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Ungenutztes Potenzial

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Öffentliche Beschaffung kann einen wertvollen Beitrag zur Dekarbonisierung der Wirtschaft leisten. Doch trotz zuletzt steigender Tendenz werden nur 2,4 Prozent aller Beschaffungsverträge nach umweltfreundlichen Kriterien vergeben.

Berlin (csr-news) > Umweltfreundliche öffentliche Beschaffung (auch green public procurement oder GPP genannt), bei der die öffentliche Hand Verträge für Produkte und Dienstleistungen nicht nur nach Preis sondern nach Kriterien der Umweltfreundlichkeit vergibt, kommt in Deutschland noch viel zu wenig zum Einsatz, zeigt eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Diese Praxis ist in den letzten Jahren zwar zunehmend angewendet worden, ihr Einsatz bleibt aber insgesamt marginal: Im Jahr 2015 berücksichtigten lediglich 2,4 Prozent der öffentlichen Vergaben „grüne“ Kriterien, zeigt die DIW-Analyse auf Basis eines umfangreichen Datensatzes. „Die Tendenz ist ermutigend aber insgesamt bleibt das Potenzial für grüne öffentliche Beschaffung weitgehend unbenutzt“, so Olga Chiappinelli, Ko-Autorin der Studie. „Dabei ist grüne Beschaffung für die öffentliche Hand ein vielversprechender Ansatz, um zur Dekarbonisierung der Wirtschaft beizutragen: Es erlaubt dem Staat, die negativen Umwelteinflüsse seiner Anschaffungen zu reduzieren, einen Markt für grüne Technologien und Produkte zu schaffen und mit gutem Beispiel voranzugehen.“

Öffentliche Beschaffung macht in Deutschland 18 Prozent des gesamten Konsums und elf Prozent der Investitionen aus, in einigen Bereichen wie Gesundheit und Verkehrsinfrastruktur halten öffentliche Auftraggeber bedeutende Marktanteile. Die Einkäufe des Staates eignen sich daher bestens, um die Wirtschaft Richtung mehr Nachhaltigkeit einzulenken – und das ist in Deutschland dringend geboten, angesichts der Gefahr einer Verfehlung der Klimaziele für 2020.

Einsatz von GPP setzt klares politisches Mandat voraus

Ungefähr die Hälfte aller öffentlichen Ausschreibungen in Deutschland orientiert sich ausschließlich am Preis als Auswahlkriterium. Bei der anderen Hälfte können die Vergabestellen zusätzlich auch Qualitätskriterien berücksichtigen. Dadurch reduziert sich bei der Entscheidungsfindung das Gewicht des Preises. So können, wenn die gewählten Qualitätsmerkmale Kriterien der Umweltfreundlichkeit sind, grüne Angebote zum Zug kommen, auch wenn der Anschaffungspreis vielleicht höher liegt als bei Standardgütern – zum Beispiel bei LED-Lampen im Gegensatz zu Glühbirnen.

In den Niederlanden wird umweltfreundliche öffentliche Beschaffung vielversprechend eingesetzt: Das niederländische Infrastrukturministerium „korrigiert“ im Vergabeverfahren für Konstruktions- und Wartearbeiten die Angebote, indem es ihre positiven Umweltauswirkungen, zum Beispiel bei den eingesetzten Materialen oder der voraussichtlichen Entsorgung, bewertet und den Angebotspreis dementsprechend minimiert. Nicht das Angebot mit dem niedrigsten Anschaffungspreis kommt zum Zug, sondern das mit dem niedrigsten korrigierten Preis, der alle Umweltauswirkungen in allen Phasen berücksichtigt.  “Es gibt durchaus Best-Practice-Beispiele, die für Deutschland eine Inspiration sein können”, kommentiert Vera Zipperer, die zweite Ko-Autorin. „Um umweltfreundliche Beschaffung voranzubringen und ihr volles Potenzial zu heben, müsste allerdings ein klares politisches Engagement dahinter stehen, am besten auf Bundesebene“. In Deutschland wird die öffentliche Beschaffung zu 80 Prozent auf Kommunalebene getätigt, wo der finanzielle Druck häufig hoch ist. Ein klares politisches Mandat für umweltfreundliche öffentliche Beschaffung müsste daher von zielgerichteten Finanztransfers begleitet werden. Technische und juristische Weiterbildungen der zuständigen MitarbeiterInnen sowie standardisierte Mess- und Evaluierungsverfahren würden auch dabei helfen, den Einsatz von umweltfreundlicher öffentlicher Beschaffung zu verstärken.


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