigtenbindung. Sie sind aber auch aus betriebswirtschaftlicher Perspektive sinnvoll. Familienfreundliche Arbeitgeber entlasten Ihre Beschäftigten und stärken so deren Arbeitsfähigkeit. Familienbedingte Fehlzeiten reduzieren sich, und die Rückkehr aus Familienzeiten sowie die anschließende Reintegration beschleunigen sich. Dies spart Kosten. Familienfreundliche Regelungen führen zu reibungsloseren betrieblichen Abläufen, weil der Umgang mit Störungen geklärt ist. Konflikte werden so im Vorfeld schon vermieden. Die Zufriedenheit steigt, Motivation, Loyalität und Mitarbeiterbindung verbessern sich. Zugleich sinkt die Fluktuationsrate. Nicht zuletzt verbessert die Familienfreundlichkeit das Arbeitgeberimage. Dies gilt nicht alleine für Stelleninteressierten, sondern auch für Kunden, Partnern und Finanziers.

Arbeitgebern stehen verschiedene Handlungsfelder zur Verfügung, in denen Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie umsetzbar sind:

a. Arbeitsrahmen

Beschäftigte mit Familienaufgaben haben in der Regel ein zeitliches Problem, wenn beispielweise Kinder krank werden oder wenn sich andere unvorhergesehene Ereignisse aus dem familiären Umfeld mit der Arbeitszeit überschneiden. Dies erfordert flexible Arbeitszeitregelungen. Familienfreundliche Arbeitszeit-Modelle berücksichtigen die Lage und Länge der Arbeitszeiten. Dies kann mit Teilzeitmodellen umgesetzt werden. Als hilfreich empfinden Betroffene oft auch lebensphasenorientierte Anpassungen der Arbeitszeit, Arbeitszeitkonten sowie flexible Gleitzeitmodelle. Freistellungen in Notfällen, Sabbaticals sowie familiengerechte Urlaubsregelungen entlasten diesen Personenkreis ebenfalls. Im Bereich der Arbeitsorganisation geht es insbesondere um Vertretungsregelungen bzw. um die Einrichtung von Springer-Pools. Entlastend wirken auch Angebote zum mobilen Arbeiten wie etwa das Home-Office und Telearbeit.

b. Arbeitskultur

Inwieweit Beschäftigte ihre persönliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie umsetzen können, hängt in hohem Maße davon ab, ob sie darin von ihren Kolleginnen und Kollegen und insbesondere von ihren Führungskräften unterstützt werden. Gerade Führungskräfte beeinflussen Vereinbarkeitschancen aufgrund ihres Weisungsrechtes in hohem Maße. Die Sensibilisierung und Qualifizierung für einen familienorientierten Führungsstil ist daher ein wichtiger personalpolitischer Baustein in der Führungskräfteentwicklung familienfreundlicher Unternehmen. Ebenso wichtig ist die Aufnahme von Familienfreundlichkeit als Unternehmensziel in Leitbilder und Führungsleitlinien. Dies gibt den Führungskräften Orientierung, wenn Sie im Zielkonflikt zwischen der Erreichung der betrieblichen Ziele und einer familienfreundlichen Beschäftigtenorientierung zu entscheiden haben. Ein wichtiges organisationales Instrument ist in diesem Zusammenhang die Gestaltung von Eltern- und andere Familienzeiten mit den Phasen Ausstieg, Kontakthalten während der Familienzeit und der anschließende Wiedereinstieg. Betroffenen bleiben so informiert und fühlen sich weiter zugehörig. Teure Reintegrationsmaßnahmen werden so vermieden.

c. Unterstützende Angebote

Die Übernahme von Familienaufgaben, egal ob in der Kinderbetreuung oder in der Pflege, erfordern zusätzlich finanzielle Aufwendungen. Familienfreundliche Arbeitgeber können ihren Beschäftigten daher finanzielle Zuschüsse für Serviceleistungen wie etwa einer Haushaltshilfe, Babysitting oder einem Bügelservice anbieten. Zuschüsse können auch bei familiären Anlässen wie etwa einer Geburt gewährt werden. Da Entlastungen für Personen mit Familienaufgaben oft in Eigenregie organisiert werden, können Arbeitgeber auch hierzu Unterstützung anbieten, etwa durch die Bereitstellung einer Intranetseite zur Organisation von Tauschbörsen oder von Fahr- und Kita-Abholgemeinschaften. Für berufstätige Eltern sehr entlastend sind auch durch den Arbeitgeber organisierte Kleinkindbetreuungsangebote etwa durch Tagesmütter, eine betriebseigene Kindertagesstätte, der Kauf von Belegrechten in anderen Betreuungseinrichtungen für Kinder oder im Pflegefall sowie die betriebsseitige Organisation einer Betreuung in Notfällen und in Ferienzeiten.

d. Kommunikation

Eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist nur dann realisierbar, wenn die Betroffenen um die vorhandenen Angebote wissen. Informationen dazu können Arbeitgeber ihren Beschäftigten in Form einer Broschüre, über das Intranet, über Berichte in der Betriebszeitung sowie auf Dienstbesprechungen und Betriebsversammlungen zur Verfügung stellen. Betont das Top-Management hierbei die familienfreundliche Ausrichtung der Organisation, so setzt sie damit ein Signal, das sich auf die Arbeitskultur auswirkt. Als interne Ansprechpersonen können eigene Familienbeauftragte oder die betriebliche Sozialarbeit eingesetzt werden. Inzwischen übernehmen diese Aufgabe auch vielfach die Mitarbeitervertretungen oder externe Dienstleister. Wird die Familienfreundlichkeit der Organisation auch in der externe Kommunikation eingesetzt, etwa über die Homepage oder über die betriebliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, so wirkt sich das zugleich auf das Image und die Reputation der Organisation aus. Viele Firmen nutzen hierzu die von verschiedenen Anbietern vermarkteten Prüfsiegel für familienfreundliche Betriebe. Weitergehend ist der Ansatz, eigene Familienfreundlichkeit im Rahmen eines betriebsspezifischen Employer Branding-Konzeptes (Arbeitgebermarke) zu präsentieren.

Arbeitgeber können bei der Entwicklung ihrer Vereinbarkeitsangebote inzwischen auf zahlreiche regionale, nationale und verbandsverankerte Netzwerke zurückgreifen. Um familienfreundliche Strukturen und Angebote zu schaffen bauen sie entweder interne Kompetenz auf oder sie beziehen externe Kompetenz mit Beratungsbeauftragungen ein. Interne Akteure und Treiber sind hierbei meist das Top-Management selbst, die Personalabteilungen, die Mitarbeitervertretungen oder eigens geschaffene Stabstellen.

5. Links


Werden Sie Teil der CSR NEWS-Community, gestalten Sie den Nachhaltigkeitsdialog mit, vermitteln Sie Impulse in unsere Gesellschaft und lesen Sie uns auch als eBook. > Weitere Infos
DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner