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Immer mehr Unternehmen berichten über soziale und ökologische Aspekte ihres Handelns. Die 10. Auflage des „Survey of Corporate Responsibility Reporting 2017” von KPMG zeigt die Trends rund um den Globus. CSR-NEWS sprach mit Christian Hell, Senior Manager Sustainability Services bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Berlin (csr-news) > Rund 4.900 Unternehmensberichte, die jeweils 100 größten Unternehmen in 49 Ländern sowie die Berichte der weltweit 250 umsatzstärksten Unternehmen („G250“), haben die Analysten von KPMG mit Blick auf deren CSR-Reporting untersucht. Fast drei Viertel dieser Unternehmen berücksichtigen Nachhaltigkeitsthemen in ihrer Berichterstattung. In diesem Jahr haben die Analysten besonderes Augenmerk auf die Klimaberichterstattung gelegt. Genau an dieser Stelle hakt es, denn nur etwa ein Viertel der untersuchten Unternehmen benennt die entsprechenden Risiken, die sich für sie aus dem Klimawandel ergeben. Nur in fünf der untersuchten Länder berichtet die Mehrheit der größten Unternehmen über finanzielle Risiken des Klimawandels: Taiwan (88 Prozent), Frankreich (76 Prozent), Südafrika (61 Prozent), USA (53 Prozent) und Kanada (52 Prozent). In den meisten dieser Fälle ist die Offenlegung von klimabezogenen Risiken entweder gesetzlich vorgeschrieben oder wird zumindest von der Regierung, der Börse oder der Finanzaufsicht empfohlen.

Die Gründe dafür und weitere Ergebnisse der Untersuchung erläutert Christian Hell im Interview:

Christian Hell, Senior Manager Sustainability Services, KPMG AG

Herr Hell, in Ihrer Untersuchung haben Sie festgestellt, dass weniger als ein Drittel der analysierten Unternehmen den Klimawandel als Risiko für ihr Unternehmen begreifen. Bei den größten Unternehmen ist der Anteil etwas höher. Lässt sich daher schlussfolgern, dass die Risiken des Klimawandels in den meisten Fällen verdrängt werden?

Christian Hell: Die Risiken werden nicht unbedingt verdrängt, sondern bleiben oft nur im Sustainability-Bericht. Beispiel: Eine WBCSD Studie (“Sustainability and enterprise risk management: The first step towards integration”, Januar 2017) hat festgestellt, dass nur 29 Prozent der Themen, die in der Nachhaltigkeitsberichterstattung als wesentlich beschrieben werden, auch im Mainstream-Reporting auftreten. Vor allem Klimarisiken sind extrem komplex zu bewerten und als Spezialthema nur schrittweise in bestehende Risikomanagementsysteme zu integrieren. Das fängt bei der komplizierten Datengrundlage an (z.B. Klimamodelle, die nur von Klimaexperten ausgewertet werden können) und reicht bis hin zur Langfristigkeit der Risiken von bis zu 50 oder sogar 100 Jahren in die Zukunft.

Solange diese Risiken nicht greif- und quantifizierbar gemacht werden, bleibt die derzeitige Situation, in der Risiken des Klimawandels zumeist nicht Bestandteil des Risikomanagementsystems oder der allgemeinen Berichterstattung sind, bestehen. Ein anderes Bild ergibt sich in Ländern wie Frankreich, wo insbesondere für Finanzinstitute eine gesetzliche Berichtspflicht über Ihre Portfolioinvestitionen und damit verbundenen Risiken besteht. Insbesondere sind in Frankreich seit 2017 2°C Szenario Analysen, sowie die Definition von damit verbundenen Dekarbonisierungszielen, für institutionelle Investoren verpflichtend. Auf europäischer Ebene wurde 2016 die CSR-Richtlinie verabschiedet, unter die auch die Klima-Berichtserstattung fällt. Der Zwischenbericht der 2017 vom EU-Finanzmarkt Kommissar Dombrovskis einberufenen High Level Expert Group on Sustainable Finance empfiehlt die Einführung verpflichtender 2°C Szenario-Berichtslegung für Finanzinstitutionen.

Je nach Fokus (Land, Unternehmensgröße, Branche) zeigt sich ein sehr unterschiedliches Bild der Berichterstattung. Welche Gemeinsamkeiten konnten Sie erkennen und wo liegen die Unterschiede?

