CSR-Wissen Management Menschenrechte

Menschenrechtliche Risikoanalyse

1. Menschenrechtliche Risikoanalyse: Ein Überblick

Was ist eine Menschenrechtliche Risikoanalyse?

Die Menschenrechtliche Risikoanalyse ist ein komplexer und kontinuierlicher Prozess, der der Ermittlung und Bewertung von tatsächlichen und potentiellen negativen menschenrechtlichen Auswirkungen unternehmerischer Aktivitäten dient. Die Identifizierung potenzieller Risiken ermöglicht transparente Berichterstattung und die Entwicklung effektiver Maßnahmen und stellt somit den Kern und Grundstein im Prozess der menschenrechtlichen Sorgfalt (human rights due diligence) von Unternehmen dar. Die menschenrechtliche Risikoanalyse bildet die Basis für die nachfolgenden vier Phasen (Strategieentwicklung, Umsetzen von Maßnahmen, Nutzen von Innovationspotential, kontinuierliches Monitoring) der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht. Ziel der menschenrechtlichen Risikoanalyse ist die Identifizierung potentieller und tatsächlicher menschenrechtlicher Auswirkungen. Dieser Schritt ist entscheidend für die Implementierung effektiver Maßnahmen zur Prävention, Minimierung und Wiedergutmachung nachteiliger menschenrechtlicher Auswirkungen, sowie die Förderung positiver Auswirkungen.

 Notwendigkeit der MR Risikoanalyse für Unternehmen

Die unternehmensspezifische Durchführung einer menschenrechtlichen Risikoanalyse ist essentiell um den gesetzlichen und gesellschaftlichen Anforderungen der heutigen Zeit gerecht zu werden. Die 2011 von den Vereinten Nationen verabschiedeten UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrecht haben einen globalen Referenzrahmen geschaffen, in dem erstmals die menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen definiert wird. Ziel ist es, ein verantwortungsbewussteres und nachhaltigeres Handeln von Unternehmen zu fördern. Obwohl rechtlich unverbindlich, haben die UN-Leitlinien den Druck auf Staaten und Unternehmen verstärkt und die Verabschiedung weiterer regionaler und nationaler Richtlinien, wie beispielsweise das ’Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten’ (besser bekannt als CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) begünstigt. Das am 9. März 2017 vom Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetz fordert insbesondere börsennotierte Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten dazu auf, künftig auch nichtfinanzielle Aspekte ihrer Tätigkeiten offenzulegen. Durch menschenrechtliche Risikoanalysen sollen Unternehmen mögliche Schwachstellen entlang ihrer Lieferketten identifizieren, umso negative Folgen in Bezug auf Menschenrechte sowie Arbeits- und Sozialstandards besser vorbeugen zu können. Durch die Verabschiedung der Richtlinie kommt Deutschland der im Oktober 2014 vom Europäischen Parlament beschlossenen CSR-Richtlinie nach. Mit der CSR-Richtlinie gibt es nun erstmalig auch eine europaweite Regelung unternehmerischer Verpflichtungen. Zum aktuellen Zeitpunkt haben 21 der 28 EU-Mitgliedstaaten die EU-Richtlinie vollständig umgesetzt.[1] Einige Länder der EU, wie beispielsweise Frankreich, Niederlande und die UK, haben bereits darüber hinaus Regulierungen implementiert. Es ist zu erwarten, dass weitere gesetzliche Regelungen Unternehmen zunehmend zu mehr Haftung verpflichten werden. Die Risikoanalyse, als Teil der menschenrechtlichen Sorgfalt, stellt dabei nicht nur eine wirtschaftliche Notwendigkeit dar, sondern bietet gleichzeitig weitreichende unternehmerische Chancen.

2. Normativer Rahmen der Menschenrechtlichen Risikoanalyse

Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die den normativen Rahmen der Risikoanalyse bilden, sind in drei Säulen aufgeteilt:

Säule 1 –
Pflicht der Staaten zum Schutz und zur Gewährleistung der Menschenrechte und Grundfreiheiten

Säule 2 –
Pflicht von Unternehmen zur Achtung der Rechte

Säule 3 –
Pflicht von Staaten und Unternehmen im Fall von Menschenrechts­verletzun­gen angemessene und wirksame (gerichtliche und außergerichtliche) Abhilfemaßnahmen zu gewährleisten

Die Grundanforderungen der menschenrechtlichen Risikoanalyse sind in den Prinzipien 18 und 24 der UN-Leitprinzipien dargelegt. Eine konkrete Vorgabe dazu wie eine Risikoanalyse aussehen sollte ist nicht gegeben, allerdings sollten die folgenden sechs Aspekte in der Analyse abgedeckt werden:

  1. Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeiten
  2. Auswirkungen durch Geschäftsbeziehungen
  3. Fokus der Analyse sollte auf den Risiken für den Rechteinhaber liegen
  4. Einbindung wichtiger Stakeholder
  5. International anerkannte Menschenrechte als Referenzrahmen (aufgrund länderspezifischer Eigenheiten kann es hierbei vereinzelt zu Konflikten und Abgrenzungsschwierigkeiten kommen)
  6. Wiederholung der Analyse in regelmäßigen Abständen (um Veränderungen zu identifizieren und Maßnahmen entsprechend anzupassen)

3. Schrittweise Durchführung der Menschenrechtlichen Risikoanalyse

Die Menschenrechtliche Risikoanalyse ist ein schrittweiser Prozess, bei dem fortlaufend nachjustiert werden muss. In einem ersten Schritt sollen zunächst die tatsächlichen und potentiellen Risiken der unternehmerischen Aktivitäten eines Unternehmens ermittelt werden (Prinzip 18 UNGP) bevor sie in einem zweiten Schritt bewertet und priorisiert werden (Prinzip 24 UNGP). In einem dritten Schritt werden für die schwerwiegendsten Risiken tiefere Analyse durchgeführt.

