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NGOs und Unternehmen fordern Lieferkettengesetz

Zahl der unterstützenden Firmen wächst

Berlin (csr-news) – NGOs fordern seit längerem ein Lieferkettengesetz, das die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten von Unternehmen regelt. Neu ist, dass immer mehr Unternehmen öffentlich für ein solches Gesetz eintreten. Zudem hatten in der vergangenen Woche Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) angekündigt, Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz zu erarbeiten.

Mit der „Initiative Lieferkettengesetz“ wollen 18 NGOs die Diskussion um eine gesetzliche Regulierung in der Öffentlichkeit präsent halten – darunter auch Germanwatch. „Es kann nur ein gesetzlicher Rahmen ein Mindestmaß an Sorgfalt in den Lieferketten schaffen“, sagt Julia Otten, Referentin für zukunftsfähiges Wirtschaften in globalen Lieferketten bei Germanwatch. Die jetzige Situation benachteiligte bereits verantwortungsvoll engagierte Unternehmen. Laut Otten wollen die NGOs nicht zu unnötiger Bürokratie beitragen. „Es geht um eine gesetzliche Grundlage für das verantwortliche Engagement der Unternehmen in ihren Lieferketten. In den wenigsten Fällen wird es zu Klagen kommen“, so die Lieferkettenexpertin.

Unternehmen unterzeichnen Lieferkettenstatement

Parallel zu der Lieferketten-Initiative veröffentlicht das Business & Human Rights Resource Center das „Statement: Für eine gesetzliche Regulierung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten“. Etwa 50 Unternehmen haben diese Forderung bisher unterzeichnet. „Für uns ist es hilfreich, die Positionierung der Unternehmen zu sehen“, sagt Otten.

Ein Blick auf die Unterzeichner zeigt, dass überwiegend kleinere Unternehmen und solche, deren Nachhaltigkeitsbezug zum Markenimage zählt, die Forderung unterstützen.

Zu den Unterzeichnern gehört allerdings auch Nestlé. „Die Hürde für ein Unternehmen, eine von NGOs initiierte Erklärung zu unterzeichnen, liegt hoch. Manche Unternehmen glauben: Was eine NGO will, kann nicht gut für uns sein“, sagt Achim Drewes, Leiter Public Affairs bei Nestlé. Der Konzern arbeitet in seiner Kakao-Lieferkette mit dem „Child Labour Monitoring and Remediation System“, was einen Gesprächsaufhänger mit NGOs zum Thema Lieferkette bietet.

„In Bezug auf die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette stehen wir vor einem Flickenteppich aus unterschiedlichen Anforderungen in verschiedenen Ländern“, sagt Drewes. „Wir sprechen uns für ein Lieferkettengesetz aus, denn wir können mehr erreichen, wenn mehr Unternehmen sich in der Breite engagieren. Und uns fällt die Arbeit leichter, wenn wir wissen, dass sich unsere Lieferanten an vorgegebene Standards halten. Zudem entsteht so ein Level Playing Field.“

Auch KiK zählt zu den Unterzeichnern; der Textildiscounter setzt sich für eine europäische Lösung ein. „Wir mussten in den vergangenen Jahren leider die Erfahrung machen, dass freiwillige Ansätze an ihre Grenzen stoßen. Sei es bei einzelnen Initiativen des Textilbündnisses, bei der Accord-Verlängerung für Bangladesch oder bei der Einführung einer Accord-Regelung für Pakistan – KiK bekam bei vielen dieser Forderungen kaum bis gar keine Unterstützung von weiteren Unternehmen“, so ein Unternehmenssprecher. Freiwillige Ansätze könnten von Interessengruppen individuell ausgelegt werden, was zu Wettbewerbsverzerrungen führe. Der KiK-Sprecher weiter: „Wir als Textilhändler benötigen Sicherheit und klare rechtliche Vorgaben, die nicht Gegenstand unterschiedlicher Interpretationen sein können. Nur ein Gesetz sichert gleiche verbindliche Regeln für alle Marktteilnehmer und damit gleiche Wettbewerbsbedingungen unter den Anbietern in der Textilbranche.“

REWE hat jüngst ebenfalls das Lieferketten-Statement unterzeichnet und spricht sich für eine gesetzliche Regelung auf europäischer Ebene aus. „Menschenrechte dürfen nicht verhandelbar sein“, erklärte Daniela Büchel, Bereichsvorstand Handel Deutschland der REWE Group, gegenüber der Presse. „Damit aber tatsächlich alle Unternehmen entlang der Wertschöpfungsketten ihrer Verantwortung gleichermaßen gerecht werden, braucht es verbindliche Rahmenbedingungen, die entlang globaler Lieferketten faire Voraussetzungen schaffen. Ein rein nationales Lieferkettengesetz reicht nicht aus. Wir wünschen uns eine internationale Lösung“.

Spannende Diskussionen in 2020

Wie ein solches Lieferkettengesetz zur menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflicht konkret aussehen kann, da gibt es allerdings unterschiedliche Vorstellungen zwischen Unternehmen und NGOs. „Das wird Anfang des kommenden Jahres eine sehr spannende Debatte werden“, sagt Julia Otten von Germanwatch. „Ich hoffe auf gute Vorschläge von allen Seiten.“

Achim Drewes von Nestlé erwartet Ähnliches: „Wie ein Lieferkettengesetz konkret aussieht, da wird es spannende Diskussionen zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Unternehmen geben.“ Und zum Inhalt eines solchen Gesetzes: „Aus unserer Sicht darf es keine Elemente enthalten, die unserer Rechtsordnung fremd sind, wie etwa eine Beweislastumkehr. Auch eine Haftung für Verstöße durch Dritte sehen wir kritisch. Ein Lieferkettengesetz muss anspruchsvoll sein, darf aber die Unternehmen – und insbesondere den Mittelstand – nicht überfordern.“ Wohl die meisten Unternehmen werden die Position Nestlés teilen: „Wünschenswert wäre eine europäische Lösung. Ein Doppelreporting muss vermieden werden.“

Aktualisiert am 22.12.2019


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