Christian Hell: Einerseits gibt es regulatorische Unterschiede. Frankreich schneidet beispielsweise meist sehr gut ab, weil hier Unternehmen bereits, wie gesagt, verpflichtend über Klimarisiken berichten müssen. Daher auch die hohe Berichterstattungsrate. Die Branchen unterscheiden sich insbesondere aufgrund des Planungshorizonts. In weiten Teilen der Industrie fokussiert sich die Planung auf 1-3 Jahre. Energieerzeuger müssen zum Beispiel wesentlich langfristiger planen, da Investitionen in neue Kraftwerke über Jahrzehnte bewertet werden. Bei solch langfristigen Projekten spielen Klimarisiken (sowohl die physischen Auswirkungen als auch regulatorische Veränderungen oder Transformation der Märkte) oft eine größere Rolle.

 

Welche konkreten Risiken sollten Unternehmen auf jeden Fall auf dem Schirm haben?

Christian Hell: Hier bietet die Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) des Financial Stability Boards der G20 Nationen eine gute Grundlage. In den im Sommer 2017 veröffentlichten Empfehlungen zur Finanzberichterstattung von Klimarisiken und -chancen wird Unternehmen nahegelegt, sich mit klimarelevanten Themen in den Kategorien physische Risken und Übergangsrisiken zu befassen und deren Auswirkungen auf das Geschäftsmodell zu bewerten. Die erste Kategorie deckt die physischen Auswirkungen des Klimawandels ab, aufgeteilt in akute Risiken, etwa Extremwetterereignisse wie Stürme, Fluten, Dürren, und chronische Risiken, beispielsweise die Veränderung von Wettermustern und der Meeresspielanstieg. Die zweite Kategorie umfasst sämtliche Risiken, die mit einem Übergang in eine dekarbonisierte Wirtschaft einhergehen. Dazu gehören insbesondere regulatorische Risiken wie Verbote von klimaintensiven Produkten und Dienstleistungen, technologische Risiken, also klimaintensive Technologien werden von neuen, klimafreundlicheren Technologien ersetzt, und Reputationsrisiken, beispielsweise aufgrund der hohen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf das Klima. Auch die Chancen des Klimawandels werden in unterschiedliche Kategorien eingeteilt. Dazu gehören beispielsweise Effizienzsteigerungen, die Eröffnung neuer Märkte für neue Produkte und Dienstleistungen, sowie die Nutzung erneuerbarer Energien. Es ist nicht gesagt, dass sich all diese Kategorien gleichermaßen auf jedes Geschäftsmodell auswirken. Die tatsächlichen Auswirkungen hängen selbstverständlich von der jeweiligen Wertschöpfungskette ab und müssen individuell bewertet werden. Die genannten Kategorien bilden aber eine gute Grundlage, um sich dem Thema Schritt für Schritt systematisch anzunähern.

Anforderungen bezüglich der Klimarisiken und deren Darstellung kommen vor allem von den Finanzmärkten. Welche Informationen erwarten Investoren, Analysten und Händler von den Unternehmen?

Christian Hell: Aktuell fokussieren sich institutionelle Anleger insbesondere auf tradierte CO2-Fußabdruck-Daten, weil sie sich erhoffen, daraus Rückschlüsse auf die CO2-Intensität ihrer Investments treffen zu können und davon die Risikoposition abzuleiten. Generell geht es ihnen aber um zukunftsrelevante Daten in Bezug auf die Strategie, etwa wie hoch sind die mittel- und langfristig angestrebten CO2-Einsparungen relativ zum Status Quo, um Rückschlüsse auf die Effizienz zu ziehen. Auch geht es darum, zu beurteilen, inwieweit Unternehmen Teil des Problems bzw. Teil der Lösung sind oder sein können; dabei wird beispielsweise darauf geschaut, wie Nachhaltigkeit oder Klimaschutz in Forschungs- und Entwicklungs-Prozessen verankert ist.

Klimaauswirkungen entstehen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, nicht selten zu einem erheblichen Teil in der Nutzungsphase von Produkten. Über welche Auswirkungen sollten Unternehmen berichten?

