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Der „Grüne Knopf“ – ein Schritt in die richtige Richtung?

Näherin in Bangladesch (Achim Halfmann / CSR NEWS)

Ein Kommentar von Rechtsanwalt Holger Hembach, Bergisch Gladbach

Bergisch Gladbach (csr-news) – Kaum noch jemand bestreitet, dass Unternehmen Verantwortung für die gesellschaftlichen Folgen ihres Handelns tragen. Das betrifft beispielsweise die Auswirkungen ihrer Geschäfte auf die Umwelt, die Bedingungen, zu denen Beschäftigte in dem Unternehmen tätig werden und in bestimmtem Umfang auch die Folgen der Tätigkeit von Zulieferbetrieben, soweit die Unternehmen diese beeinflussen können. Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, wie sichergestellt werden kann, dass Unternehmen dieser Verantwortung gerecht werden. Die einen befürworten gesetzliche Regeln, die klar festlegen, welche Pflichten Unternehmen haben und was geschieht, wenn sie gegen diese Pflichten verstoßen.

Andere setzen auf Selbstverpflichtung von Unternehmen und auf die Kraft des Marktes. Verbraucher, so der Gedanke, legten Wert darauf, Produkte zu kaufen, die unter Bedingungen produziert wurden, die die Umwelt schonen und im Einklang mit menschenrechtlichen und sozialen Standards stehen. Die Nachfrage nach solchen Produkten werde über kurz oder lang dazu führen, dass Unternehmen nachhaltiger produzierten.

Information der Verbraucher

Allerdings funktioniert dieser Ansatz nur, wenn die Konsumenten auch zuverlässige Informationen darüber erhalten, dass bei der Herstellung bestimmter Waren weder Menschenrechte verletzt noch die Umwelt übermäßig geschädigt wurden. Viele Hersteller benutzen Siegel, die bestätigen sollen, dass ihre Produkte nachhaltig produziert worden sind. Die Aussagekraft solcher Siegel ist aber umstritten. Zum einen ist es oft nicht klar, was genau die Siegel besagen, also beispielsweise, welche Standards eingehalten wurden und wie festgestellt wird, dass dies der Fall ist. Portale wie Siegelklarheit.de, das die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit betreibt, können hier Aufschluss geben. Aber längst nicht alle Verbraucher kennen solche Portale, und es schein fraglich, wie viele von ihnen sich hier vor einem Kauf informieren.

Zum anderen haben die Organisationen, die Siegel vergeben, häufig ein kommerzielles Interesse daran, dass viele Unternehmen sich um das entsprechende Siegel bemühen und es auch erhalten. Das nährt den Verdacht, dass die Prüfungen oft nicht allzu streng sind.

Kritiker meinen daher, dass die Siegel in vielen Fällen eher dazu dienen, den Absatz zu fördern und Verbrauchern ein gutes Gewissen zu verschaffen als eine echte Verbesserung in den Bereichen Umweltschutz, Sozialstandards und Menschenrechte zu erreichen.

Was ist der „Grüne Knopf“

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit will dieses Problem mit dem „Grünen Knopf“ angehen. Dabei handelt es sich um ein Siegel, das vom Staat vergeben wird. Es verbindet Kriterien, denen eine Ware genügen muss und Anforderungen an das Unternehmen, das das Produkt herstellt. Dabei knüpft es einerseits an bestimmte Siegel an, d.h., es legt fest, welche bestehenden Siegel auch im Rahmen der Zertifizierung mit dem Grünen Knopf berücksichtigt werden. Welche genau dies sind, steht derzeit noch nicht fest. Insofern ist der Grüne Knopf also ein „Metasiegel“. Andererseits soll es einen eigenen Katalog von Anforderungen für die Zertifizierung geben.

Um zu erreichen, dass die Ware und die Unternehmen die Kriterien auch wirklich erfüllen, soll der Grüne Knopf als Gewährleistungsmarke geschützt werden. Eine Gewährleistungsmarke garantiert bestimmte Eigenschaften von Waren und Dienstleistungen. Bei Eintragung der Marke wird eine Markensatzung festgelegt, die vorschreibt, welchen Anforderungen ein Produkt oder eine Leistung genügen muss, um die Marke tragen zu können.

Darüber hinaus möchte das Ministerium durch die Einschaltung der Deutschen Akkreditierungsstelle sicherstellen, dass zuverlässig geprüft wird, ob die Kriterien erfüllt sind. Die Deutsche Akkreditierungsstelle ist ein Unternehmen mit Sitz in Berlin, das nicht gewinnorientiert ist und sicherstellt, dass Prüfunternehmen, Laboratorien u.ä. bei ihrer Tätigkeit bestimmten Anforderungen genügen. Sie handelt dabei auf der Grundlage eines besonderen Gesetzes, des Akkreditierungsstellengesetzes. Die Einschaltung unabhängiger Prüfer, die von der Deutschen Akkreditierungsstelle zertifiziert sind, soll gewährleisten, dass Verbraucher sich darauf verlassen können, dass Produkte, die den Grünen Knopf tragen auch ernsthaft geprüft worden sind.

Die Geschäftsstelle des Grünen Knopfes ist bei der GIZ eingerichtet.

Eine Verbesserung?