Schritt 1: Ermittlung von Risiken

Zunächst werden ganzheitlich die tatsächlichen und potentiellen Risiken der einzelnen Geschäftsaktivitäten eines Unternehmens, sowie die betroffenen Personengruppen identifiziert (Prinzip 18). Dabei müssen sowohl die Mitarbeiter des eigenen Unternehmens, als auch die der Geschäftspartner entlang der Wertschöpfungskette und die betroffenen Gemeinden und Endverbraucher in der Analyse berücksichtigt werden. Besonders gefährdete Gruppen wie beispielweise Kinder, Frauen, ethnische oder indigene Gruppen sollte dabei gesonderte Aufmerksamkeit zuteilwerden. Bei der Ermittlung der Risiken gilt es außerdem zu beachten alle Menschenrechte, auch jene die zunächst unwahrscheinlich zu berührt sein scheinen, zu betrachten. Je nach Branche und Lieferkette unterscheiden sich die für ein Unternehmen relevanten Menschenrechte. Um die durch unternehmerische Aktivitäten betroffenen Menschenrechte zu erfassen ist es notwendig die unternehmenseigenen Lieferketten und die damit potenziell verbundenen Risiken genauestens zu identifizieren und zu analysieren. Hierfür bietet es sich an zunächst das unternehmenseigene Know-how zu nutzen und dieses später mit Hilfe externer Informationen zu ergänzen. Die Einbeziehung interner Stakeholder aus zentralen Unternehmensbereichen wie Personal, Beschaffung und Compliance ist wichtig um das Wissen von Schlüsselpersonen zu nutzen und sie von der Notwendigkeit der Risikoanalyse zu überzeugen. Auf Basis dieser ermittelten Informationen wird ein unternehmensspezifischer Analyserahmen erstellt, dessen Aufbau und Gliederung von Unternehmen zu Unternehmen variierbar sind.[2]

Schritt 2: Priorisierung menschenrechtlicher Risiken und Auswirkungen

Bei der menschenrechtlichen Risikoanalyse sollten alle potenziellen negativen Auswirkungen eines Unternehmens identifiziert und entsprechende Maßnahmen getroffen werden. Sollte dennoch eine Priorisierung der Risiken vonnöten sein, so wird diese auf Basis der Schwere der unternehmerischen Auswirkung und dem Grad der Einflussnahme des Unternehmens durchgeführt (Prinzip 24 UNGP),

Laut UN-Leitprinzipien lässt sich der Schweregrad menschenrechtlicher Auswirkung auf Basis der folgenden drei Kriterien bestimmen:

  • Ausmaß: wie groß sind die negativen Auswirkungen auf das Menschenrecht/die Menschenrechte?
  • Umfang: Wie viele Individuen sind betroffen?
  • Behebung: wie schnell können die Auswirkungen der Menschenrechtsverletzung rückgängig gemacht werden?

Um eine möglichst objektive Priorisierungen zu erzielen ist insbesondere die Involvierung der Rechteinhaber vonnöten. Des Weiteren kann durch das Hinzuziehen von externen Experten, wie beispielsweise NGOs oder Gewerkschaften, sichergestellt werden, dass eine möglichst objektive Bewertung der Geschäftsaktivitäten erreicht wird.

In einem nächsten Schritt wird die Verbindung zum Unternehmen untersucht um den Grad der Einflussnahme des Unternehmens auf die einzelnen Bereiche zu bestimmen. Hierbei wird beobachtet ob das Unternehmen:

  • direkt durch eigene Geschäftstätigkeiten für das menschenrechtliche Risiko/ tatsächliche Auswirkung verantwortlich ist und alleinig
  • direkt verantwortlich ist aber als Teil von mehreren Parteien
  • nicht direkt durch eigene Tätigkeiten, sondern durch Geschäftsbeziehung mit der menschenrechtlichen Auswirkung verbunden ist

Schritt 3: Tiefere Analyse für Risiken mit hoher Priorität

In einem dritten Schritt wird durch Einbindung weiterer Stakeholder (z.B. Worker Commitees, Rechteinhaber, nationale und internationale Menschenrechts­organisationen, Regierungs­organi­sa­tionen, Handelskammer) und durch enge Zusammenarbeit mit NGOs, Think Tanks und ggf. anderen Unternehmen, eine vertiefte Analyse für die schwerwiegendsten Risiken durchgeführt. Dies ist nicht nur für ein besseres Verständnis der Risiken, sondern insbesondere auch für die Entwicklung der Maßnahmen zur Abhilfe notwendig.

[1] https://ec.europa.eu/info/publications/non-financial-reporting-directive-transposition-status_en

[2] Das UN Guiding Principles Reporting Framework,  Shift Project, die Tools und Leitlinien des Danish Institute für Human Rights, UN Guiding Principles on Business & Human Rights, UN Global Compact oder die OECD Guidelines on Human Rights stellen hilfreiche Ressourcen für die Erstellung eines Analyserahmens dar

Links:

Verfasserin:
Harriet von Spiegel
Löning – Human Rights & Responsible Business
info@loening-berlin.de
www.loening-berlin.de

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Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.


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