Christian Hell: Eine vollständige und aussagekräftige Berichterstattung muss die gesamte Wertschöpfungskette umfassen. Denn auch wenn die eigenen operativen Tätigkeiten keinen direkten Auswirkungen des Klimawandels ausgesetzt sind, bedeutet das nicht, dass auch Lieferanten oder Kunden nicht betroffen sind. Ist meine Produktion beispielsweise extrem abhängig von bestimmten Rohstoffen, die aufgrund des Klimawandels nicht mehr zuverlässig und pünktlich geliefert werden können, betrifft das mein Geschäftsmodell ebenso wie direkte Auswirkungen von Extremwetterereignissen auf meine Produktionsstätten oder Verbote meiner Produkte in bestimmten Regionen.

Eine transparente und umfangreiche Berichterstattung bedeutet noch keine signifikanten Verbesserungen beim Klimaschutz. Wie wichtig ist das Reporting für eine konkrete Reduzierung des Carbon Footprints?

Christian Hell: Klimaberichterstattung folgt dem Prinzip „Tue Gutes und rede darüber“. Selbstverständlich ist eine transparente und umfangreiche Berichterstattung keine Garantie für effektiven Klimaschutz. Nichtsdestotrotz sorgt Klimareporting dafür, dass Unternehmen sich öffentlich zu Klimazielen bekennen und sich selbst mittel- beziehungsweise langfristige Ziele setzen, beispielsweise die prozentuale Reduktion der Emissionen bis 2040, oder Klimaneutralität bis 2050, etc.. Damit sorgt die Berichterstattung dafür, dass Unternehmen auch unter öffentlichen Druck stehen und daher Ziele tatsächlich verfolgen und erreichen. Somit ist die Klimaberichterstattung ein wichtiger Teil des unternehmerischen Klimaschutzes.


Zur weiteren Information: Studie zur Kosten-Nutzen-Analyse des Klimareportings, in welcher der Wirkmechanismus zwischen Transparenz und Performance aufgegriffen wird:
https://assets.kpmg.com/content/dam/kpmg/pdf/2015/10/kpmg-wwf-cdp-kosten-nutzen-analyse-klimareporting-gesamtstudie.pdf


Neben den Klimarisiken berichten Unternehmen auch über andere Umweltauswirkungen und soziale Aspekte. Welche Beobachtungen konnten Sie dazu machen?

Christian Hell: Der Bereich Umwelt, und die Berichterstattung dazu, ist grundsätzlich im Nachhaltigkeitsspektrum am weitesten entwickelt. Neben dem Klima hat Wasser in den letzten Jahren vermehrt an Bedeutung gewonnen, vor allem für Unternehmen, die mit ihren weltweiten Geschäftsmodellen auch in wasserarmen Regionen aktiv sind. Neben dem Umweltbereich hat das Thema Menschenrechte in der Berichterstattung stark an Bedeutung gewonnen, insbesondere durch den Nationalen Aktionsplan für Menschrechte oder auch den UK Modern Slavery Act. Dieser Trend wird auch in Zukunft anhalten. Gleiches gilt für Human Ressources – wie geht ein Unternehmen mit seinen Mitarbeitern um, wie ist die Führungskultur, wie sieht es mit der personellen Vielfalt in Unternehmen aus und inwieweit spiegelt diese Diversität die der Kundengruppen wider – Kennzahlen dazu sind Mitarbeiterstrukturkennzahlen, Fluktuation oder Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen.

Transparenz ist ein Schlüsselbegriff im Nachhaltigkeitsreporting. Wie offen berichten Unternehmen über Schwachstellen, noch nicht gelöste Herausforderungen und eher unangenehme Themen?

Christian Hell: Hier geht es nicht nur um Transparenz, sondern insbesondere um die Ausgewogenheit der Berichterstattung, was als Grundsatz auch in den Standards der Global Reporting Initiative verankert ist. Generell sind Unternehmen mit solchen Dilemmata aber eher zurückhaltend im Reporting. Sie diskutieren solche Themen in Stakeholder-Dialogen und berichten dann, was dort angesprochen wurde. Grundsätzlich hängt der Umgang mit Transparenz aber von der Kultur und dem Stil der Unternehmenskommunikation ab, die bei allen meinen Kunden verschieden ist – bei manchen sind die Inhalte interessant, die im Bericht stehen, bei anderen eher die Inhalte, die nicht im Bericht stehen.

