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In der Nachhaltigkeitsfalle: Neue, freche Kommunikatoren gesucht

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Im Rahmen eines Forschungsschwerpunkts zu Nachhaltigkeitskommunikation an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt hat sich bereits 2009 und aktuell erneut (2017/2018) ein Forscherteam um Franzisca Weder und Larissa Krainer unterschiedlichste Kommunikatoren nach den Barrieren aber auch den Potenzialen im Umgang mit Nachhaltigkeit in der medialen Öffentlichkeit befragt.

Franzisca Weder

Im Kühlregal, beim Auto- und beim Hosenkauf. Nachhaltigkeit ist scheinbar überall, ein Buzzword, inzwischen ziemlich abgelutscht. Der Wein ist nachhaltig im Abgang und wir haben einen nachhaltigen Eindruck auf jemanden gemacht. Auf der einen Seite also ein Synonym für langlebig und andauernd, bleibt Nachhaltigkeit doch auf der anderen Seite eine Worthülse, und heute sogar schon ein Reizwort, das oftmals unüberlegt eingesetzt wird – in der Politik sowieso, aber auch in den Medien. Dort ist Nachhaltigkeit fast schon eine öffentliche Meinungsblase. Eine Filterblase, in der wir uns gegenseitig in unserem Ärger über Plastikverpackungen und die Verschmutzung der Meere oder in unserem Veganismus bestätigen.

Im Rahmen eines Forschungsschwerpunkts zu Nachhaltigkeitskommunikation an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt hat sich bereits 2009 und aktuell erneut (2017/2018) ein Forscherteam um Franzisca Weder und Larissa Krainer unterschiedlichste Kommunikatoren nach den Barrieren aber auch den Potenzialen im Umgang mit Nachhaltigkeit in der medialen Öffentlichkeit befragt. Waren es 2009 noch vor allem Journalisten österreichischer Medien, standen in der aktuellen Vergleichsstudie neben diesen auch PR-Profis, Blogger, Instagramer und Citizen Journalists vor dem Mikrofon der Forscherinnen. Im theoretischen Fokus der Studie steht die Herausforderung, „to oblige people to act in a sustainable way is to try to find a simplistic, linear and, therefore, wrong solution to the complex puzzle of sustainability“ (Dimitrov, o.A.).

Die dazu passende medien- und kommunikationswissenschaftliche Diagnose in beiden Jahren: Es ist immer noch viel zu dünn, was da in den Medien zu Nachhaltigkeit steht. Es tauchen zwar immer wieder die großen Nachhaltigkeits-Themen auf, E-mobility, Palmöl, Rinderzucht aber auch Holz, Öl oder Wasser-Versorgung und Knappheitsrisiken, zumeist mit Bezug zum Klimawandel als Metaprozess und Stimulus. Es fehlt dabei aber, so die einhellige Meinung aller befragten Kommunikator*innen, eine kritische Auseinandersetzung mit den komplexen Zusammenhängen, in denen beispielsweise Überflutungen stehen. Andere Themen wie Migration werden erst gar nicht mit Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht, obwohl dies ja durchaus auch ein Symptom des nicht nachhaltigen menschlichen Handelns ist.

Ein weiteres Problem, das sowohl die 25 befragten Journalisten (2009) als auch die 20 Kommunikatoren heute beschreiben: Nachhaltigkeit ist und bleibt „Öko“. Zunehmend als „Öko-Schmäh“ verachtet, wie der neue Film von Werner Boote nachdrücklich beschreibt. Darüber hinaus fühlen wir uns durch die Werbung moralisch korrumpiert, wie Stephen Gardiner in seinem Buch „A Perfect Moral Storm“ beschreibt. Was bedeutet dies? Kommunikationsspezialisten helfen uns dabei, dass wir uns bei der Wahl der Hosen, Tomaten aber auch des Autos in moralischer Prokastrination üben. Das Ganze nach dem Motto: Ich fliege zwar für eine Woche all-inclusive nach Ägypten, aber dafür war ich ja am Samstag mit dem Fahrrad auf dem Markt einkaufen.

Bei genauerer Betrachtung und einiger Literaturrecherche, ist Nachhaltigkeit aber sui generis gar nicht so moralinsauer. Vielmehr stellt es auf sachlicher Ebene eine Querschnittsmaterie dar. Ein Handlungsprinzip, welches ähnlich wie Geschlechtergerechtigkeit in unterschiedlichsten Bereichen eine Rolle spielt. Es bildet quasi eine übergeordnete Reflexionsebene. In medien- bzw. kommunikationswissenschaftlichen Begrifflichkeiten wäre das ein so genannter „Masterframe“, ein Deutungsmuster, auf das in unterschiedlichen Kontexten Bezug genommen wird. Für das Thema Nachhaltigkeit, ein auf Langfristigkeit angelegtes Denkprinzip, gibt es keine einfache Lösung. Und damit ist es eigentlich für die Medienberichterstattung – allein schon wegen fehlender Nachrichtenwerte – quasi unbrauchbar, oder zumindest sehr sperrig. Im Rahmen der Befragung wurde darauf, aber auch auf damit in Zusammenhang stehende Barrieren verwiesen:

Erstens: Die verkannte Bedeutung der Lokalberichterstattung. Ein Interesse an einer nachhaltigen Entwicklung und einem höheren Bewusstsein für soziale und umweltbezogene Herausforderungen liegt vor allem im lokalen Bereich. Auch Ideen und Projekte, Nachhaltigkeit nicht innerhalb des Kapitalismus‘ sondern als Alternative zu eben diesem zu denken, haben zumeist einen (hyper)lokalen oder maximalen regionalen Bezugspunkt. Doch nur die Lokalredaktionen in die Pflicht zu nehmen führt hier zu kurz – haben die Veränderungsprozesse wie der Klimawandel doch gleichzeitig eine globale Dimension.