Der „Grüne Knopf“ ist sicherlich ein wichtiger Schritt vorwärts. Im Dschungel der Nachhaltigkeitssiegel, die nur allzu oft eher dazu dienen, Verbraucher einzulullen als sie zu informieren, bietet er zumindest zu einem gewissen Grad nachvollziehbare Prüfverfahren und Kriterien. Allerdings ist das Siegel auch bei sorgfältiger Prüfung nur so gut wie die Kriterien, auf denen es beruht. Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit schreibt in seiner Pressemitteilung, Unternehmen müssten „insgesamt 46 anspruchsvolle Kriterien“ erfüllen. Worin genau diese bestehen, ist offenbar bisher nicht öffentlich. Es heißt lediglich, die Kriterien seien ambitioniert, was auch die Unternehmen bestätigt hätten, die die Prüfung beantragt hätten (letzteres ist keine echte Überraschung). An bestimmten Kriterien gibt es bereits Kritik. Beispielsweise hat die „Kampagne für Saubere Kleidung“ kritisiert, dass zu den Produktkriterien bislang lediglich die Zahlung von Mindestlöhnen im Produktionsprozess zähle, nicht aber die Zahlung existenzsichernder Löhne.

Es stellt sich auch die Frage, welchen Grad an Sicherheit staatlich zertifizierte Prüfstellen tatsächlich bieten. Das Ministerium verweist in seiner Pressemitteilung auf den TÜV. Ausgerechnet der TÜV war es aber, gegen den sich eine Beschwerde bei der OECD Kontaktstelle richtete, weil TÜV India – eine 100%ige Tochter des TÜVs Rheinland – vor dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza einen Audit durchgeführt und dabei aus der Sicht der Beschwerdeführer wichtige Punkte übersehen hatteInsofern ist es noch zu früh um einzuschätzen, wie aussagekräftig der Grüne Knopf letztlich ist.

Rechtspflicht oder Selbstverpflichtung

Die grundsätzliche Frage ist aber, ob Zertifizierungen und die Hoffnung auf die Marktmacht bewusster Verbraucher der richtige Ansatz sind. Das führt zurück zu der am Anfang des Artikels angesprochenen grundsätzliche Entscheidung für das Vertrauen in den Markt und in das Verantwortungsgefühl von Unternehmen oder für eine gesetzliche Regelung.

Die Erfahrung deutet nicht darauf hin, dass ersteres ausreicht. Der Einsturz der Textilfabrik Rhana Plaza war nicht der erste Vorfall in Bangladesh, bei dem zahlreiche Opfer starben oder schwer verletzt wurden. Bereits 2010 starben 21 Menschen bei einem Brand in der Fabrik Garib Garib; 2012 kamen bei einem Brand bei Tazreen Fashion mehr als 100 Menschen um (eine Zusammenfassung finde sich hier. Auf Initiative von Gewerkschaften in Bangladesh und mehrerer internationaler Nichtregierungsorganisationen wurde in der Folge ein Memorandum of Understanding ausgebarbeitet. Dieses wurde ein wenig modifiziert und von Tchibo und dem U.S. amerikanischen Unternehmen unterzeichnet. Es trat jedoch nicht in Kraft, weil sich keine weiteren Unternehmen fanden, die zur Unterzeichnung bereit waren. Vielmehr bemühten sich große Unternehmen wie Walmart, Tesco und Carrefour, koordiniert von der (offenbar unvermeidlichen) GIZ einen Nationalen Action Plan zu erstellen. Während die Verhandlungen noch liefen, kam es zur Katastrophe von Rana Plaza.

In den USA ist derzeit ein Verfahren gegen Nestle USA, Cargill und Daniel Midlands anhängig. Die Kläger in dem Verfahren sind ehemalige Kindersklaven, die auf Kakaofarmen in Elfenbeinküste zur Arbeit gezwungen wurden. In ihrer Klageschrift weisen sie auch darauf hin, dass im Jahr 2001 das Repräsentantenhaus ein Gesetz erlassen habe, das Hersteller und Importeure verpflichten sollte, zu garantieren, dass ihre Produkte nicht mithilfe von Sklavenarbeit hergestellt worden seien. Diese Regelung sei aber – auch aufgrund der Lobbyarbeit von Konzernen – einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Unternehmen gewichen, durch das sich die Unternehmen im Ergebnis Zugang zu der billigsten verfügbaren Arbeit erhalten hätten – nämlich Sklavenarbeit.

In Kanada erging Ende 2018 das Urteil des Rechtsmittelgerichts über eine Klage gegen Loblaw. Die Kläger waren Angehörige von Personen, die beim Einsturz von Rana Plaza getötet worden waren. Sie verlangten Schadensersatz von Loblaw, einem große kanadischen Warenhausunternehmen, das Kleidung bezog und verkaufte, die in Rana Plaza hergestellt worden war. Loblaw verfügt über beeindruckende Verhaltensregeln, die Zulieferer auf strenge rechtliche Standards verpflichten; in Rana Plaza hatte kurz vor dem Einsturz ein Audit durch das italienische Zertifizierungsunternehmen „Veritas“ stattgefunden. Genutzt hat es nichts.

Dies sind Einzelfälle. Sie beleuchten aber das Problem mit freiwilligen Verpflichtungen und Zertifizierungen: Sie sind oft nicht effektiv, schwer kontrollierbar – und wenn sie scheitern, haben die Opfer kaum eine Möglichkeit, Schadensersatz zu erlangen. Bisweilen drängt sich der Verdacht auf, dass Unternehmen die freiwillige Selbstverpflichtung nicht deshalb heraufbeschwören, weil sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind, sondern vor allem, weil sie einer rechtlichen Verpflichtung aus dem Weg gehen wollen. Siegel und corporate social responsibility-Initiativen mögen in vielen Fällen begrüßenswerte Initiativen sein. Echten Fortschritt wird nur eine gesetzliche Regelung bringen.

Rechtsanwalt Holger Hembach,
Bergisch Gladbach


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