“Grundsätzlich hängt der Umgang mit Transparenz von der Kultur und dem Stil der Unternehmenskommunikation ab.”

 

Welche Rolle spielten die SDGs bei den untersuchten Berichten? Welche Entwicklung erwarten Sie diesbezüglich?

Christian Hell: Die Sustainable Development Goals – die Ziele für Nachhaltige Entwicklungen – sind von der UN vorgegeben und ein eindeutiger Trend in der Berichterstattung seit der Veröffentlichung vor nicht einmal 2 Jahren. Sie dienen der Umsetzung und Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, ökologischer sowie sozialer Ebene. In den nächsten Jahren ist hier ein wachsendes Profil zu erwarten. Aktuell verlinken bereits mehr als ein Drittel der Unternehmen ihre Berichterstattung allgemein – aber teilweise auch schon konkret die Wesentlichkeitsanalyse, Ziele oder Aktivitäten und Maßnahmen – mit den SDGs. Die Herausforderung der nächsten Jahre wird sein, dass Unternehmen ihren Beitrag zum Erreichen der SDGs sinnvoll darlegen können, wozu sich die Berichterstattung wahrscheinlich unter anderem in Richtung Quantifizierung weiterentwickeln muss.

In Europa haben wir ab dem nächsten Berichtsjahr eine Pflicht für zahlreiche Unternehmen. Wirkt sich die Berichtspflicht bereits aus und was erwarten Sie?

Christian Hell: Wir sehen derzeit, dass alle Unternehmen umfänglich beginnen zu berichten und dies auch prüfen lassen – es sind also nicht mehr einige ambitionierte DAX30, die aus der Prüfung lernen möchten, sondern das Thema ist nun flächendeckend angekommen, auch bei M-S-TEC-DAX Unternehmen. Wir denken, dass die Berichtspflicht den Themen intern, insbesondere bei Vorständen und Aufsichtsräten, größere Bedeutung geben wird und sich dadurch auch die nichtfinanziellen Prozesse und die entsprechende Performance deutlich verbessern werden.

Wirksames Nachhaltigkeitsmanagement bedeutet einen umfassenden Blick auf das Unternehmen, mit Auswirkungen auf die Berichterstattung. In diesem Zusammenhang kommt immer öfter der Integrierte Bericht ins Spiel. Wie sieht hier die Entwicklung aus, gerade vor dem Hintergrund, die finanziellen Risiken beispielsweise des Klimawandels im Nachhaltigkeitsreporting abzubilden?

Christian Hell: Integrated Reporting ist vom Konzept her eine gute Idee, weil Berichte deutlich kürzer sein und sich auf die Value Creation Story fokussieren sollen. Auch hilft das Konzept dabei, Silos in den Organisationen aufzubrechen und Konnektivitäten zwischen Finanz- und nichtfinanzieller beziehungsweise Nachhaltigkeitsperformance herzustellen. Leider gibt es in der Praxis kein bzw. nur in Ansätzen ein Integrated Reporting, welches dem Rahmenwerk des International Integrated Reporting Councils (IIRC) konsequent entspricht. In Deutschland, erfüllen beispielsweise die Berichte von SAP, EnBW, BASF und Flughafen München in Ansätzen das Rahmenwerk des IIRC. Die Entwicklung in der Praxis geht eher zum ONE-Report, also dem langen Geschäftsbericht, in welchen Nachhaltigkeitsinformationen aufgenommen werden.

Bezüglich finanzieller Klimarisikoberichterstattung gebe ich Ihnen vollends Recht, dass es hier Verknüpfungen gibt. Beispielsweise verwendet die TCFD sehr ähnliche Grundsätze wie das IIRC; ähnlich ist es mit dem CDSB Rahmenwerk, welches die Vision verfolgt, dass wesentliche Informationen im Mainstream Financial Report enthalten sein sollen. Aufgrund des hohen Reifegrads der Klimathematik allgemein und aufgrund des etablierten Standards zur Berechnung von CO2-Emissionen bin ich allerdings der Meinung, dass Klima das erste Thema sein wird, welches vollständig integriert sein wird, im Sinne wirklich reinrassiger Integrierter Berichterstattung.


 

Zum Download:

„The road ahead – KPMG Survey of Corporate Responsibility Reporting 2017”


 

 


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