Zweitens: Moralische Korruption durch Unternehmen und PR. Die quantitative betrachtet meiste Nachhaltigkeitskommunikation kommt von Unternehmen, politischen Institutionen und anderen, Nicht-Regierungsorganisationen. Hier wird Nachhaltigkeit nicht nur oftmals als Vehikel für andere Marketing- und Kommunikationsziele ge- aber auch missbraucht. Viel kritischer zu reflektieren wäre die bereits oben angesprochene Korruption, die Bestechung mit einem „grünen“ Auto, das viel weniger verbraucht und an der Ampel seinen Motor abstellt. Die inconvenient thruth ist aber, dass Autos in der Herstellung in in der Verwendung unser Klima stören und zerstören.

Drittens: Fehlende Nachhaltigkeit in der Kommunikation durch neue Medienstrukturen. Mediale Konvergenz und unsere eigenen Filterblasen in den sozialen Medien verstärken die genannten Barrieren. Insbesondere die befragten Journalisten postulieren in Bezug auf die von ihnen erwarteten Kritik-, Orientierungs- und Informationsfunktionen ihre Objektivität. Doch hier sind sie, wie bereits weiter oben angedeutet, beim Thema Nachhaltigkeit vor die Herausforderung gestellt, dass dieses Konzept es per se eine hohe moralische Intensität hat und dass die eigenen Werte hier einen Einflussfaktor bilden – was m.E. auch gut so ist.

Das Thema Nachhaltigkeit fordert gerade Journalisten aber auch Blogger und Citizen Journalists offenbar heraus, dieser nicht zu realisierenden Objektivität nicht hinterherzulaufen. Diese Subjektivität der quasi selbst postulierten Objektivität ist ein Hindernis, das überwunden werden kann. Nachhaltigkeitsberichterstattung folgt nicht den gleichen Regeln wie Wissenschaftsjournalismus. Weniger Watchdogs als vielmehr Storyteller sind gefragt. Eine befragte Journalistin fordert „Revoluzzer“, junge Journalisten, die Dinge anders denken, die kritisch reflektieren und Widersprüche aufdecken.

Neben den erforderlichen „revolutionären“, kritischen und dabei durchaus subjektiven Kommunikatoren fordern die Befragten einen kleinteiligen Journalismus zur Überwindung der identifizierten Barrieren. Nachhaltigkeit muss als Puzzle verstanden werden, viele kleine Geschichten, Lösungsvorschläge für die Probleme im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung sind gefragt. Diese transmedialen Geschichten müssen dann über einen inhaltlichen „Hub“ verbunden werden. Dies kann eine Website oder ein Youtube Kanal sein, aber auch ein entsprechender Bereich in der Lokalzeitung.

Im Sinne eines „smaller scale journalism“ entsteht so ein Hintergrundrauschen, das im Falle der Nachhaltigkeit wahrscheinlich sinnvoller ist, als Skandalisierungen zum Öko-Schmäh, politisches Versagen und greenwashing-Vorwürfe. Durch eben dieses „Rauschen“ kann nachhaltig eine Veränderung unseres gesellschaftlichen Normengefüges herbeigeführt werden. Das Puzzle aus kleinteiligen Geschichten, das Nachhaltigkeit von einem sozio-politischen Konzept zu einem Leitwert gesellschaftlichen, politischen aber auch individuellen Handelns macht – aber nur, wenn wir auch die kleinen vielen möglichen Lösungen kennen lernen.

Dann könnten wir sogar so weit gehen und von einem kommunikativen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung und damit nachhaltiger Kommunikation sprechen. Damit kann dann das Prinzip der Nachhaltigkeit auch zur normativen Grundlage einer weitergehenden medienethischen Diskussion führen.

Zum Weiterlesen:

Weder, F., & Krainer, L. (2018). Reflexivity on contradictions How Journalists describe their contribution to sustainable development and thereby science communication. IAMCR Proceedings, Orgeon. (expected to be published in July)

Weder, F., Karmasin, M. & Krainer, L. (expect. 2019). Handbook of Sustainability Communication. Heidelberg u.a.: Springer.

Dimitrov, V. (o.A.). Paradox of Sustainability: A complexbased view. www.zulenet.com/vladimirdimitrov/pages/sustainab.html


Franzisca Weder ist Assoc. Professor am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Alpen-Adria Universität Klagenfurt.

 


 

 

 


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